Zum Inhalt (Access key c)Zur Hauptnavigation (Access key h)Zur Unternavigation (Access key u)
Pressemeldung vom 07.01.2011

Neujahrsempfang des Kreises Paderborn

Freitag, 7. Januar 2011, 18 Uhr, im Burgsaal der Wewelsburg
"Altenpflege - eine Berufsausbildung mit Zukunft"

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Kennen Sie eigentlich Pinocchio, das Männchen mit der langen Nase? Das Handelsblatt bezeichnet bekannte Persönlichkeiten, die sich im nachhinein anders äußern als zuvor, als Pinocchio. Zuletzt zitierten es die Bundeskanzlerin, die am 31. Dezember des Jahres 2009 prognostizierte: „Wir können nicht erwarten, dass der Wirtschaftseinbruch schnell wieder vorbei ist. Manches wird erst im neuen Jahr 2010 noch schwieriger …“ Die jüngste Silvesteransprache der Kanzlerin klang dann etwas anders. Ganz klar: Prognosen sind schwierig, vor allen Dingen, wenn sie die Zukunft betreffen.

Aber – gelogen hat sie eigentlich nicht, die Angela Merkel. Sie hat gesagt, was alle gedacht haben.

Gott sei Dank ist alles viel besser gekommen. Dem Kreis Paderborn war eine besonders starke Betroffenheit voraus gesagt worden, u.a. wegen der starken Abhängigkeit von der Automobilindustrie. Aber Firmen und Menschen sind nicht in die vielzitierte „German Angst“ verfallen, sondern haben so viel Optimismus gehabt, dass an vielen Stellen die – allerdings recht hohen – Vorkrisenzahlen wieder erreicht sind. Im Vergleich der Monate Dezember 2009 und 2010 ist im Kreis Paderborn die Arbeitslosigkeit gefallen um 5,2 Prozent auf einen Stand von 10.847.

Aber die Bewältigung der Krise hat Spuren in den öffentlichen Haushalten hinterlassen. Der Rückgang von Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen und die – Gott sei Dank – vorübergehende Zunahme der Langzeitarbeitslosen hat die kommunalen Haushalte schwer erschüttert, auch im Kreis Paderborn. Diese Last ist noch nicht endgültig geschultert. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften stieg auf einen Höchstwert von über 11500 und im kommenden Jahr rechnen wir nur noch mit gut 11.000.

Die Neuordnung der Gemeindefinanzierung verfolgen wir im Kreis mit ein bisschen Sorge, weil es Gewinner und Verlierer bei uns gibt. Die Landesregierung hat entschieden, die Schlüsselzuweisungen neu zu verteilen. Diejenigen Gemeinden werden begünstigt, in den es die meisten Bedarfsgemeinschaften gibt. Das bedeutet in der Regel eine Umverteilung vom ländlichen in den städtischen, insbesondere großstädtischen Raum. Für den Kreis Paderborn insgesamt ist es in etwa ein „Nullsummenspiel“, allerdings kommt es zu erheblichen Veränderungen innerhalb des Kreises.

Unabhängig von der Neuverteilungsabsicht ist aber festzuhalten, dass im kreisangehörigen Raum die Kosten für die Unterkunft beim Arbeitslosengeld II beim Kreis anfallen. Die jetzige Begünstigung oder Verschlechterung über den Maßstab Bedarfsgemeinschaften wird aber über den Soziallastenansatz bei den jeweiligen Städten und Gemeinden direkt positiv oder negativ abgerechnet, fällt in deren Haushalten an. Anders ausgedrückt: normalerweise würde sich im Kreis Paderborn wenig ändern – jetzt gibt es eine Umverteilung innerhalb des Kreises.

Im Kreis Paderborn haben die Kommunen immer „westfälisch“ gewirtschaftet, d.h. sparsam und wirtschaftlich. Und wenn jetzt bereits angekündigt wird, dass diejenigen, die so gewirtschaftet haben, für diejenigen einstehen sollen, die in manchen Großstädten sich viel geleistet haben, was nicht bezahlbar war, so ist das nicht in Ordnung!

Was wir uns hier im Kreis Paderborn immer geleistet haben ist eine gute und vor allem sichere Infrastruktur, denn Verkehrsfragen sind Schicksalsfragen. Unser Flughafen ist durch die Investitionen, die die Gesellschafter, allen voran der Kreis Paderborn, ermöglicht haben, fit gemacht für einen verschärften, ja von Dortmund und Kassel unfair geführten Wettbewerb. Verkehrsprojekte im Kreis wie die B 1 mit der verbesserten Anbindung des Airports an die A 33, deutlichen Verbesserungen im Schienennahverkehr Richtung Kassel und Düsseldorf, den Bau von Kreisverkehren zum Beispiel am kleinen Hellweg, Radwegemaßnahmen und viele Verkehrssicherheitsmaßnahmen auch durch entsprechende Kampagnen der Polizei haben uns deutlich verbesserte Unfallzahlen beschert.

Wir müssen in unserer Region aber auch geistig mobil bleiben. Eine führende Rolle bei der geistigen Mobilität unserer Region nimmt die Universität ein, u.a. mit der Zukunftsmeile Fürstenallee, an der sich der Kreis Paderborn mit 500.000 Euro beteiligt. Wichtig ist hier die Vernetzung und Bündelung der Aktivitäten in OWL. Die Hochschulen, insbesondere Bielefeld und Paderborn gehen dort einen vorbildlichen Weg.

In diesem Zusammenhang sage ich es ganz deutlich: die Zukunft gehört der Kooperation in Ostwestfalen. Ich stehe fest zur Fortentwicklung der OWL Marketing GmbH zur Regionalen Entwicklungsgesellschaft. Nur so werden wir im Wettbewerb der Regionen stark genug sein. Nicht Konkurrenz, sondern Kooperation mit Bielefeld ist das Gebot der Stunde. Konkurrenz mit Bielefeld sollten wir auf dem Fußballplatz ausleben. Und da – das muss ich einfach mal sagen – spiegelt der Tabellenstand ein Ergebnis wider, das mir nicht unwillkommen ist. Natürlich wünschen wir Bielefeld den Klassenerhalt – unter der Prämisse, dass der SC Paderborn vor Arminia in der Tabelle steht…

Aber zurück zur geistigen Mobilität. Dazu gehört ein möglichst optimales Bildungssystem. Unser Bildungsbüro unterstützt dies mit der Förderung der Qualität der Bildungsarbeit und der technischen und mathematischen Kompetenzen, der Integration von Migranten in den Bildungsprozess und der Hilfestellung bei den Fragen rund um Bildungsstrukturen. Wir werden uns verstärkt um die Koordination der Inklusionsfragen kümmern, denn Eltern von Kindern mit Handikap müssen wissen, welche Perspektiven für ihre Kinder gegeben sein werden. Auf jeden Fall werden die Voraussetzungen für die offene Ganztagsschule bei der Erich-Kästner und Astrid-Lindgren Schule geschaffen.

Die Schuldebatte im Kreis ist voll entbrannt. In unserer Entscheidung müssen wir uns daran orientieren, was für den Bildungsprozess der Kinder am besten ist. Wo sich Schülerzahlen verändert haben, wo man auf Dauer Sorge um eine Schule der Sekundarstufe I in einer Gemeinde hat, dort muss man unideologisch handeln. Hier gibt es keine Patentlösung für alle, sondern immer die individuelle Lösung vor Ort.

Unsere Zukunftskonferenz hat den Weg zu einer internationalen Region gewiesen. Wir arbeiten daran. Der Kreis Paderborn baut eine Partnerschaft mit der Provinz Mantua auf, um einen Beitrag zum europäischen Gedanken des friedvollen Miteinanders zu leisten. Wir wollen uns austauschen über Schule und Bildung, Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und Freizeit.

Und noch eine Kleinigkeit: ist es nicht bezeichnend, dass wir in einem Jahr der größten Krise im Kreis Paderborn, zwei bedeutende museale Einrichtungen in Wewelsburg und Dalheim nach erheblichen Investitionen neu eröffnet und eine dritte Einrichtung, den Neubau der Kammerspiele – immerhin mit einer Kreisbeteiligung von 6 Millionen Euro und einem Drittel der Betriebskosten - im Bau haben? Auch das ist ein wichtiger Beitrag zur Standortsicherung! Da sage mal jemand, Politik sei kurzatmig!

Gehen wir also optimistisch ins neue Jahr. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, warnt allerdings vor zu viel Optimismus. Nicht weil die Prognosen nicht eintreffen könnten, sondern weil vielleicht manche beim Aufschwung vergessen werden könnten, die nicht profitieren. Nun – wir brauchen die guten Zahlen, sonst werden wir auch für die Schwachen nicht genug Geld haben. Aber wir wollen mit diesem Neujahrsempfang durchaus ein Zeichen für diejenigen setzen, die hilfebedürftig sind. Für die Kranken, für die Älteren und Pflegebedürftigen.

Im Kreis Paderborn lebten vor 5 Jahren 10.326 Menschen über 80, im letzten Jahr waren es 12.863 und laut Hochrechnung werden es im Jahr 2014 14.622 Menschen sein, die dieses hohe Alter erreichen. Das ist ein Glück und eine Herausforderung zugleich.

Im Bundesdurchschnitt ist ca. die Hälfte der über 80-Jährigen zurzeit in irgendeiner Form auf Pflege angewiesen. Die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass im engen Zusammenhang mit dem hohen Alter besonders die Demenzerkrankung stark zunehmen wird.

Gibt es aber auch eine steigende Zahl von Menschen, die in der Pflege dieser Menschen ihre Aufgabe, ihren Beruf und ihre Berufung sehen?

In den letzten vier Jahren ist im Kreis Paderborn die Anzahl der Menschen, die ambulante Pflege in Anspruch nehmen um 15 % gestiegen, ebenso ist auch das Personal in den Pflegediensten aufgestockt worden. Bei den stationären Einrichtungen der Altenpflege ist die Nachfrage um 10 % gestiegen und die Personaldecke sogar um 20 % angehoben worden, was auch mit der Tendenz zu tun hat, dass die Heime zunehmend die schwereren Fälle aufnehmen. Ich habe immer deutlich betont: „ambulant hat Vorrang vor stationär“, nicht nur - aber auch aus fiskalischen Gründen. Von 2427 stationären Pflegeplätzen im Kreis Paderborn sind zurzeit 30 Plätze frei. Und ich sehe weiter aktuell keinen weiteren Bedarf für zusätzliche stationäre Plätze.

Die FAZ schreibt am 28.12.2010: Die Pflege soll dazu beitragen, die Selbstbestimmung älterer Menschen zu verbessern. Und wenn es richtig ist, dass so viel wie möglich Menschen in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben wollen, ist der Grundsatz „ambulant vor stationär“ vor allen Dingen ein humanitärer. Aber die Grenze ist immer dort zu ziehen, wo qualifizierte Pflege im Einzelfall nur stationär zu leisten ist. Und für diese über 2000 Fälle im Kreis haben wir wirklich sehr gut geführte Heime mit liebevollen Pflegekräften, die Dienst am Menschen tun.

Aber die Frage muss erlaubt sein: ist wirklich alles gut in der Pflege? Engagement allein genügt nicht. Die Gesellschaft muss auch etwas für die Pflegekräfte tun.

Die Zahl der Pflegebedürftigen, insbesondere in Stufe III hat stark zu genommen. Und so wundert es nicht, dass aufgrund von hoher Arbeitsbelastung, verbunden mit starken psychischen und seelischen, sowie körperlichen Anforderungen der Krankenstand im Pflegebereich höher ist als in anderen Berufsgruppen.

Droht ein Burnout-Syndrom in der Pflege? Und wer pflegt dann die Pflegerinnen und Pfleger?

„Wenn heute 30.000 neue Pflegekräfte bereitstünden, hätten sie am nächsten Tag einen Job“, beschreibt Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste den bundesweiten Bedarf. Auch im Kreis Paderborn stehen einer examinierten Altenpflegekraft 4 oder auch 5 Stellen zur Auswahl. Und der Bedarf steigt: für 2015 fehlen bundesweit über 150.000 Pflegekräfte, auf den Kreis herunter gerechnet wären das weit über 500 fehlende Kräfte. Was kann also getan werden, um den Fachkräftemangel zu decken und vorzubeugen?

Die Ausbildungswege werden ergänzt und erweitert:

- seit dem letzten Sommer ist die 10-jährige Schulausbildung ausreichende Voraussetzung für die Pflegeausbildung.

- die verschiedenen Richtungen der Pflege sollen in eine gemeinsame Ausbildung zusammen geführt werden, um den Absolventen ein größeres Spektrum an beruflichen Möglichkeiten zu bieten.

- Zum Wintersemester 2010/2011 gibt es einen Bachelorstudiengang, der mit dem integrierten Berufsabschluss Alten-, Gesundheits- und Krankenpfleger oder Gesundheits – und Kinderkrankenpfleger bzw. Pflegerin endet.

Dem bereits genannten hohen Krankenstand als Synonym für Überbelastung muss entgegen getreten werden, z.B. mit dem Arbeitprogramm „Gesund-pflegen“ der Unfallkasse NRW, aber auch mit technischen Hilfsmitteln. Genauso wichtig sind aber auch flexible Zeitarbeitsmodelle, Kinderbetreuungsangebote und kollegiale Mitarbeiterteams und eine ausreichende Personalstärke.

Pflege als Beruf spricht die unterschiedlichsten Menschen an: Berufsanfänger, Wiedereinsteiger, aber auch Umschüler. Es ist ein Beruf, der die Seele berührt, der sehr viel geben kann. Karl Marx hat dem Kapitalismus die Entfremdung der Arbeit vorgeworfen. Er beklagte den fehlenden emotionalen Bezug zum Produkt ihrer Arbeit.

Ganz anders das Ergebnis bei der Arbeit im Pflegeberuf. Hier ist der Ertrag der Arbeit sogar ein doppelter. Für den zu Pflegenden ist zunächst einmal ein Grundbedürfnis gestillt worden und wie oft gesellt sich zum Wohlbefinden dann ein Zeichen der Dankbarkeit gegenüber der Pflegerin, dem Pfleger. Erich Grond, dt. Mediziner und Gerontologe stellt hierzu fest:

„Das wesentliche Therapeutikum in der Altenpflege sind die Pflegenden."

„Pflege tut gut“, so lautet das Arbeitsmotto der Barmherzigen Brüder. Aber Pflege tut auch dem Pflegenden gut. Es ist eine ausgesprochen sinnerfüllte Tätigkeit, denn Pflege ist viel mehr als Waschen, Eincremen, Blutdruckmessen und Essen reichen. Es ist zuhören, Wärme verbreiten, Nähe aufbauen, miteinander reden, mitfühlen. Die soziale Kompetenz der Empathie prägt diesen Beruf. Und so pflegen die Vincentinerinnen ihre Schutzbefohlenen nach den Worten des Heiligen Vincenz von Paul: „Herzlichkeit ist die kleine Münze der Liebe.“

Gleichzeitig gilt die Pflege als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der kommenden 50 Jahre. Wer diesen Beruf ergreift hat beste Zukunftsperspektiven, insbesondere, wer fachlich gut ausgebildet ist.

Dieser Anspruch ist eine Aufforderung an das Pflege- und Gesundheitswesen, die eigene Arbeit immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Darüber hinaus bin ich überzeugt davon: das Berufsbild Pflege ist nicht abgeschlossen, sondern steht vor großen Änderungen. In deren Mittelpunkt muss aber immer der Mensch mit seinem Bedürfnis nach menschlicher Nähe stehen – bei allen Finanzierungsfragen.

Pflege ist ein anstrengender Beruf mit Schichtdienst, Wochenenddiensten und Diensten an Feiertagen. Der Beruf verlangt den Ausführenden, aber auch ihren Familien viel ab. Aber es ist auch ein Beruf, der den Menschen reifen lässt. Dieser Beruf hat ein viel höheres Ansehen verdient. Wir wollen heute dazu beitragen.

Wir haben heute Vertretung innen und Vertretung dieses Berufsstandes eingeladen. Weil wir Ihnen danken wollen: Für Ihren Einsatz in Ihrem nicht leichten Beruf. Aber auch dafür, dass Sie sich bereit erklärt haben, für die Menschen da zu sein mit Ihrer pflegerischen Fachkunde, mit einem lieben Wort, mit menschlicher Wärme.

Albert Schweitzer sagte: „Was ein Mensch an Gutem in die Welt hinaus gibt, geht nicht verloren."

Herzlichen Dank für Ihren Einsatz. Ich wünsche mir, dass Ihre Begeisterung und Ihr Engagement andere ansteckt, sich ebenfalls für diesen Beruf und diese Berufung zu entscheiden. „ Sie machen unsere Gesellschaft menschlicher!“

 

Anschrift

Kreis Paderborn
Aldegreverstraße 10 – 14
33102 Paderborn

Kontakt

Telefon: 05251 308 - 0
Telefax: 05251 308 - 8888
E-Mail senden

 
RAL Gütezeichen
Vorbildliches Europa-Engagement als „Europaaktive Kommunen“