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Pressemeldung vom 19.04.2011

Kreis Paderborn (krpb). „Ich setz mich nie wieder auf so´n Ding“, ist sich der 16-jährige Torben heute sicher. Vor einigen Monaten war das anders. Gemeinsam mit Freunden testete der Jugendliche ein Pocket Bike - im Straßenverkehr. Doch die Polizei bremste den damals 15-jährigen und seine Clique aus. Denn Mini-Motorräder sind für den Straßenverkehr nicht zugelassen.

Für Torben, seine Kumpel und acht weitere junge Männer aus dem Kreis Paderborn, die erstmalig mit einem so genannten „Mofadelikt“ strafrechtlich im Straßenverkehr auffällig geworden sind, „steht die Uhr auf „5 vor 12“, betonen Marco Spalke von der Jugendgerichtshilfe des Kreises Paderborn und der Verkehrssicherheitsberater Reinhard Graumann von der Direktion Verkehr der Kreispolizeibehörde.

Mit dem Ziel, junge Menschen, die vom Weg abgekommen sind, wieder auf die richtige Bahn zu lenken, bietet die Jugendgerichtshilfe des Kreisjugendamtes bereits seit 2002 Verkehrserziehungskurse an. „Nach erfolgreicher Teilnahme wird das anhängige Verfahren gegen die jungen Menschen durch die Staatsanwaltschaft außergerichtlich eingestellt “, macht Spalke die Wichtigkeit der Kursteilnahme deutlich.

„Erziehung und Einsicht gehen im Jugendstrafrecht vor Strafe. Wer seinen Fehler erkennt und daraus lernt, der bremst sich künftig selbst, das ist die beste Vorbeugung“, unterstreicht auch Günther Uhrmeister, stellvertretender Leiter des Kreisjugendamtes, den Vorzug dieses wirksamen Erziehungsmittels.

1017 Jugendliche aus dem Kreis Paderborn haben bisher in 82 Kursen auf diese Weise den „Denkzettel Verkehrserziehung“ bekommen und sparen sich damit die Gerichtsverhandlung oder andere Sanktionen.

„Das ist aber kein Freibrief für die Jugendlichen und oft auch der letzte Schuss vor den Bug“, warnt Marco Spalke, der diese Kurse im Rahmen der Jugendgerichtshilfe in enger Kooperation mit der Polizei leitet. Und der Erfolg gibt ihm Recht: es finden sich nur wenige Wiederholungstäter in der Statistik des Kreises wieder. Eine Erhebung aus den Jahren 2007 bis 2010 belegt eine Rückfallquote von rund 12 Prozent.

„Die schnellen Jungs mit den heißen Mofas sind spürbar beeindruckt, wenn sie mit den möglichen verheerenden Folgen ihres jugendlichen Leichtsinns konfrontiert werden“, so Uhrmeister. Dafür sorgen Marco Spalke und Reinhard Graumann mit Gesprächen auf „Augenhöhe“. Sie möchten die Teilnehmer in den vierstündigen Kursen zum Nachdenken und Umdenken anregen und bauen dabei auf die Einsicht der jungen Männer.

Neben strafrechtlichen und führerscheinrechtlichen Konsequenzen im Wiederholungsfall stehen auch Gefahrensituationen, Unfallbeispiele oder eine Risikoanalyse im Mittelpunkt des Verkehrserziehungskurses.

Wie verhalte ich mich in der Gruppe? Warum sind die Verkehrsgesetze so wie sie sind? Welche Unfallgefahren gibt es? Oder wie lerne ich, den Verkehr besser einzuschätzen?

„Einen Roller zu frisieren, damit er schneller als 25 km/h fährt, ist verboten“, wendet sich Graumann im Rahmen des Kurses an die jungen Strafmündigen ab 14 Jahre. Denn wer nur eine Mofaprüfbescheinigung besitzt, ist auf die 25 km/h beschränkt.

Doch warum ist heute verboten, was noch in den 70er Jahren erlaubt war? Reinhard Graumann kennt die Erklärung dafür. Deutschlandweit gab es 1970 Jahren mehr als 21.000 Verkehrstote. Um dem Unfallgeschehen entgegen zu wirken, gab es im Laufe der Jahre u.a. Gesetzesinitiativen und präventive Maßnahmen. Heute erliegen pro Jahr deutschlandweit ca. 3.600 Verkehrteilnehmer den Folgen eines Verkehrsunfalls. Damals wie heute sind gerade junge Fahrer besonders auffällig.

„Andere schnell fahren zu sehen, steckt an“, beschreibt ein Kursteilnehmer seine Motivation, sein Fahrzeug zu manipulieren. „Man will nicht mit 30 fahren, wenn andere 90 fahren“, so ein anderer. Doch „meine Freundin findet das gar nicht gut“. Mit Blick in Richtung Eltern und Freundin wissen viele: „Sie haben Angst, dass uns etwas passiert“.

Genau an dieser Stelle setzt die Verkehrserziehung des Kreisjugendamtes an. Mit einem Video tauchen die jungen Teilnehmer in das schreckliche Schicksal von Sebastian ein: Der wollte cool sein, imponieren, und stieg auf den frisierten Roller eines Freundes. An einen Helm hatte der damals 17-Jährige nicht gedacht. Das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit endete für Sebastian, der von einer Karriere als Fußballprofi träumte, nur wenige Minuten später - vor einer Betonsäule. Es war der 15. April 2003, an dem der getunte Roller sein Leben zerstörte.

Als Sebastian das erste Mal nach einem Schädel-Hirn-Trauma im Krankenhaus die Augen öffnete, war ein halbes Jahr vergangen. „Wo bin ich hier?“, war die erste Frage des jungen Mannes. Sofort wollte er aus seinem Krankenbett aufstehen, nach Hause gehen. Doch fiel Sebastian zu Boden. Er wollte um Hilfe rufen, doch nichts passierte. Sprechen und laufen musste der 17-Jährige nach dieser langen Zeit im Koma neu erlernen. Heute ist der junge Mann schwerstbehindert und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Von seinen damaligen Freunden hat Sebastian „nie mehr was gehört. Ich war für die nur der Behinderte“.

„Ich kam mit der Geschwindigkeit nicht so klar“, beschreibt Sebastian in einem späteren Interview mit zittriger Stimme, warum der Unfall passierte. Jungen Menschen rät er heute: „Sie sollten nie ihre Roller frisieren, auch wenn sie langsam sind. Es ist besser.“ Wenn sie dann auch noch denken, „sie wären cool ohne Helm“, müssen sie „mit dem Schlimmsten rechnen“.

Das Video über Sebastian und seine Geschichte, auch Unfallbilder und Crashtests haben bei den Jugendlichen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Man macht sich schon Gedanken“, so Torben. Auch der 17jährige Christopher ist sich sicher: wenn er künftig an seinem Roller schraubt, dann „nur noch legal“.

„Spätestens an dieser Stelle schlägt das Pendel um“, weiß Marco Spalke. „Dann wird die lästige Auflage als neue Chance wahrgenommen.“

 

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