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Pressemeldung vom 27.06.2011

"Ein rassenideologisch motivierter Vernichtungskrieg" - Freiburger Historiker Wolfram Wette sprach im Kreismuseum Wewelsburg über den deutschen Überfall auf die Sowjetunion vor 70 Jahren – Gedenkminute für kürzlich verstorbenen Museumsleiter Wulff Brebeck

Kreis Paderborn (krpb). Mit bewegenden Worten eröffnete Kreisdirektor Heinz Köhler die Vortragsveranstaltung im Burgsaal der Wewelsburg, erinnerte an Leben und Schaffen des kürzlich verstorbenen Museumsleiters Wulff E. Brebeck und bat die Anwesenden, sich für eine Gedenkminute zu erheben. Über 70 Besucherinnen und Besucher waren der Einladung des Kreismuseums Wewelsburg gefolgt und hörten die Ausführungen des international renommierten Historikers Prof. Dr. Wolfram Wette über Verlauf und zentrale Charakteristika des deutsch-sowjetischen Krieges 1941-1945. Im Anschluss an seinen Vortrag stellte sich der Referent den Fragen des Publikums.

Wette – langjähriger Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes und Professor an der Freiburger Universität – stellte in seinem Vortrag den aktuellen Forschungsstand zum deutsch-sowjetischen Krieg vor. Er unterstrich, dass mittlerweile vielfach belegt sei, dass das Deutsche Reich mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 einen rasseideologisch motivierten Vernichtungskrieg begonnen habe. Ziel sei es gewesen, „Lebensraum im Osten“ zu erobern und den „jüdischen Bolschewismus“ restlos zu vernichten. Die entsprechenden Absichten hatte Adolf Hitler der Wehrmachtsführung bereits im Februar 1933 und insbesondere bei einer Rede im März 1941 offen mitgeteilt. Protest sei kaum laut geworden, vielmehr habe die Wehrmacht in der Folge diese ideologischen Vorgaben in konkrete Befehle umgesetzt. Diese wurden im „Russlandfeldzug“ nachweislich auch ausgeführt.

In groben Zügen umriss Wette den Verlauf des Krieges und nannte zwei militärische und psychologische Wendepunkte: das Scheitern der „Blitzkriegsstrategie“ vor Moskau im Dezember 1941 und die Einkesselung der 6. Armee in Stalingrad im Winter 1942/43. Adolf Hitler sei sich spätestens 1944 darüber im klaren gewesen, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen sei, habe jedoch – anstelle eines Friedensangebot an die Alliierten – im Sinne der fatalistischen Parole „Sieg oder Untergang“ bewusst die Kämpfe fortführen lassen. Als Ergebnis seien im letzten halben Kriegsjahr mehr deutsche Soldaten und Zivilisten ums Leben gekommen, als in den gesamten vorherigen fünf Jahren zusammen.

Trotz aller Forschungsleistungen – so Wette – fänden sich auch heute noch Verfechter apologetischer Ansichten. So würde teilweise noch immer der Schutzbehauptung von Propagandaminister Joseph Goebbels Glauben geschenkt, die Wehrmacht sei mit ihrem Angriff nur einer unmittelbar bevorstehenden sowjetischen Invasion zuvorgekommen. Auch die nach dem Krieg kolportierte Darstellung einer „sauberen“ Wehrmacht, die sich keine Kriegsverbrechen habe zuschulde kommen lassen, fände noch immer Beachtung. Wette betonte nachdrücklich, weder die „Präventivkriegsthese“ noch die „Wehrmachtslegende“ seien wissenschaftlich seriös belegbar. Im Gegenteil: Seit den 1980er Jahren habe die internationale Geschichtsschreibung die Verantwortung der Wehrmacht unter anderem für den Tod von 3 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen und 6 bis 10 Millionen sowjetischen Zivilisten sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht und SS beim Judenmord in der Sowjetunion eindeutig nachgewiesen. Erfreulicherweise seien diese Erkenntnisse spätestens seit der „Wehrmachtsausstellung“ ab 1995 auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden und mittlerweile im Allgemeinen akzeptiert, so der Referent.

Eine positive Entwicklung sei es, dass 70 Jahre nach Ende des wohl verheerendsten Krieges der Menschheitsgeschichte Meinungsumfragen in Russland und Deutschland ergeben haben, dass nahezu keine wechselseitigen Hassgefühle mehr existieren und sich Russen und Deutsche vielmehr als gute Partner und Nachbarn wahrnehmen. Dieser erstaunliche, aber umso erfreulichere Befund sei unter anderem damit zu erklären, dass in Russland die ehrliche deutsche Auseinandersetzung mit den eigenen NS-Verbrechen als herausragende Kulturleistung honoriert würde. Diese selbstkritische Vergangenheitsbewältigung – so Wolfram Wette – sei jedoch angesichts der Dimensionen der deutschen Verbrechen auch angemessen.

 

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