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Pressemeldung vom 07.09.2012

Kein guter Tag für den Tierschutz

Wer die Bilder von Kälbern sieht, die nahezu von Geburt an bis zur Schlachtung im Alter von bis zu sieben Monaten in einem Stall auf einem harten Holzboden verbringen und in ihren eigenen Fäkalien ausrutschen, sich dabei Gelenke und Klauen verletzten, wird diese nicht mehr los. Ist eine solche, vor allem in Norddeutschland in der Kälberintensivmast verbreitete Haltung vereinbar mit dem Tierschutz? Der Kreis Paderborn meint "Nein" und hatte per Ordnungsverfügung im April 2010 einen Landwirt aufgefordert, seine Ställe so umzubauen bzw. Maßnahmen zu ergreifen, damit die Tiere trittsicher stehen und sich rutschfest bewegen können. Außerdem müsse ihnen ausreichend Liegefläche zur Verfügung stehen. In dem Prozess vor dem Verwaltungsgericht Minden am 20. August ging es grundsätzlich um die Frage, ob die Kälberhaltung auf so genannten Bongossi-Spaltenböden mit EU-Bestimmungen und den Vorschriften der Tierschutznutztierhaltungsverordnung im Einklang steht. Das Gericht meint "Ja" und hat mit dem gestern zugestellten Urteil die Ordnungsverfügung des Kreises aufgehoben. Die im Betrieb des Landwirts verwendeten Bongossi-Holzböden würden den Anforderungen der Tierschutznutztierhaltungsverordnung unter Berücksichtigung des derzeitigen Standes der Technik zumindest noch entsprechen, so das Gericht. Der Kreis Paderborn wird prüfen, ob er einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen wird. "Kein guter Tag für den Tierschutz " , kommentiert Landrat Manfred Müller den Urteilsspruch. Im vorliegenden Fall sei dem Kälbermäster (ca. 560 Tiere) ausreichende Übergangsfristen zur Verfügung gestellt worden, um den Betrieb umzurüsten. Auch sei ihm das Aufstallen in einem der Stallgebäude erlaubt worden, sofern der geplante Umbau des Stalles glaubhaft nachgewiesen würde. Auch die Kosten seien vertretbar. " Wir möchten diese sichtbare Not der Tiere öffentlich machen und ins Bewusstsein rücken. Wir sind dem Tierschutz verpflichtet",sagt dazu Kreisveterinär Dr. Ralf Lang.

Bongossiholz ist eine extrem harte Holzart. Ein Teil der Ausscheidungen der Tiere sickert durch die Spalten hindurch. Der Rest verbleibt auf dem Boden, der sich dann zwangsläufig in einen schmierigen Untergrund verwandelt. Im Stall des Landwirts waren im rechten Winkel zum Spaltenverlauf im Abstand von 90 bis 100 cm Metallleisten angebracht. Aufgrund der Härte des Holzes ist es nicht möglich, Querleisten aufzunageln. " Bongossi-Hartholzböden würden vor allem deshalb eingesetzt, weil der überwiegende Teil der Fäkalien durch die Spalten fällt ", erläutert Kreisveterinär Dr. Ralf Lang. Während der gesamten Lebensdauer eines Tieres wird der Stall kein einziges Mal gesäubert. "Dafür ist in der Intensivmast keine Zeit vorgesehen", so Lang.

Im Kreis Paderborn sind zwei Betriebe ansässig, die intensive Kälbermast betreiben. Einer der Betriebe mit ca. 260 Kälbern ist bereits umgerüstet. Der Landwirt hatte sich entschlossen, auf Gummimatten umzustellen.


Der Kreis Paderborn hatte in dem Verfahren angeführt, dass im Rahmen einer Sitzung der Tierschutzreferenten im September 2010 in Bonn auf Anregung des Landes NRW die Frage diskutiert worden sei, ob in Kälberställen Hartholzspaltenböden (Bongossiholzböden) als ausreichend anzusehen sind, um die Erfordernisse für das Liegen im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 2 d Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu erfüllen und ob das Kriterium der Rutsch- und Trittsicherheit uneingeschränkt erfüllt werde. Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hatte mit Erlass vom 07. Oktober 2010 mitgeteilt, dass die übereinstimmende Meinung der Tierschutzreferenten war, dass Hartholz- sowie Betonspaltenböden nicht das erforderliche Kriterium der Rutsch- und Trittsicherheit erfüllen, sowie auch keine bequeme Fläche zum Liegen darstellen. Wörtlich heißt es darin: "Diese Böden entsprechend daher nach bundeseinheitlicher Meinung nicht den tierschutzrechtlichen Anforderungen, sondern es müssen durch handwerkliche Maßnahmen zusätzliche Vorrichtungen (z.B. Rillen, Gummibelag) angebracht werden". “


Der Kreis Paderborn hatte per Ordnungsverfügung im September 2010 angeordnet, dass der Landwirt nur dann weiter Kälber halten darf, wenn er den Tieren verformbare, sich den Körperkonturen anpassende Liegeflächen zur Verfügung stellt. Dazu sollten die bisher verwendeten Bongossi-Spaltenböden durch Austausch oder geeignete Maßnahmen so verändert werden, dass die Tiere nicht weiter auf ihren Fäkalien ausrutschen und dabei Klauen und Gelenke verletzt werden. Die Böden müssten deshalb trittsicher und rutschfest sein. "Obwohl das Laufen und Stehen bereits wegen fehlender Trittsicherheit und Rutschfestigkeit nicht den Bedürfnissen entsprechend erfolgen kann, ist selbst das Abliegen mit Leiden verbunden ", heißt es in der Verfügung des Kreises.


Bei Überprüfungen im Februar, Mai und September 2010 hatten die Veterinäre des Kreises Paderborn festgestellt, dass in beiden Ställen des Kälbermästers die Holzböden den Tieren keinen Halt boten. Die Kälber rutschten in ihren eigenen Fäkalien aus, gerieten dabei immer wieder mit ihren Klauen in die Spalten des Bodens und konnten "weder vernünftig gehen, liegen oder stehen ", sagt Lang. Den kleinen Kälbern stand keine Liegefläche zur Verfügung. " Aus unserer Sicht ist das keine artgerechte Haltung und mit dem Tierschutz nicht vereinbar ", bekräftigt Lang.


Laut EU-Recht muss der Boden bequem sein. In der Nutztierhaltungsverordnung heißt es, dass die Anforderungen an das Liegen erfüllt sein müssen. Die Ställe müssten nach ihrer Bauweise, den verwendeten Materialien und ihrem Zustand so beschaffen sein, dass eine Verletzung oder sonstige Gefährdung der Gesundheit der Tiere ausgeschlossen wird. Böden müssten so beschaffen sein, dass die Tiere nicht Gefahr laufen, sich ihre Klauen und Gelenke zu verletzen.


In dem betreffenden Betrieb werden die Tiere ab einem Alter von 2 bis 4 Wochen aufgenommen und dann in der Regel bis zu einem Alter von 6 Monaten gemästet. Die Tiere verbringen also ihr gesamtes Leben bis zur Schlachtung im Stall. Im Laufe der Zeit drohen die Gliedmaßen der Tiere sich zu verformen, weil die Tiere sich nur noch vorsichtig bewegen bzw. irgendwann dann wegen der Schmerzen kaum noch rühren. Ihnen drohen Muskel- und Bänderzerrungen, Prellungen und Stauchungen bis hin zu Brüchen, so die Einschätzung der Kreisveterinäre.


Das Gericht stützt sich in seiner Begründung im Kern auf ein Gutachten, das wiederum die Ergebnisse einer Studie vorweist. Danach waren vier Arten von Böden, Bongossi-Holzspalten, elastisch ummantelte Spalten, Kunsttoff-Rostböden und eine Gummiauflage, verglichen worden im Hinblick auf ihren Einfluss auf die Sauberkeit des Bodens und der Kälber sowie des Liege- und Aktivitätsverhaltens der Tiere. Diese Studie zeige im Ergebnis, dass alle vier Varianten die Bedingungen für eine tiergerechte Haltung erfüllen. Der Sachverständige erklärt in seinem Gutachten, dass beim Bongossi-Boden das Verhältnis zwischen Ausrutschen und spielerischen Aktivitäten bei ca. 2:1 lag. Das heißt: Die Tiere rutschten doppelt so häufig aus, als sie spielen. Daher " verwundert es uns, dass der Sachverständige, der diese Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Kälbermäster und der Landwirtschaftskammer durchführte, auch diesen blanken Boden als geeignet ansieht " , sagt Dr. Lang. Das Gutachten lege eine starke Gewichtung auf die Frage des Selbstreinigungsbodens der Böden. Tierschutzrechtliche Fragen hätten nicht im Vordergrund gestanden. So seien in der Studie beispielsweise die Parameter Verletzungen und Gelenkveränderungen nicht erfasst worden. 


Anmerkung: Die vorher an dieser Stelle gezeigten Fotos von Kälbern auf Bongossi-Böden mussten vom Kreis Paderborn mit Datum vom 17. September aufgrund der Intervention des Anwalts des betroffenen Landwirts entfernt werden.


 

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