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Pressemeldung vom 30.09.2013

„Vergessenen Künstlern einen Ort geben“ - bis zum 24. November in der Wewelsburg

Kreis Paderborn (krpb).Nach 1933 haben die nationalsozialistischen Machthaber fast alle deutschen Künstler von Bedeutung verfolgt, ausgestoßen, ins Exil gejagt oder in den Freitod getrieben. Eine Ausstellung unter dem Titel „Anpassung – Überleben – Widerstand“ in der Wewelsburg geht der Frage nach, wie die verstoßenen und ausgegrenzten Künstler darauf reagiert haben. Haben sie so gemalt, wie das Regime es wollte? Oder gingen sie in den künstlerischen Widerstand oder in die innere Emigration? Kurator Klaus Kösters beantwortet diese Frage in Form einer Zusammenstellung von Bildern, die in dieser Form neu und einmalig ist: Gezeigt wird die gesamte Bandbreite der damals möglichen Reaktionen. Zu sehen sind deshalb sowohl Bilder der verfemten und verfolgten Künstler als auch jene der Angepassten und Überzeugten, die sich der nationalsozialistischen Kunstdoktrin bereitwillig unterordneten. Nach dem Ende der Naziherrschaft standen viele erneut vor dem Nichts. Die abstrakte Kunst gewann in Westdeutschland die Vorherrschaft. In Ostdeutschland wurde der Sozialistische Realismus als alleiniger Kunststil verordnet. Wer sich nicht anpasste, geriet zum zweiten Mal ins Abseits. Den Künstlern dieser „verschollenen Generation“ gilt die Aufmerksamkeit dieser Ausstellung. Dreißig Künstler mit Bezug zu Westfalen hat Kösters insgesamt ausgemacht. Ein Teil von ihnen wird auch in der Ausstellung gezeigt. „Wir möchten diesen vergessenen Künstlern einen Ort zu geben“, sagt er.

Mit der Machtergreifung von Hitler und der NSDAP vor etwa 80 Jahren begann auch die Verfolgung politischer Gegner. Nach 1933 wurden von den Nationalsozialisten annähernd alle deutschen Künstler von Bedeutung verfolgt. Ihre Werke wurden aus den Museen verbannt, vernichtet oder ins Ausland verschoben. Die Mehrzahl der um 1890 bis 1905 geborenen Künstler war im Jahre 1933 zu jung, um einen Namen zu haben. Sofern sie sich nicht den ideologischen Vorstellungen der NS-Funktionäre anpassten, gerieten sie ins Abseits oder gingen ins Exil. Im Lande zu bleiben, ohne sich zu kompromittieren, sich selbst als Künstler treu zu bleiben, ohne aufzufallen, war ein lebensgefährlicher Balanceakt. Die in Deutschland verbliebenen Künstler wurden von den Strömungen der internationalen Kunst abgeschnitten und ihre eigenen Arbeiten als volksschädliche „Verfallskunst“ gebrandmarkt. Sie wurden mit Mal- oder Ausstellungsverbot belegt. „Die absolute Perfidie der Nazipropaganda gegen die verfemte deutsche Avantgarde bestand darin, dass man sie bolschewistischem Geist entsprungen, sie unter jüdischem Einfluss entstanden sah. Expressive Ausdruckssteigerung als künstlerisches Mittel wurde als Merkmal einer Degeneration, als typische Bildnerei geistig Zurückgebliebener gebrandmarkt“, schreibt Kösters im Katalog zur Ausstellung, der auch in der Wewelsburg erhältlich ist.

Die Lebenswege der exemplarisch vorgestellten Maler in der Ausstellung können nicht unterschiedlicher sein. So hatte der Maler Karl Schwesig sein Atelier in Düsseldorf für geheime Zusammenkünfte von Nazigegnern zur Verfügung gestellt und wurde von der Gestapo verhaftet. Die brutalen Verhöre und die unmenschlichen Folterungen, die er erleiden musste, hielt er 1935 später in einer Grafikfolge fest, die nur in der Illegalität, bzw. im Exil entstehen konnte. „In den Folterkellern ist das Hitlerreich unter sich“, kommentierte später Heinrich Mann die kompromisslosen Zeichnungen, welche die Unmenschlichkeit des Regimes entlarven.
Der Maler und Lehrer Emil Betzler wurde 1933 von den Nationalsozialisten angeklagt, ein „Vertretung deformierter, expressionistischer, bolschewistischer Kunst“ zu sein, ein Spitzel der Juden und Mitglied der KPD. Die zusammengewürfelten Anklagepunkte führten zum Verlust seiner schulischen Ämter. Er konnte aber durch die Intervention einflussreicher Freunde noch als einfacher Lehrer weiterarbeiten. Betzler zog sich als Maler zurück und ging in die innere Emigration. In aller Heimlichkeit malte er allen Anfeindungen zum Trotz „verbotene“ Bilder, die die Nazis als entartet gebrandmarkt hätten, wenn die Gestapo diese gefunden hätte.

Zu den Angepassten gehörte beispielsweise der Detmolder Maler Ernst Rötteken. Vielleicht war es sein Engagement in den republikfeindlichen Wehrverbänden „Stahlhelm“ und „Cheruskerbund“, die Rötteken als einen national gesinnten Maler dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler empfahlen. Jedenfalls malte Rötteken im Auftrag Himmlers mehrere Bilder von der Wewelsburg und dem Quedlinburger Dom – beides besondere „Weihestätten“ der SS. Röttekens traditionelle, heimatverbundene Malweise war genau das, was die Naziführer unter „guter deutscher Kunst“ verstanden. Und seine politische Nähe zur NSDAP dokumentierte Rötteken durch seinen Parteieintritt 1937.
Der Hagener Künstler Robert Schmidhagen lernte während eines Sanatoriumsaufenthaltes in der Schweiz viele Landsleute kennen, die vor dem Hitlerregime geflohen waren. Während des spanischen Bürgerkrieges, als deutsche Truppen auf Seiten des faschistischen Generals Franco kämpften, bezog Schmidhagen politische Stellung und schuf eine eindrucksvolle Grafikserie, mit der er gegen die Bombardierung des baskischen Städtchens Guernica durch die deutsche Luftwaffe protestierte. Der sinnlose Tod und das Leiden der Zivilbevölkerung, die hilflos dem mörderischen Angriff ausgesetzt waren, werden in diesen großformatigen Blättern schonungslos offen gelegt. Als er später nach Deutschland zurückkehrte, mussten diese Blätter verborgen bleiben.

„Als ich mit der Ausstellung begann, wusste ich nicht wie sie endet“, erinnert sich Kösters. Vier Jahre dauerte die Vorbereitung. Es sei sehr schwierig gewesen, entsprechende Künstler bzw. Namen der Künstler zu finden, da die meisten der Bilder nie ausgestellt worden seien. „Durch das „Schneeballprinzip“ bin ich über verschiedene Familien wieder an Kontakte anderer Familien gekommen, konnte so an einige Privatbesitzer gelangen, die mir beispielsweise Bilder ihrer Väter oder Großväter für die Ausstellung zur Verfügung gestellt haben“, erläutert Kösters. Alle Künstler seien „westfälisch“, entweder in Westfalen geboren oder hätten einen Bezug zu Westfalen. „An jedem Ausstellungsort wird eine andere Auswahl von Bildern gezeigt, die Ausstellung hier in der Wewelsburg ist somit einmalig“, betont die Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg, Kirsten John-Stucke.

Eine eindeutige Zuordnung in „gute“ und „böse“ Künstler, also einerseits in Künstler, die sich der Naziherrschaft widersetzten – sei es im aktiven Widerstand oder in passiver, verschlüsselter Kritik – sowie andererseits in Angepasste und Mitläufer, die der Zensur des Systems nichts entgegensetzen konnten und um ihre Familien und ihre wirtschaftliche Existenz bangten, eine solche eindeutige Schwarz-Weiß-Malerei gibt es nicht. Die Ausstellung und der Katalog setzen sich dafür ein, auch die „Zwischentöne“ zu erkennen.

Der dumpfe Hass und die brutale Rücksichtslosigkeit der Nazi-Schergen Thseingmit der sie sich gegen die gesamte Moderne wandten - nicht nur in der Kunst sondern auf allen Gebieten der modernen Kultur sei beispiellos, meint Kösters. 80 Jahre nach der Machtergreifung der Nazis und dem Beginn ihrer Kunsthetze sei es an der Zeit, nicht nur derjenigen zu gedenken, die auf ihre Art mutig Widerstand leisteten, sondern auch verstehen zu lernen, warum sich so viele dem Nationalsozialismus ergaben.

Die Sonderausstellung im Kreismuseum Wewelsburg ist eine Ausstellung des LWL-Museumsamtes in Kooperation mit den Museen: Stadtmuseum Münster, Lippisches Landesmuseum Detmold, Städtische Galerie Iserlohn, Museen der Stadt Lüdenscheid, Kunstmuseum Wilhelm-Morgner-Haus Soest und dem Kreismuseum Wewelsburg.

Die Sonderausstellung kann bis zum 24. November 2013 während der Öffnungszeiten des Kreismuseums Wewelsburg besucht werden. .

Eintritt einschließlich Historisches Museum des Hochstifts Paderborn: 3 €, ermäßigt 1,50 €, Familienkarte 6 €


Ausstellungsdaten:
„Anpassung – Überleben – Widerstand. Künstler im Nationalsozialismus“
Eine Ausstellung des LWL-Museumamtes für Westfalen im Kreismuseum Wewelsburg
- 15. September bis 24. November 2013 –

Liste der ausgestellten Künstler:
Ernst Bahn (1901-1978) Carl Baumann (1912–1996), Emil Betzler (1892–1974), Carl Busch (1905–1973), Fritz Cremer (1906–1993), Fritz Duda (1904–1991), Friedrich G. Einhoff (1901-1988), Lis Goebel (1884–1970), Jacob Pins (1917–2005), Wilhelm Renfordt (1889–1950),
Ernst Rötteken (1882–1945), Florenz Robert Schabbon (1899–1934), Reinhard Schmidhagen (1915–1945), Karl Schwesig (1898–1955), Walter Steinecke (1888–1975), Paul Thesing (1882–1954), Hans Tombrock (1895–1966), Wilhelm Wessel (1904–1971), Paul Wieghardt (1897–1969)


Öffnungszeiten des Kreismuseums Wewelsburg
dienstags – freitags 10 – 17 Uhr
samstags, sonntags, feiertags von 10 – 18 Uhr
montags geschlossen

Mehr Infos mit allen Terminen zum Begleitprogramm: www.wewelsburg.de.

Den Flyer zur Sonderausstellung finden Sie hier.

Bildunterzeile (Bild rechts):

Paul Thesing / Privatbesitz
Der Vater der Lüge, Tusche über Bleistift aquarelliert, getönt. Papier, 1931, 24 x 13,5 cm.
>Foto: Institut für moderne Kunst, Nürnberg

 

Anschrift

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Aldegreverstraße 10 – 14
33102 Paderborn

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