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Pressemeldung vom 22.01.2013

Raus aus der Frauenfalle: „Zurück zur Solidarität, die Frauen einst einte und scheinbar Unmögliches erreichen ließ“

Kreis Paderborn (krpb). „Ich bin skeptisch gekommen und begeistert gegangen“, schrieb eine Besucherin in ihrer Mail, die sie noch am Samstagabend ins Paderborner Kreishaus schickte. Wie ihr erging es rund 100 Besucherinnen und vereinzelt auch Besuchern, die trotz Wochenende und Winter ins Berufskolleg nach Schloß Neuhaus gekommen waren. Landrat Manfred Müller und die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Paderborn, Christiane Sander, hatten unter dem Titel „Was geht, was fehlt“, zu einem Themennachmittag anlässlich des Jahrestages der Einführung des Frauenwahlrechts am 19. Januar 1919 eingeladen. „Schwere Kost“, dachte sich wohl der männliche Teil der Bevölkerung. Sie wären überrascht gewesen, wie gelassen und gut gelaunt die bekennende Feministin und ehemalige Journalistin der Zeitschrift „Emma“, Cornelia Filter, ihre weibliche Sicht der Dinge rüberbrachte. Ganz ohne Moralin und Männertadel forderte sie Rentenpunkte fürs Ehrenamt oder auch ein offizielles Forum für Frauen, um den kreisweiten Austausch frauenpolitischer Themen zu ermöglichen. Humorvoll und lebenserfahren, gleichzeitig schonungslos offen und ehrlich analysierte die Bremer Autorin Antje Balters die vielen kleinen weiblichen Spitzen im Alltag, die Frauen subtil zu platzieren verstehen. Spitzen, „mit denen sie die Schutzhülle der Seele, die Würde, verletzen, und damit Wunden hinterlassen, die manchmal niemals heilen“, so Balters. Ihr Appell: Aufmerksamer im Alltag sein, zu jener Solidarität zurückzukehren, die Frauen einst einte und sie scheinbar Unmögliches erreichen ließ.


Erschütternd fiel zunächst der historische Rückblick von Christiane Sander aus. Beispiel Frauen und Studium: Studenten, Wissenschaftler und Professoren liefen Sturm dagegen. Das Ansehen der Wissenschaft würde sinken, ihre Anwesenheit verletzte das Schamgefühl und führe zum Sittenverfall, die Gesundheit der Frau leide und ihre kleineren und andersartigen Gehirne zeigten die biologische Unfähigkeit der Frau zum Studium.“ Das ist gerade mal 100 Jahre her. Man beginnt zu ahnen, wie sehr Frauen zusammenhalten und kämpfen mussten, bis sie dann doch studieren (1908) und am 19. Januar 1919 erstmalig wählen durften. „Solidarität ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Frauen waren da immer schon Vorreiterinnen und sollten es weiter sein“, bekräftigte Sander.


„Keine Frau darf aufgrund ihres Frauseins benachteiligt werden“, betonte Landrat Manfred Müller. Er habe diese Veranstaltung gewollt, um frauenpolitische Themen in den Fokus zu rücken. Er wolle wissen, wie es um die Mädchen und Frauen im Kreis Paderborn bestellt sei, was „geht, und was fehlt“, so auch das Thema der Umfrage des Kreises. In den vergangenen Monaten waren Verbände, Vereine und Gruppen im Kreis Paderborn befragt worden. Vertiefende Interviews von 12 Frauen aus den zehn Städten und Gemeinden des Kreises Paderborn durch Cornelia Filter rundeten das Ganze ab, die derzeit journalistisch aufbereitet und dann auf die Kreisseiten (www.kreis-paderborn.de) gestellt werden. Gemeinsam mit Elke Kleibrink von der Gleichstellungsstelle des Kreises stellte sie fest, dass es bereits viele Angebote für Frauen gebe, die aber noch nicht ausreichend bekannt seien. Begeistert zeigte sie sich über das Engagement vieler jungen Frauen im Kreisgebiet, die z.B. Schreibkurse für lernschwache Schülerinnen anbieten oder Lebensmittel für Bedürftige verteilen. „Da ist doch was, da muss man weitermachen“, sagte sie in Richtung Politik.

Stefani Josephs, Moderatorin bei Radio Hochstift, interviewte kurzweilig und auf den Punkt gebracht die Vorsitzende der Hebammen im Kreis Paderborn, Marita Hölscher, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Delbrück, Rita Köllner, sowie Marlene Winthuis vom VDK Salzkotten zu den „klassischen“ Frauenthemen „Geburt, dann alleinerziehend und schließlich ohne Rente“. 


Hölscher befürchtet, dass der Beruf der Hebamme vom Aussterben bedroht sei, zumal man von dieser Arbeit nicht leben könne. Der Trend zu mehr Kaiserschnitten verschärfe diesen Trend. Rita Köllner betonte, dass die Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern eine wachsende Familienform darstelle. In neun von zehn Fällen sei der alleinerziehende Elternteil die Mutter. Köllner bezeichnete es als Katastrophe, dass in sechs Prozent der Fälle Alleinerziehende trotz sozialversicherungspflichtiger Vollzeitarbeit weiterhin auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen seien. Diese Familien müssten deshalb wirksam entlastet werden.


Marlene Winthuis vom VDK Salzkotten legte den Frauen eindringlich ans Herz, einen Beruf zu ergreifen und „den dann auch zu behalten“, so Winthuis. Wenn Frauen erst mal 10 Jahre raus seien aus dem Beruf, hieße das dann, im Berufsleben erst einmal neu anfangen, „Kaffee kochen und Abfall rausbringen“, so Winthuis.
Bea von Hoff & Die Nung überzeugte mit ihren selbstgeschriebenen Chansons, die vom Leben und der Liebe, vom Reifen und wahrer Selbstbestimmung erzählen, bis hin zur vielleicht leicht zartbitteren Erkenntnis: „Ich bin mein Paradies“.

Antje Balters schilderte humorvoll und schonungslos Episoden aus ihrem eigenen Leben mit Mann und fünf Kindern, skizzierte das Verhalten von Frauen zwischen Freundschaft und Rivalität. Sie erzählte von ihrem Burnout nach der Geburt der Zwillinge, als sie immer noch alles perfekt machen wollte. Heute sei sie gelassener. „Bei ihnen könne man vom Fußboden essen, da finde man immer was“, meinte sie lachend. Bis dahin war es ein weiter Weg. Auch sie versuchte sich an Regeln zu halten, ohne zu fragen, wer diese eigentlich aufgestellt habe. Trotz der fünf Kinder bügelte sie immer alles, aus Angst vor Kommentaren anderer Mütter. Bis eine Freundin sie darauf aufmerksam machte, dass sie dieses Spiel gar nicht gewinnen könne. Dann heiße es eben. „Ihre Kinder sehen ja immer aus wie aus dem Ei gepellt. Aber den Vorgarten musst Du Dir mal angucken“. Eine Freundin habe ihr von den Zeitbomben erzählt, die ihre Schwiegermutter immer nach ihren Besuchen hinterlasse.

Frauen, die mit sich selbst zufrieden seien, in sich selbst ruhten, seien nicht mehr anfällig für die zerstörerische Rivalität, für dieses ewige Ringen um das bessere Aussehen, den besseren Mann. „Lassen Sie uns auf diesem unteren Level Solidarität ausüben. Gehen wir achtsam miteinander um“, appellierte Balters an die Frauen. Diese Energien könnten Frauen besser nutzen.

Die werden sie wohl auch noch brauchen. Eine Studie dieser Tage greift die Frage auf, warum Mädchen generell besser in der Schule abschneiden als Jungen. Die Studie kommt laut Süddeutscher Zeitung zum Ergebnis, dass das eigentliche Problem die Selbstüberschätzung der Jungen sei. Sie glaubten, dass sie sich nicht anstrengen müssten, um Erfolge zu haben. Schließlich würden sie sehen, dass die meisten Spitzenpositionen immer noch von Männern besetzt seien. Dies führe zur Fehlannahme, dass die Männer von Geburt an das kompetentere Geschlecht sei, heißt es in dem Artikel vom Januar 2013.
Gleichberechtigung klingt anders. Die Veranstaltung des Kreises könnte ein Anfang sein.

 

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