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Pressemeldung vom 15.12.2014

„Inklusion muss gelebt werden“ - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung Paderborn lernen Fremdsprache der besonderen Art: Christian Füser schult Kolleginnen und Kollegen in der Gebärdensprache

Kreis Paderborn (krpb). Christian Füser ist sechs Jahre alt, als er nach und nach sein Gehör verliert. Auslöser ist vermutlich eine Masernerkrankung. 11 Jahre später lebt der gebürtige Lippstädter in totaler Stille. Das Klingeln des Weckers am Morgen, das Lieblingslied im Radio oder das Vogelgezwitscher im Park sind verschwunden. Um nach wie vor am Leben teilhaben und mit Menschen kommunizieren zu können, erlernt Füser an der Berufsschule für Hörgeschädigte in Essen durch den täglichen Kontakt mit Gehörlosen die Gebärdensprache. Heute, rund 30 Jahre später, zeigt der amtliche Kontrollassistent in der Lebensmittelüberwachung im Paderborner Kreishaus interessierten Kolleginnen und Kollegen wie es geht, ein Gespräch mit Händen, Mimik und Gestik zu führen. Als Dozent für Gebärdensprache schult er in einem ersten internen Kurs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Kreisverwaltung in der Kommunikation mit Gehörlosen. „Inklusion muss gelebt werden. Durch diese Kurse möchten wir die Kommunikation zwischen gehörlosen Bürgerinnen und Bürgern und Verwaltung unterstützen und gleichzeitig Unsicherheit auf beiden Seiten abbauen“, erklärt Landrat Manfred Müller den Hintergrund des neuen Angebots. Weitere Kurse für Verwaltungsmitarbeiter würden folgen.

Beeindruckt schaute der Behördenchef den Kursteilnehmern beim Erlernen des Fingeralphabets über die Schulter. Seit September dieses Jahres lernen sie Grundkenntnisse und erste Gebärden, die künftig im Alltag zumindest den Einstieg in ein „Gespräch“ mit hörgeschädigten Menschen erleichtern können.

Die Kursteilnehmer treffen sich einmal wöchentlich mit Christian Füser. Seit einer Cochlea-Implantat-Operation im Jahr 2000 kann der 46-Jährige heute wieder hören. Das erleichtere das Lernen ungemein und sei für ihn persönlich ein echtes Wunder. Zwar klinge sein Gegenüber „ein bisschen wie ein Roboter“, aber daran gewöhne man sich, so Füser. „Es war wie eine Neugeburt, nach 15 Jahren Stille wieder Stimmen und Geräusche zu hören“, strahlt der Paderborner.

„Wie jeder Mensch denken auch hörgeschädigte Menschen in ihrer Muttersprache. Und das ist für uns die Gebärdensprache“, erklärt Füser. „In dieser Sprache lernen wir nicht lesen und schreiben, sondern kommunizieren“, so der 46-Jährige.
„Wir denken und lernen in Bildern und Symbolen, was gerade das normale Lesen und Schreiben lernen sehr schwierig und mühsam macht“. Denn jedes Wort muss stets mit einem Bild verknüpft werden und „hörgeschädigte Menschen haben ja nie gehört, wie es richtigerweise ausgesprochen wird und klingen muss“.

Rita Kowalski ist seit Beginn des Gebärdensprachkurses dabei. Begrüßen könnte sie einen Bürger in der neuen Fremdsprache schon. Und dank des Fingeralphabets auch erste Anliegen erfragen. „So wäre doch auf jeden Fall ein Einstieg geschafft“, findet die 25-Jährige.

Gebärdensprache ist eine visuelle und vollwertige Sprache mit eigener Grammatik und auch unterschiedlichen Dialekten. Das Fingeralphabet wird überwiegend bei Eigennamen, Fremdwörtern oder unbekannten Begriffen verwendet. Doch Ironie der „Lautsprache“ kann die Sprache nicht erklären. Auch doppeldeutige Ausdrücke gibt es in der Gebärdensprache oft nicht. „Dafür haben wir durch das Lippenlesen eine verbesserte Aufnahmefähigkeit und Konzentration“, betont Christian Füser. Doch ohne Handzeichen, Mimik und Körperhaltung geht es nicht. „Deshalb wird bei hörgeschädigten Menschen auch immer das Essen kalt. Denn gleichzeitig gebärden und essen geht nicht“, lacht der Verwaltungsmitarbeiter.

Helfen könne man im Übrigen hörgeschädigten Menschen auch, ohne die Gebärdensprache zu kennen. Wichtig sei, auf die Lichtverhältnisse zu achten und den Mund nicht zu verdecken. Nur so könne der Gesprächspartner von den Lippen lesen. Langsam und deutlich, aber nicht lauter als üblich zu sprechen, helfe ebenfalls. Zu lautes Sprechen verzerre die Gesichtszüge und erschwere das Absehen. „Und scheuen Sie sich nicht, Dinge vorzumachen, zu zeigen oder Skizzen zu malen. Das hilft uns ungemein“, so Füser abschließend.

 

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