29. Dezember 2015

„Atempause nutzen – Integration beginnt sofort“

"Lokaler runder Tisch für Flüchtlinge“ tagte zum zweiten Mal im Paderborner Kreishaus

Landrat Manfred Müller: „Weihnachten ist ein Fest christlichen Ursprungs, aber auch ein traditionelles Fest der deutschen Gesellschaft und der deutschen Kultur“: Weihnachten in der kreiseigenen Notunterkunft für Flüchtlinge (Foto: Kreis Paderborn) 
Landrat Manfred Müller: „Weihnachten ist ein Fest christlichen Ursprungs, aber auch ein traditionelles Fest der deutschen Gesellschaft und der deutschen Kultur“: Weihnachten in der kreiseigenen Notunterkunft für Flüchtlinge (Foto: Kreis Paderborn)

Derzeit sinken die Flüchtlingszahlen. Niemand kann verlässlich prognostizieren, ob das eine Trendwende ist oder vor allem dem Winter und ersten politischen Maßnahmen geschuldet ist. „Wir müssen dieses Atemholen nutzen, um uns weiter bestmöglich vorzubereiten“, sagt Landrat Manfred Müller. Der Behördenchef hatte deshalb kurz vor Weihnachten zu einem zweiten Treffen der „Lokale Runde Tisch Flüchtlinge“ eingeladen. Vertretung von Politik, Kirchen, Schule, Sport, Wirtschaft und Verwaltung sowie der Agentur für Arbeit und des Jobcenters Paderborn schilderten im Kreishaus, wo aus ihrer Sicht die Probleme liegen und wie vor allem mögliche Lösungen aussehen könnten.

Landrat Manfred Müller lieferte zunächst aktuelle Zahlen und Fakten: Derzeit leben im Kreis Paderborn rund 5.200 Flüchtlinge. Hauptherkunftsländer sind Syrien, Albanien, Kosovo, Afghanistan, Serbien und Irak. In den vier Notunterkünften im Kreis Paderborn ist Platz für insgesamt 2.580 Flüchtlinge(Staumühle 720, Bürogebäude Welle Paderborn 300, Berufskolleg Schloß Neuhaus 200, Stöckerbusch 1000, Stand: 28. Dezember 2015). Müller erläuterte, dass das Land im kommenden Jahr die kleineren Notunterkünfte wie Schulen und Sporthallen schließen und auf größere Zentren mit über 500 Plätzen setzen wolle. Altenbekens Bürgermeister Wessels wies darauf hin, dass diese Zentren bei den betreffenden Kommunen angerechnet würden. „Mit dem Effekt, dass alle anderen noch mehr Flüchtlinge zugewiesen bekommen“, so Wessels. Der Landrat erläuterte, dass auch der Landkreistag NRW eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge eingefordert habe. Schutzbedürftige Asylbewerber müssten gleichmäßig auf die Bundesländer, aber auch auf die Kreise bzw. kreisfreien Städte verteilt werden. Da gebe es derzeit noch erheblichen Nachholbedarf. Viele Großstädte, vor allen Dingen in der Rhein-Ruhr-Schiene, machten sich derzeit einen „schlanken Fuß“, so Müller. Ost-Westfalen habe aber immer zu seiner sozialen Verpflichtung gestanden. Es könne aber nicht sein, dass die Großstädte, die nur teilweise ihre Pflicht erfüllten, volles Geld bekämen. „Das ist doch ein Stück aus dem Tollhaus,“ so der Landrat. Für die Zukunft sei auch bei anerkannten Asylbewerbern auf gleichmäßige Verteilung zu achten. Dazu könnte auch eine Residenzpflicht für Asylbewerber gehören, die dann aufgehoben würde, wenn ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz in einem anderen Kreis angetreten werde. „Wir stehen mit Überzeugung zu unserer humanitären Verpflichtung, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten oder politisch Verfolgte aufzunehmen“, bekräftigt Müller. Gleichwohl würden alle Kräfte für diese sehr große Anzahl benötigt. Und deshalb müssten Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern konsequent zurückgeführt werden. „Wir haben im vergangenen Jahr in Deutschland eine Million Menschen aufgenommen. Ich habe meine Zweifel, ob das auch mit einer zweiten Million klappt, weil zum Beispiel der Wohnungsmarkt das nicht schafft“, so der Landrat. Für die Menschen, die bleiben, müsse aber die Integration sofort beginnen. Daran werde mit Hochdruck gearbeitet.

In den Schulen laufe es gut, betonte Schulrat Hartmut Bondzio vom Schulamt des Kreises Paderborn. Bereits registrierte Kinder und Jugendliche sind schulpflichtig und erlernen in so genannten Auffang- und Vorbereitungsklassen die deutsche Sprache. Im gesamten Kreis Paderborn sind seit Anfang August für 348 Kinder (Stand: 22. Dezember) im Grundschulalter so genannte Auffang- und Vorbereitungsklassen bzw. Internationale Klassen gebildet worden. Diethelm Krause, Präsident des Sportbundes Paderborn, bekräftigte, dass Integration über Sport gut begonnen werden könne und die rund 320 Vereine im Kreis ihren Beitrag leisteten. Die anwesenden Ehrenamtlichen betonten, die Helferinnen und Helfer benötigten noch mehr Unterstützung. So erfahre man vor Ort von den furchtbaren Schicksalen der Flüchtlinge. Viele „nähmen das mit nach Hause“ und seien dadurch psychisch belastet. Auch die notwendige Abgrenzung müsse man lernen. Der Landrat sicherte Unterstützung seitens des Bildungs- und Integrationszentrums des Kreises Paderborn in Form von Schulungen zu.

Wie kann die Integration von Asylbewerbern in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gelingen? Christiane Borinski, Leiterin der Ausländerabteilung im Kreisordnungsamt, wies dabei vor allem auf die zeitliche Lücke zwischen Registrierung und Ausstellung einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (so genannte BüMA-Bescheinigung) bis zur Aufnahme des Asylverfahrens hin. Das sei problematisch. Da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Terminen für eine Antragstellung auf Aufnahme des Asylverfahrens nicht nachkomme, könnten viele Maßnahmen oft erst nach Monaten wenn nicht gar Jahren beginnen. Für die Betroffenen selbst als auch für potenzielle Arbeitgeber resultiere daraus große Unsicherheit.

Die Bundesagentur für Arbeit wird – so der Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Paderborn, Rüdiger Matisz - in Kooperation mit den Jobcentern und dem Kreis Paderborn eine Anlaufstelle einrichten, um Arbeitssuchende den Zugang zum Arbeitsmarkt beispielsweise in Form von Sprachkursen und Potenzialanalysen zu erleichtern. Geplant ist der Start für Ende Januar, teilte Landrat Manfred Müller mit. Sowohl Peter Gödde, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Paderborn, als auch Jürgen Behlke, Geschäftsführer und Leiter der Zweigstelle Paderborn + Höxter der IHK, bekräftigen, dass die Wirtschaft grundsätzlich bereit sei, Flüchtlinge einzustellen. Aber wie? Christiane Borinski erläuterte, dass Asylsuchende und Geduldete in den ersten drei Monaten in Deutschland keine Beschäftigung aufnehmen dürften. Danach sei das aber möglich. Zuvor müsse jedoch in der Regel eine Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit durchgeführt werden. Dabei werde zunächst geprüft, ob nicht bevorrechtigte Bewerber für eine offene Stelle zur Verfügung stünden. Also sollte ein Arbeitgeber, der Flüchtlinge einstellen will, bei der Bundesagentur für Arbeit anrufen? „Ja“, sagt dazu Rüdiger Matisz, Chef der Paderborner Agentur für Arbeit. Denn dort wüssten die Kollegen, ob jemand arbeiten dürfe, die erforderliche Vorrangprüfung durchgeführt worden sei und die erforderlichen Voraussetzungen für das Unternehmen mitbringe.

Gleiches gilt auch für das Angebot von Praktika und Ausbildungsplätzen. Auch hier ist die Agentur für Arbeit der richtige Ansprechperson. Schulische Berufsausbildungen sind für Asylsuchende und Geduldete rechtlich immer möglich. Eine betriebliche Berufsausbildung können Asylsuchende ab dem vierten Monate und Geduldete, sofern kein Arbeitsverbot vorliegt, mit Erlaubnis der Ausländerbehörde beginnen. Betriebspraktika für die Dauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr sind ebenfalls mit Genehmigung der Ausländerbehörde möglich.

Die Vorträge zur Veranstaltung „Lokale Runder Tisch Flüchtlinge“ sowie weitere Infos finden Sie hier.

 
 
 

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