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26. November 2015

Wenn Kinderseelen Narben tragen

Schul- und Sportausschuss des Kreises Paderborn gibt grünes Licht für Projekt zur Unterstützung der Schulen im Umgang mit Flüchtlingskindern

Hilfe im Schulalltag für Flüchtlingskinder © ia_64 / Fotolia 
Hilfe im Schulalltag für Flüchtlingskinder © ia_64 / Fotolia

Der kleine Junge weigert sich, seine Jacke im Unterricht auszuziehen. Sie ist alles, was ihm auf der Flucht geblieben ist. Das kleine Mädchen will nicht am Schwimmunterricht teilnehmen. Sie hat mit vielen anderen in einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer gesessen und Menschen ertrinken sehen. Derzeit werden 536 Flüchtlingskinder in 23 Schulen mit internationalen Klassen im Kreis Paderborn unterrichtet. Hinter diesen Zahlen verbergen sich erschütternde Geschichten wie diese. Ihre Kinderseelen sind verletzt und tragen Narben, die oft erst nach Jahren verheilen dürften. Wenn überhaupt: Einige der Kinder und Jugendlichen gehen wieder, andere kommen dazu. Wie viele es sein werden, kann niemand verlässlich prognostizieren. „Auch für die Lehrerinnen und Lehrer ist es eine enorme Herausforderung, damit umzugehen und bei diesen vielen Umbrüchen so etwas wie Stabilität im Schulalltag hinzubekommen“, sagt die leitende Schulpsychologin des Kreises Paderborn, Susanne Fitzner. Beziehungen würden aufgebaut und müssten wieder abgebrochen werden. „Wenn Lehrkräfte sich sicher fühlen in einer für Flüchtlinge unsicheren Situation, geben sie ihnen Halt“, sagt Fitzner. Die Regionale Schulberatungsstelle möchte Schulen genau darin unterstützen. Zum Konzept gehören regelmäßige Sprechstunden vor Ort, Beratung und Fortbildungen. Der Schul- und Sportausschuss des Kreises Paderborn unter Vorsitz von Vinzenz Heggen votierte in seiner gestrigen Sitzung einstimmig für das Projekt.

Kinder und Jugendliche, die in den Kommunen leben, sind schulpflichtig. Dazu wurden im Kreis Paderborn in 23 Schulen so genannte Auffang- und Vorbereitungsklassen gebildet. Derzeit werden 189 Flüchtlinge in zehn Grundschulen, 287 in der Sekundarstufe I und 60 in der Sekundarstufe II unterrichtet. Tendenz steigend. 22 von ihnen sind unbegleitet, also ohne Eltern oder Familie. Auch diese Zahl dürfte zunehmen. Das Paderborner Kreisjugendamt rechnet für 2016 mit ca. 80 bis 100 unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen.
Laut einer aktuellen wissenschaftlichen Studie der Universität München werden ca. 20 Prozent der Flüchtlingskinder als traumatisiert eingestuft (Quelle Spiegel online, Juni 2015). Allerdings könne bereits die Entwurzelung von der Heimat in eine völlig andere Kultur, deren Sprache man nicht versteht, für ein Kind bzw. Jugendlichen schon an sich problematisch sein, sagen die Psychologen des Kreises. Lehrkräfte müssten mit den unterschiedlichsten Nationalitäten und Kulturen, mit Kindern und Jugendliche mit wenigen oder gar keinen Sprachkenntnissen in den Klassen umgehen können. Dazu sei viel Flexibilität und Beziehungsarbeit notwendig. Wie kann die soziale Integration vor dem Hintergrund der unterschiedlichsten Ethnien gelingen? Noch dazu, wenn in den Klassen ein Kommen und Gehen ist. Wie kann ein positives Klassenklima entwickelt und Rassismus vorgebeugt werden?

Für Lehrkräfte sei es zudem zumindest schwierig, zwischen kulturbedingtem und sozial-emotional auffälligen Verhalten zu unterscheiden, unterstreicht Fitzner. Bereits jetzt häuften sich Anrufe und Anfragen in der Schulberatungsstelle. Lehrkräfte fühlten sich überfordert und unsicher. Auch Schulrat Hartmut Bondzio sieht Unterstützungsbedarf: Was ist mit einem Kind, das plötzlich nicht mehr zur Schule kommt, weil die Familie freiwillig ausgereist oder abgeschoben wurde? Wie geht es dem Kind? Hat man da alles richtig gemacht? Wie erklärt man den Schülerinnen und Schülern den leeren Stuhl in der Klasse? Und: Wie geht man damit um, dass ein Kind auf der Flucht im Schlauchboot Menschen hat ertrinken sehen und Schwimmunterricht auf dem Stundenplan steht?

Die Schulberatungsstelle plant, künftig mindestens alle 14 Tage in jenen Schulen, die eine internationale Klasse gebildet haben, eine Sprechstunde anzubieten. Angeboten werden zudem Beratung und Supervision. Zusätzliches Personal soll bislang nicht eingestellt werden. Stattdessen stocken die vorhandenen Fachkräfte ihre Stunden auf. Fitzner betont zudem, dass die Regionale Schulberatungsstelle eng vernetzt sei mit den Schulen, Schulsozialarbeitern, psychosozialen Einrichtungen und Therapeuten. Zudem kooperiere man eng mit dem Bildungs- und Integrationszentrum des Kreises Paderborn, das sich schwerpunktmäßig derzeit um die Sprachfeststellung und Sprachförderung kümmere.
Beraten wird der Vorschlag der Verwaltung zusätzlich im Kreis- und Finanzausschuss. Die abschließende Entscheidung trifft der Paderborner Kreistag in seiner Sitzung am 14. Dezember.

 
 
 

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