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Pressemeldung vom 27.01.2011

Von Brot und Rosen und lachenden Löwinnen - 100 Jahre internationaler Frauentag: Viel geschafft, noch viel zu tun - Auftaktveranstaltung im Paderborner Kreishaus

Kreis Paderborn (krpb). Als die deutsche Politikerin Clara Zetkin den ersten Internationalen Frauentag am 19. März 1911 initiierte, steckten die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Frauen noch in den Kinderschuhen. Frauen dürfen erst seit 1918 wählen, seit 1958 ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen selbst verwalten und seit 1977 ohne Einverständnis ihres Mannes erwerbstätig sein. Mit Angela Merkel bekam die Bundesrepublik ihre erste Frau als Kanzlerin. Die NRW-Ministerpräsidentschaft ist seit einigen Monaten ebenfalls in weiblicher Hand. Das „Kind“ ist groß geworden, aber längst noch nicht erwachsen. „Viel geschafft, noch viel zu tun!“ lautete dann auch das Motto der gestrigen Veranstaltung im Paderborner Kreishaus, mit der der Arbeitskreis der Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Paderborn an den 100. Geburtstag des Weltfrauentages erinnerte.

Der Sitzungssaal im Paderborner Kreishaus war bis auf den letzten Platz gefüllt und – wie konnte es bei diesem Thema anders sein – überwiegend in weiblicher Hand. Landrat Manfred Müller dankte in seinem Grußwort den „Wegbereiterinnen und Gestalterinnen der Frauenbewegung“, die mutig und zuweilen selbstlos für Rechte und Rahmenbedingungen kämpften, die heute für Frauen selbstverständlich gelebter Alltag seien. Zumindest in unseren Breiten. Er habe ganz bewusst eine weibliche Beamtin bei der Kreispolizei als Verbindungsfrau zu den Muslimen gewählt. „Frauen haben einen Anspruch auf Teilhabe an der Gesellschaft“, sagte Müller und erhielt dafür Szenenapplaus. Christiane Sander, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Paderborn, betonte, dass die Errungenschaften der 100-jährigen Frauenbewegung „ganz schön viele Spuren“ hinterlassen hätten. Aber schaue man genauer hin, entdecke man sehr schnell, dass immer noch Vieles im Argen liege. Es seien immer noch die Frauen, die sich in der Regel um die Kinder kümmern und später die Eltern pflegen. In der Konsequenz drohe ihnen die Altersarmut, weil sie nicht genügend Rentenansprüche erworben hätten. Frauen würden immer noch schlechter bezahlt, arbeiteten immer noch in typischen Frauenberufen, seien chronisch durch Beruf und Familie überlastet und trotz guter Bildungsabschlüsse immer noch relativ selten in Führungspositionen zu finden. Einer der ältesten Frauenberufe überhaupt, die Hebamme, werde es auch in Zukunft im Kreis Paderborn nicht mehr flächendeckend geben, wenn die Politik und die Gesellschaft hier nicht andere Rahmenbedingungen setzten, so Sander.

Ganz still wurde es, als Professorin Dr. Barbara Rendtorff, Professorin für Schulpädagogik und Geschlechterforschung an der Universität Paderborn, von den Anfängen der Frauenbewegung sprach. Von Frauen, die unter mühsamsten Bedingungen sich auf heimlichen Kongressen zu Tausenden trafen, um für ihre Rechte und menschenwürdige Bedingungen einzusetzen. Von Verkäuferinnen, die für das Recht kämpften, bei einem 12 bis 15h-Tag sich auch einmal setzen zu dürfen, wenn kein Kunde im Laden war. Von Menschen, die auf engstem Raum hausten und Frauen, die zu 90 Prozent nicht krankenversichert waren. Wenn sie an Tuberkulose erkrankten, konnten sie nicht einmal einen Arzt bezahlen. Die Frauen forderten nicht nur einen gerechten Lohn (Brot), sondern auch eine menschenwürdige Arbeits- und Lebensumgebung, wollten wertgeschätzt, ja und auch geliebt werden (Rosen). Das Gedicht von James Oppenheim „Brot und Rosen“ wurde zum Synonym für die Frauenbewegung. Dann der Blick in die Gegenwart. Rendtorff zitierte aus einer Online-Umfrage eines Magazins aus dem vergangenen Jahr, in der 44 Prozent der dort Befragten der Meinung waren, dass Frauen selber schuld seien, dass sie beruflich nicht so erfolgreich seien wie die Männer. Sie würden nicht so selbstbewusst ihre Forderungen stellen, blieben länger zu Hause, wenn die Kinder da seien und würden sich klassische Frauenberufe aussuchen, in denen sie dann auch schlechter verdienen würden. „Ist da denn niemanden ein Denkfehler aufgefallen“, so die Referentin. Da machen die Frauen genau das, was Jahrhunderte von ihnen erwartet wurde und werden dafür dann auch noch schuldig gesprochen, so die Professorin. „Sind Frauen etwa selber schuld, dass sie keine Männer sind“, fragte sie in den Raum. Wenn man heute von Vereinbarkeit von Beruf und Familie spreche, meine man häufig vielmehr: „Wie kriegt die Frau das alles hin“. Sie warb für eine veränderte Sichtweise und Selbstwahrnehmung, für eine Wertschätzung aller Lebensbereiche, zu denen auch die Hausarbeit zähle. Denn auch die müsse gemacht werden. „Wenn dann zu den lachenden Löwinnen sich lachende Löwen dazu gesellen, sei doch alles auf einem guten Weg, so Rendtorff.

„Kommen wir zur Praxis“: Mit diesen Worten eröffnete die langjährige Kommunalpolitikerin und Sozialdemokratin Marlene Lubek ihre Sicht der Dinge. Es folgte ein Feuerwerk an Anekdoten, Erinnerungen und Gedanken, alles vorgetragen mit einem Humor, der auch die wenigen männlichen Zuhörer von den Stühlen riss. „Wenn Frauen und Männer irgendwann gleichberechtigt sind, dann sind sie den Männern überlegen. Das haben Männer immer intuitiv gespürt“, sagte sie unter großem Beifall. Sie habe zwei Kinder gehabt und das in einer Zeit, wo man dann zu Hause blieb. Das Spielchen habe sie sich ein bisschen angeschaut und sich dann eingemischt. Bereits 1969 sei sie in die SPD eingetreten und habe sich für gesellschaftspolitische Themen engagiert. Also zu einer Zeit, als Frauen in der Politik Seltenheitswert hatten. In allem was sie sagte, blitzte die Kämpferin durch. Hörbar wurden aber auch die leisen, zwischenmenschlichen Töne, die viel über den Menschen Lubek erzählten. Als Rabenmutter sei sie bezeichnet worden. „Kennen Sie den Begriff Rabenvater?“, so Lubek. Doch da war keine Verbitterung zu spüren. Quotenregelung in Führungspositionen. Nö, „die Qualifikation zählt“, so Lubek. Sie appellierte an die anwesenden Frauen sich einzumischen, sich zu engagieren. In unserer Demokratie sei es Frauen möglich, mit zu gestalten, und darüber sei sie glücklich und dankbar. Genau diesen Eindruck vermittelte sie auch am gestrigen Abend: Hier sprach eine Frau, die angekommen ist in ihrem Leben.

Als eine gute Wahl erwies sich auch das musikalische Duo in Gestalt von Sängerin Birgit Noll und Pianist Gerhard Gemke. Noll schaffte es in ihren Interpretationen, das Leid der Frauen, ihren Kampf und ihre Sehnsucht nach Anerkennung zu spiegeln. Ein Kampf, der längst noch nicht ausgefochten ist. Die Besucher erlebten im Paderborner Kreishaus einen wundervollen Abend - mit Brot und Rosen für Löwinnen und Löwen.

Hintergrund: Seit 1921 wird dem Internationalen Frauentag, auch Weltfrauentag genannt, allerorts am 8. März gedacht. 1932 wurde der internationale Frauentag von den Nationalsozialisten verboten und durch den „Muttertag“ ersetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte es in Deutschland einige Jahrzehnte und einer engagierten Frauenbewegung, damit Ursprung und Sinn des Weltfrauentages wieder ins Bewusstsein kam. Die zentralen Forderungen der Frauenbewegung waren unter anderem das Wahl- und Stimmrecht für Frauen, Arbeitsschutzgesetze, ausreichender Mutter- und Kinderschutz, der Achtstundentag, gleicher Lohn für gleiche Arbeitsleistung, Festsetzung von Mindestlöhnen.

Das 100-jährige Jubiläum nimmt der Arbeitskreis der Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Paderborn zum Anlass, Veranstaltungen im Jubiläumsjahr anzubieten. Die gestrige Veranstaltung im Paderborner Kreishaus „Viel geschafft – noch viel zu tun!“ bildete den Auftakt. 



 

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