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Pressemeldung vom 21.07.2011

Bildschirmgeräte gehören nicht ins Kinderzimmer: „Rock `n Roll und Mathe statt digitales Doping“

Kreis Paderborn (krpb). Je mehr Zeit Kinder und Jugendliche am Computer und vor dem Fernseher verbringen, desto schlechter sind ihre Schulnoten. Was die meisten Eltern längst ahnen und befürchten, wusste der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN), Professor Dr. Christian Pfeiffer, im Paderborner Kreishaus mit Zahlen zu untermauern. Sein Institut stellte in Studien einen Zusammenhang zwischen exzessiver Computernutzung und Leistungseinbruch in der Schule fest. Vor allem die Jungen verlieren gegenüber Mädchen den Anschluss, weil sie deutlich häufiger und länger vor dem Computer hocken. „Bildschirmgeräte gehören nicht ins Kinderzimmer“, fordert der Experte. Stattdessen plädiert Pfeiffer für attraktive Freizeitangebote in Schulen. Was ist zu tun, wenn Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene sich in virtuellen Welten verlieren und Computer, Fernsehen und Handy das reale Leben zu ersticken drohen? Im Kreis Paderborn ist ein Bündnis gegen Mediensucht gegründet worden, um Betroffenen und Angehörigen Rat und Hilfe zu geben. Schirmherren sind Paderborns Landrat Manfred Müller und der Bürgermeister der Stadt Paderborn, Heinz Paus.
Die Bündnispartner betonten bei der Auftaktveranstaltung im Paderborner Kreishaus, dass es nicht darum gehe, Computer und Fernsehen „zu verteufeln“. Das Internet könne hervorragend zur Informationsbeschaffung genutzt werden. Schulen, Jugendämter und Kliniken verzeichnen jedoch einen deutlichen Anstieg problematischer Mediennutzung. Die Betroffene kapseln sich ab, werden von Eltern und Freunden nur schwer erreicht. „Dieser Trend ist alarmierend“, sagt Landrat Manfred Müller. „Es ist längst die Schwelle erreicht, die uns zum Handeln zwingt!“, bekräftigt Paderborns Bürgermeister Heinz Paus. Im Paderborner Bündnis für Mediensucht soll deshalb das gesamte Spektrum an Hilfsangeboten vernetzt und bekannt gemacht werden. „Unser Ziel ist es, möglichst früh zu helfen, damit junge Menschen nicht in Abhängigkeit geraten. Ich erhoffe mir von dem Netzwerk, dass dort die professionelle Hilfe koordiniert wird und bei den Betroffenen ankommt“, so Müller. Beteiligt sind der Kreis und die Stadt Paderborn, die Gesamtschule Paderborn-Elsen sowie die LWL Klinik Marsberg. Kooperationspartner ist das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN). Gefördert wird das Netzwerk durch die Stiftung Westfalen.

Das KFN widmet sich seit Jahren in seinen Untersuchungen der Frage, wie sich bestimmte Mediennutzungsmuster auf Schulleistungen von Kindern und Jugendlichen auswirken. Dabei rücken vor allem die Jungen in den Fokus. Ein erstes Beispiel für die Leistungskrise der Jungen sei die Quote der Schulabbrecher. Schon 1990 hätten die Jungen gegenüber Mädchen im Verhältnis von 56 zu 44 dominiert. Bis zum Jahr 2004 sei diese Divergenz auf 64 zu 36 angewachsen: Also 64 Prozent der Schulabbrecher waren männlich, 36 Prozent weiblich. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch der Bundesstatistik zur Geschlechterverteilung beim Abitur entnehmen, die seit 1991 eine stetig wachsende Dominanz der jungen Frauen dokumentiere. Ein ähnliches Bild ergebe sich bei den Studierenden. In 1990 waren 64 Prozent der Studienabsolventen männlich, 36 % weiblich. In 2008 waren 57 Prozent der Studienabsolventen weiblich, 43 Prozent weiblich. Pfeiffer sieht eine der Hauptursachen in der Mediennutzung. Jungen würden wesentlich exzessiver Computer spielen bzw. mehr Zeit an Spielkonsolen verbringen als Mädchen. Deshalb lautet seine Forderung: Keine Computer und Fernseher in Kinderzimmern. Doch nicht jeder, der spielt, ist süchtig. Eine allgemein gültige Definition hierfür gibt es nicht. „Bei Kontrollverlust und Entzugserscheinungen wie Gereiztheit und Unzufriedenheit, wenn nicht gespielt wird, sprechen wir von Mediensucht“, so Pfeiffer. Besonders gefährdet seien jene, die in ihrem Alltag kaum Erfolgserlebnisse hätten und sich dann in die virtuelle Welt flüchten. Die Spielmacher wüssten dies und würden genau da ansetzen. Man könne eine andere Identität annehmen, Macht ausüben und werde durch Punkte, „Zusatzleben“ und dergleichen belohnt. Pfeiffer sprach von „digitalem Doping“, das den Herstellern Milliardenumsätze bringe. „Wir müssen uns um die kümmern, die gefährdet sind“, lautet sein Appell. Schulen müssten nicht nur Wissen sondern auch „Lust auf Leben“ vermitteln, z.B. in Form von Sport-, Musik- oder Theatergruppen im Nachmittagsbereich. In einer Schule in Hannover habe man einen Schüler, der dort als besonders gewalttätig galt, eine Hauptrolle in einem Theaterstück gegen Gewalt gegeben. Er habe sogar am Drehbuch mitgewirkt, weil es ihm nicht realistisch genug erschien. Schulen müssten auch solche Art von Erfolgserlebnissen vermitteln. Bürgerstiftungen könnten finanzielle Hilfen bieten. „Wir müssen Kindern und Jugendlichen eine Chance geben, den Tag mit sinnvollen Inhalten zu füllen. Also Rock `n Roll und Mathe“, so Pfeiffer.

Infos zum Bündnis Mediensucht im Internet: www.mediensucht-paderborn.de.

 

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