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22. Juni 2017

„Derzeit keine akuten Gefahren erkennbar“

„Schadstoffkataster Senne“ im Ausschuss für Natur, Umwelt und Klimaschutz des Kreises Paderborn vorgestellt

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von links nach rechts: Elmar Schröder (Umweltamt Kreis PB), Dr. Michael Kerth (Dr. Kerth & Lampe GmbH), Frank Eitelberg (MSP GmbH), Dr. Ute Röder (Fachbereichsleiterin Umwelt, Kreis Lippe), Dr. Harald Mark (MSP GmbH), Klaus Kasmann (Leiter des Umweltamtes des Kreises Paderborn), Lothar Welp (Bezirksregierung Detmold) bei der Vorstellung des „Schadstoffkatasters Senne“ Bildnachweis: Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kreis Paderborn, Michaela Pitz

Der Truppenübungsplatz Senne wird seit 1892 militärisch genutzt. Das Gelände wurde zunächst von kaiserlichen Kavallerie- und Infanterieeinheiten, später dann durch die Reichswehr und die Wehrmacht genutzt. Seit dem 2. Weltkrieg nutzen die britischen Streitkräfte das Gelände, seit Mitte der 1950er Jahre auch die damals neu gegründete Bundeswehr sowie immer wieder auch andere Nato-Truppen. Auf dem Gelände finden Manöver der unterschiedlichsten Waffengattungen einschließlich Schießübungen sowohl mit Übungs- als auch mit Brisanzmunition statt. Betrieben werden auch unterschiedliche Übungseinrichtungen wie Schieß- und Handgranatenwurfstände, Schießbahnen mit unterschiedlichen Zieleinrichtungen, Pionierübungsgelände usw.
In der Diskussion ist, dass die britischen Streitkräfte in wenigen Jahren den Standort verlassen. Was dann genau mit dem Gelände geschieht, ist derzeit offen.

Das am gestrigen Abend im Kreisausschuss für Natur, Umwelt und Klimaschutz des Kreises Paderborn vorgestellte „Schadstoffkataster Senne“ liefert „eine hervorragende Planungsgrundlage für alle zukünftigen, denkbaren Nutzungen des ehemaligen militärischen Geländes“, sagte der Leiter der Umweltamtes des Kreises Paderborn, Klaus Kasmann. Selbstverständlich habe die jahrzehntelange militärische Nutzung Spuren hinterlassen. Die Kreise Gütersloh, Lippe, Paderborn und die Stadt Paderborn hatten im Mai 2015 bei der Arbeitsgemeinschaft der Firmen Dr. Kerth + Lampe GmbH aus Detmold und MSP GmbH aus Bochum die Durchführung einer umfassenden historischen Erkundung des Truppenübungsplatzes Senne, der Standortübungsplätze Stapel (im Kreis Lippe) und Lieth (im Kreis Paderborn) sowie der Kasernenstandorte im Stadtgebiet Paderborn (Alanbrooke, Athlone, Barker, Dempsey und Normandy Barracks) in Auftrag gegeben. Ziel des Gutachtens war es, aus einer detaillierten historischen Rekonstruktion der jeweiligen Nutzungsgeschichte flächendifferenziert Aussagen zur Wahrscheinlichkeit und zum Ausmaß relevanter Belastungen von Boden und Grundwasser in Folge der militärischen Nutzung abzuleiten. Die beauftragten Gutachterbüros sichteten in den vergangenen zwei Jahren umfangreiche Unterlagen in lokalen, regionalen, nationalen und internationalen öffentlichen und behördlichen Archiven, werteten Luftbilder (einschl. alliierter Kriegsluftbilder) aus und sprachen auch mit Zeitzeugen vor Ort. Die Gutachter Dr. Michael Kerth und Dr. Harald Mark betonten insbesondere auch die gute Zusammenarbeit mit den Briten.

„Überall da, wo militärisch geübt werde, könne es grundsätzlich punktuell zu Kontaminationen gekommen sein“, sagten die Gutachter. Vor allem von Sprengplätzen könnten erhebliche Boden- und Grundwasserbelastungen ausgehen. So wurde in der Senne nach dem „Frankreichfeldzug“ erbeutete Munition in großen Stil vernichtet. Nach dem zweiten Weltkrieg sei es Ziel der Alliierten gewesen, Deutschland zu demilitarisieren. Also wurden Waffen vernichtet und Munition in großem Ausmaß gesprengt, so auch in der Senne. Dabei war es Ziel, mit einfachen Mitteln Waffen und Munition untauglich zu machen. In Folge der durch die Wehrmacht nach 1940 und die Alliierten 1945/1946 durchgeführten Sprengungen wurden erhebliche Kampfmittelbelastungen im weiteren Umkreis der Sprengplätze verursacht, da bei den Explosionen Munition und Munitionsteile bis zu tausend Meter weit verstreut wurden.

Die Gutachter bezeichneten es als Glück, dass im sich Bereich des Truppenübungsplatzes viele Grundwassermessstellen befinden würden, was eine gezielte und flächenhafte Grundwasseruntersuchung sehr erleichtere. Kasmann betonte, dass das Umweltamt des Kreises bereits während der Recherche und „im Zuge des fortschreitenden Erkenntnisprozesses“ öffentliche Wasserwerke und Grundwassermessstellen auf Sprengstoff-Rückstände habe beproben und untersuchen lassen. Es wurden keine Werte festgestellt, die Anlass zur Besorgnis im Hinblick auf die Trinkwassernutzung geben.

Gutachter Dr. Michael Kerth betonte, dass man im Zuge der historischen Recherche keine Hinweise auf Nutzung von uranhaltiger Munition gefunden habe. Kasmann betonte zudem, dass nach Auswertung der jetzt vorliegenden Erkenntnisse „keine akuten Gefahren erkennbar seien“. Das vollstände Gutachten wird voraussichtlich im Herbst vorliegen. Kasmann erläuterte im gestrigen Ausschuss, dass die Ergebnisse bereits mit den Anliegerkreisen Gütersloh und Lippe und anderen Fachbehörden erörtert worden seien. Nach Vorliegen des endgültigen Gutachtens im Herbst würden die Behörden sich an einen Tisch setzen, um weitere Wasser- und Bodenuntersuchungen abzustimmen.

Die Ergebnisse der Teilgutachten im Detail:

  • Kasernenstandorte

Für die fünf betrachteten Kasernenstandorte ergeben sich Anhaltspunkte für Belastungen des Bodens (und untergeordnet des Grundwassers) im Wesentlichen durch militärische Tankstellen, Wartungs- und Reinigungseinrichtungen für Fahrzeuge. Auch haben an einigen Standorten Heizöltanks gestanden, weil die Unterkünfte der Armeeangehörigen mit Heizöl gewärmt wurden. Hinzu kommt ein bereits seit 1989 in Sanierung befindlicher Standort einer ehemaligen Chemischen Reinigung auf dem Gelände der Normandy Barracks.
Die hier anzunehmenden Belastungen seien vergleichbar mit Belastungen ähnlicher ziviler Nutzungen wie großen Krankenhäusern, Tankstellen, Betriebe des Kfz-Gewerbes usw. Bei der Beurteilung der Belastungswahrscheinlichkeit konnte aber auch auf die umfangreichen Erfahrungen bei der Umnutzung (Konversion) von vergleichbaren ehemals britischen Kasernenstandorten zurückgegriffen werden. „Hier ergaben sich keine Hinweise auf dramatische Belastungen“, so die Gutachter.

  • Truppenübungsplatz Senne

Bereits seit 2004 wird ein zunächst von der Bundeswehr, dann von den britischen Streitkräften genutzter Kanisterumfüllplatz saniert (Blue Monkey).

Sprengplätze
Boden- und Grundwasser dürften vor allem durch die umfangreiche Munitionsvernichtung im und nach dem 2. Weltkrieg beeinflusst sein. So wurde in einem klar abgrenzbaren Teilbereich der Senne bereits ab 1940 erbeutete Munition durch die Wehrmacht vernichtet. Kurz vor der Einnahme der Senne durch die Amerikaner erfolgten außerdem Sprengungen von Munitionsbunkern auf dem Gelände der ehemaligen „Heeresmunitionsanstalt Senne“. Auf diesem Gelände wurden dann 1945/1946 durch die britischen Besatzungsstreitkräfte in großem Umfang deutsche Munitionsbestände vernichtet. Vor allem aus Untersuchungen in Bayern und Niedersachsen ist bekannt, dass von solchen Sprengplätzen erhebliche Boden- und Grundwasserbelastungen ausgehen können. Hier besteht also generell weiterer Untersuchungsbedarf.

Schießanlagen
Belastungen des Bodens sind aber auch durch den seit 125 Jahren erfolgenden Schieß- und Übungsbetrieb in der Senne zu vermuten oder auch bereits nachgewiesen. Dies betrifft zum einen Geschossfänge in (ggf. auch schon länger stillgelegten) Schießanlagen bzw. Schießständen, zum anderen auch die (im Laufe der 125 Jahre militärischer Nutzung wechselnden) Zielgebiete für Artillerieübungen. Bundesweit liegen keine dokumentierten Erfahrungen zur Boden- und Grundwasserbelastung in lange genutzten Zielgebieten vor, so dass die Gutachter auch hier weiteren Untersuchungsbedarf sehen.

Militärischer Übungsbetrieb
Für den gesamten Truppenübungsplatz ist auf Grund des militärischen Übungsbetriebs (Biwakieren, Feldbetankung, Einsatz von Übungs- und Leuchtspurmunition usw.) von einzelnen punktuellen, nicht genau lokalisierbaren und vermutlich eher „diffusen“ Bodenbelastungen auszugehen. Mit Ausnahme der Sprengplätze, Zielgebiete und Geschossfänge ist aber nur von einem geringen flächenhaften Belastungsgrad auszugehen.

Kampfmittelrisiko
Auf dem gesamten Truppenübungsplatz ist außerdem ein aus der Nutzungsgeschichte resultierendes Kampfmittelrisiko gegeben. Durch den britischen Kampfmittelbeseitigungsdienst werden neben blindgegangener Munition aus dem laufenden Schießbetrieb bis heute auch Kampfmittel aus der Zeit vor 1945 gefunden. Ein sehr hohes Kampfmittelrisiko besteht dabei gerade in den Gebieten, in denen während und nach dem 2. Weltkrieg Munition vernichtet wurde, da hierbei die Unbrauchbarmachung der Munition, nicht jedoch deren vollständige und sichere Beseitigung im Vordergrund stand. Bei allen zukünftigen Überlegungen zur Nutzung des Truppenübungsplatz-Geländes ist daher das Kampfmittelrisiko zu berücksichtigen, betonen die Gutachter. Auch müsse beachtet werden, dass der Kampfmittelbeseitigungsdienst immer anlassbezogen im Einsatz war und somit nur von „Zufallsbefunden“ ausgegangen werden müsse.

Chemische Kampfstoffe

Nach Aktenlage lagerten im März 1945 größere Mengen chemischer Kampfstoff („Giftgasgranaten“) in der Heeresmunitionsanstalt Senne, die sich nördlich an das Gelände der heutigen Normandy Barracks anschloss. Diese wurden von den britischen Streitkräften entsprechend der damaligen Entsorgungspraxis in Nord- und Ostsee versenkt. Bei nach dem Krieg durchgeführten Kampfmittelräumungen im Bereich der ehemaligen Heeresmunitionsanstalt wurden nur sehr geringe Mengen an Kampfstoffen bzw. Kampfstoffmunition gefunden.

Uranmunition

Im Rahmen der Historischen Erkundung ergaben sich keine Erkenntnisse dazu, dass im Rahmen von Schießübungen in der Senne „Uranmunition“ eingesetzt wurde oder wird. Vor dem Hintergrund, dass Uranmunition eine besondere Form panzerbrechender Munition ist und panzerbrechende Munition in großem Umfang in der Senne verschossen wurde und wird, ist grundsätzlich die Verwendung von Uranmunition auch nicht vollkommen auszuschließen.

Grundwassernutzung
Auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Senne befinden sich seit Jahrzehnten Trinkwassergewinnungsanlagen der Stadtwerke Bielefeld und der Britischen Streitkräfte (Wasserfassung Dörenkamp). Hinzu kommen Hausbrunnen im westlich gerichteten Grundwasserabstrom des Truppenübungsplatzes. Eine Beeinflussung des Grundwassers insbesondere durch die Sprengplätze ist nicht auszuschließen.
Die bedeutsamsten Sprengplätze liegen auf dem Gebiet des Kreises Paderborn. Das Paderborner Umweltamt hat nach Vorliegen erster Recherche-Ergebnisse in Abstimmung mit den Wasserwerksbetreibern eine Untersuchung des Trinkwassers sowie von Messstellen im Grundwasserabstrom der ehemaligen Heeresmunitionsanstalt veranlasst. Nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen werden aktuell die zur Beurteilung heranzuziehenden Trinkwasserleitwerte bzw. andere geeignete Beurteilungswerte für sprengstofftypische Verbindungen unterschritten.
In der Vergangenheit wurden von den Wasserwerksbetreibern Untersuchungen auf Uran durchgeführt, die keine Auffälligkeiten aufwiesen.

  • Standortübungsplatz Stapel (Kreis Lippe)

Der Standortübungsplatz Stapel wurde Ende der 1930er Jahre von der deutschen Luftwaffe als Bombenabwurfplatz und für das Zielschießen aus Flugzeugen eingerichtet. Nach dem 2. Weltkrieg diente er als Schießplatz für Artillerie. Seit Ende der 1950er Jahre wird der Standort überwiegend für Übungsfahrten mit militärischen Fahrzeugen genutzt. Im Vergleich zum Truppenübungsplatz Senne dürfte damit die Wahrscheinlichkeit relevanter Boden- und Grundwasserbelastungen deutlich geringer sein, so die Gutachter. Da außerhalb des heutigen Geländes noch ein Sprengplatz aus dem 2. Weltkrieg vermutet wird, sollte aus Sicht des Gutachters hier weiter untersucht werden.

  • Standortübungsplatz Lieth (Kreis Paderborn)

Der Standortübungsplatz Lieth diente mit Ausnahme einer durch die Wehrmacht betriebenen Panzerschießanlage immer nur als Fahrgelände insbesondere für Panzer. Auf diesem Gelände sind demnach keine oder nur geringe Bodenbelastungen anzunehmen.

Hintergrund:
CDU und SPD hatten im November 2013 einen Antrag eingebracht, durch eine detaillierte historische Recherche zu ermitteln, inwiefern Anhaltspunkte für relevante Belastungen von Boden und Grundwasser in Folge der militärischen Nutzung der Senne abzuleiten sind.. Der Paderborner Kreistag beschloss im Dezember 2013, ein solches flächendeckendes Schadstoffkataster für den Bereich des Truppenübungsplatzes und weiterer militärischer Liegenschaften erstellen zu lassen. Die Kreisverwaltung wurde zudem beauftragt, sich mit den Nachbarkreisen abzustimmen. Die Kreise Lippe, Gütersloh und Paderborn schlossen eine so genannte Bodenschutzvereinbarung, die im Juli 2014 unterzeichnet und im August 2014 seitens der Bezirksregierung Detmold genehmigt worden war. Das endgültige Gutachten in seiner vollständigen Fassung wird dem Kreistag wahrscheinlich im Herbst vorgelegt werden.

 
 
 

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