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Pressemeldung vom 17.01.2014

„Energiewende muss die Bürger mitnehmen“

Kreis Paderborn (krpb). Im Kreis Paderborn stehen bereits jetzt nahezu 400 Windkraftanlagen. Weitere 127 könnten hinzukommen. In den vergangenen drei bis vier Jahren ist die Zahl der Genehmigungsverfahren rasant angestiegen. Zunehmend werden auch Standorte außerhalb der Konzentrationszonen der Flächennutzungsplan der jeweiligen Städten und Gemeinden beantragt. Die daraus resultierenden Ablehnungen der Anträge werden oft beklagt. Mit dem Tempo, mit dem die Rechtsprechung die Anforderungen an eine rechtssichere Konzentrationsflächenplanung heraufgesetzt hat, können die Städte und Gemeinden in ihren Flächennutzungsplanverfahren kaum noch Schritt halten. Die Verunsicherung ist groß. Erst im Juli hatte das Oberverwaltungsgericht Münster den Bürener Flächennutzungsplan gekippt, weil künftig auch die so genannten weichen Standortfaktoren bei der Planung berücksichtigt werden müssten. Der Windenergie müsse substantiell genug Raum gegeben werden. Was genau heißt das? Und wann genau geht es an die Substanz der betroffenen Bürgerinnen und Bürger? „Ist rechtssicheres Planen noch möglich“ lautete deshalb auch der Titel einer Fachtagung im Berufskolleg in Schloß Neuhaus, zu der Landrat Manfred Müller die Kommunalpolitik, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Planungs-, Bau- und Umweltämtern, aber auch alle Interessierten und betroffene Bürgerinnen und Bürger eingeladen hatte. Über 300 Zuhörerinnen und Zuhörer kamen, nicht nur aus, sondern auch weit über die Region hinaus. Bereits im Vorfeld erreichte die Verwaltung über 70 Fragen an die Referenten. Glasklar ist vor allem eines: Der Informationsbedarf und die Sorgen der Bürger sind groß. Die Vielzahl der Gerichtsverfahren zeigt, dass beim Planungsrecht noch Interpretations- und Reparaturbedarf ist.

Rund 14 Prozent aller Windkraftanlagen in NRW stehen im Kreisgebiet. Demgegenüber hat der Kreis Paderborn nur 3,66 Prozent Anteil an der Landesfläche. Landrat Manfred Müller erklärte zu Beginn der Veranstaltung, diese Zahlen belegten bereits, dass Paderborn eine Vorreiterrolle bei der Windkraft einnehme. Die für das Jahr 2020 vorgesehene Zielvorgabe des Klimaschutzkonzeptes des Kreises Paderborn, zu 100 Prozent den Stromverbrauch aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, könne schon früher erfüllt werden. Müller betonte jedoch gleichzeitig, dass man bei der Energiewende die Bürger mitnehmen müsse. „Die Energiewende hängt auch vom gesellschaftspolitischen Konsens ab , ist auch eine soziale Frage", so der Landrat. Insbesondere bei den Abständen zu Wohngebieten müsse eine Regelung gefunden werden, die die Lebensqualität in den Wohnorten dauerhaft sicherstelle.

Ziel der Veranstaltung war es zunächst, den Kommunen den Stand des Bau- und Planungsrechts bei der Ausweisung von Windkonzentrationszonen zu erläutern. Aber auch viele Vertretung der Windkraftkritiker waren gekommen, um Fragen zu stellen. Wie viel Lärm ist zulässig? Haben die Orte überhaupt noch Entwicklungsmöglichkeiten, wenn immer mehr Windräder gebaut werden? Welche Entscheidungsspielräume haben Kommunen bei der Festlegung von Mindestabstandsflächen zwischen Windkraftanlagen und Wohngebieten? Und wie viel Raum müssen die Kommunen der Windkraft zwingend noch zur Verfügung stellen?

Claudia Warnecke, technische Beigeordnete der Stadt Paderborn, skizzierte zu Beginn die städtische Planung von Windkonzentrationszonen von den 90er Jahren bis heute. Auf dem Gebiet der Stadt Paderborn befänden sich derzeit 60 Anlagen, die ca. 15 bis 20 Prozent des Stromverbrauchs der Stadt Paderborn liefern würden. Sie betonte, dass die Stadt Paderborn sich in der Pflicht befinde, einerseits der Windkraftnutzung substantiell Raum zu geben, andererseits die Akzeptanz der Bürger nicht verlieren wolle.

Dr. Rainer Maske, Richter am Oberverwaltungsgericht Münster, erläuterte die aktuelle Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen und beleuchtete die so genannten harten und weichen Tabuzonen. Bei den harten Tabuzonen sei laut Rechtsprechung Zurückhaltung geboten. Die weichen Tabuzonen würden den Kommunen Spielraum bei der Ausweisung von Konzentrationszonen geben. Dazu müsse eine einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung, ob die Konzentrationsflächenplanung der Windenergienutzung substantiell Raum verschafften, getroffen werden. Genau die bereitet den Kommunen jedoch Kopfzerbrechen. Derzeit sei im Prinzip ein Abstand von 800 bis 1000 Metern zu beplanten Wohnbereichen relativ rechtssicher in der Planung, aber es komme auf die konkrete Situation vor Ort an.

Michael Ahn aus Coesfeld stellte heraus, dass es dem derzeitigen Planungsrecht an Klarheit fehle. Die Unsicherheiten in den kleinen und mittleren Gemeinden ohne größere Planungsämter seien am größten. Gleichzeitig sei der Druck auf dem Lande größer als in den Metropolen und Großstädten. Sein Fazit: „Es fehlt eine Rechtsentwicklung unter Berücksichtigung der heute üblichen Technologie, der Akzeptanz in der Bevölkerung und die Definition von Leistungszielen entsprechend der regional differenzierten Eignungen“. Insgesamt seien die Kommunen mit einem Planungsinstrument konfrontiert, dass auch nach 16 Jahren nicht reibungslose funktioniere und daher nachgebessert werden müsse, um Planungsfehler zu vermeiden. Er plädiere dafür, die Privilegierung der Windkraftanlagen im Außenbereichen aufzuheben. Das Baugesetzbuch sollte durch den Bundestag entsprechend geändert werden.

Die Grafik über die Verteilung der Windkraftanlagen im Kreis Paderborn finden Sie hier. 

Hier finden Sie die Vorträge der Referenten und weitere Infos.

 

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