07. Februar 2019
Kreis Paderborn veröffentlicht Auswertung der Umfrage zur Lebenssituation pflegender Angehöriger
Pflege – dieses Thema ist fast schon ein Dauerbrenner in der Politik und in den Medien. Kein Wunder: Unsere Gesellschaft wird immer älter, immer mehr Menschen brauchen Pflege und so wird viel diskutiert über die Reform der Pflegeversicherung, die Anforderungen an stationäre Pflege oder den Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal. Doch eines bleibt dabei häufig unbeachtet – die Lebenssituation der pflegenden Angehörigen. Dabei werden 75 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt – entweder von den Angehörigen alleine oder mit Unterstützung von ambulanten Diensten. „Unser größter Pflegedienst in Deutschland sind die zahlreichen Angehörigen, die sich liebevoll um ihre Eltern, Schwiegereltern oder auch Ehepartner kümmern“, wundert sich Landrat Manfred Müller über die Diskrepanz. Der Kreis Paderborn will dies ändern und hat daher Ende letzten Jahres pflegende Angehörige zu ihrer Lebenssituation befragt. Nun liegt die Auswertung dieser Umfrage vor.
304 pflegende Angehörige aus dem gesamten Kreisgebiet haben an der Umfrage teilgenommen. Drei Viertel davon waren Frauen und die meisten Teilnehmer befanden sich im Alter von 45 bis 64 Jahren. Für die Pflege ihrer Angehörigen wenden 28 Prozent der Befragten über acht Stunden am Tag auf und 41 Prozent zwischen sechs und acht Stunden. „Im Ergebnis ist für fast 70 Prozent der Befragten die Pflege ein Vollzeitjob, der eine permanente Anwesenheit oder zumindest Ansprechbarkeit, quasi eine 24-stündige, permanente Rufbereitschaft bedeutet“, fasst Margot Becker vom Paderborner Kreissozialamt die Erkenntnisse zusammen. Durchgeführt wurde die Befragung in Kooperation mit Delia Strickling, Studentin der Sozialen Arbeit an der Katholischen Hochschule Paderborn, während ihres Projektpraktikums im Kreissozialamt.
Ein so großer Zeitaufwand bleibt natürlich nicht ohne Konsequenzen. Nach Übernahme der Pflege mussten viele Frauen ihre Arbeitszeit drastisch reduzieren. Auch das Privatleben leidet deutlich. 27 Prozent geben an, keine Zeit für Freunde zu haben, und rund 40 Prozent spüren negative Auswirkungen auf ihre psychische und körperliche Gesundheit. Verstärkt wird diese Belastung dadurch, dass die Angehörigen nur wenig Möglichkeit für eine Pause sehen. 26 Prozent geben an, niemanden zu haben, der sie mal für ein oder zwei Stunden vertreten kann. Und 50 Prozent finden eine solche Vertretung nur mit großen Schwierigkeiten. „Interessanterweise ist diese Vereinsamung und Unterstützungslosigkeit bei Bewohnern in der Stadt Paderborn häufiger als bei Pflegenden in den kleineren Städten und Gemeinden. Hier funktioniert die familiäre oder nachbarschaftliche Unterstützung offensichtlich noch besser“, berichtet Strickling. Auch geben pflegende Männer häufiger als Frauen an, dass sie problemlos jemanden finden könnten, wenn sie mal eine Auszeit bräuchten. „Scheinbar liegt bei den Frauen eine größere beziehungsweise alleinige Verantwortung für die Pflege“, so Strickling.
Es gibt bereits zahlreiche Angebote im Kreisgebiet um Pflegende zu unterstützen. Zwar gibt ein Großteil der Befragten an, über diese Angebote Bescheid zu wissen, aber bei genaueren Fragen stellt sich doch heraus, dass hier ein großes Informationsdefizit bei den Betroffenen besteht. Auch wünschen sich viele, eine schnellere, umfassendere und vor allem automatische Information durch Ärzte, Krankenkassen oder Berater über bestehende Ansprüche und Angebote. Viele fühlen sich hier alleine gelassen und müssen diese wichtigen Informationen erst mühsam bei den einzelnen Ansprechpersonn erfragen.
Die Sozialplanerin beim Sozialamt des Kreises Paderborn sieht in den Ergebnissen der Umfrage wichtige Aufgaben und Handlungsfelder, die es anzugehen gilt: „Wir werden uns als Kreis stärker dafür einsetzen, dass es präventive Gesundheitsangebote für pflegende Angehörige gibt wie Entspannungs- und Bewegungskurse.“ Außerdem verstärkt der Kreis schon seit einiger Zeit seine Anstrengungen, existierende Entlastungs- und Unterstützungsangebote bekannter zu machen. Seit 2017 gibt es das Online-Pflegeportal des Kreises, das wichtige Informationen für pflegende Angehörige enthält sowie sämtliche Angebote und Beratungsstellen nach Orten sortiert erfasst. „Ganz frisch werden nun auch in allen Städten und Gemeinden Sprechzeiten unserer Pflegeberatung angeboten und durch eine neue Sozialraumberatung für Alltagshilfen ergänzt. Hier können sich Angehörige im persönlichen Gespräch informieren, ohne den für sie oft mühsamen Weg in die Stadt Paderborn auf sich nehmen zu müssen“, so Becker. Ein Ziel des Kreises sei es auch, die nachbarschaftlichen, ehrenamtlichen Strukturen zu stärken, um Angehörige zu entlasten und für sie Möglichkeiten für kurze Auszeiten zu schaffen. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf Angehörige von Menschen mit Demenz liegen. Ebenso können mit den Ergebnissen Angebote besser an die alters-, geschlechts- und wohnortspezifischen Bedürfnisse der Pflegenden angepasst werden. Auch das Hinwirken auf eine verbesserte Vereinbarkeit von Pflege und Beruf erscheint dem Kreis nach der Umfrage wichtig.
Eines wird aus der Umfrage aber auch deutlich: Die meisten Pflegenden nehmen diese Aufgabe – trotz aller Be- und Überlastung – gerne wahr. „Hier sehen wir viele Menschen, die mit Herzblut, Liebe und großem Einsatz für ihre kranken Familienangehörigen da sind. Diese Menschen verdienen unsere größte Wertschätzung und brauchen unsere absolute Unterstützung. Wir werden daher weiterhin daran arbeiten, ihre Situation durch gezielte Beratung und Entlastung zu verbessern“, verspricht Landrat Müller.
Wichtige Informationen:
Angehörige finden auf demPflegeportal des Kreises für sich wichtige Informationen zu Beratungsstellen und Unterstützungsangeboten. Insbesondere finden sie dort auch unter der Rubrik „Hilfen und Angebote“ die Sprechzeiten der neuen Pflege- und Sozialraumberatung, die in allen Städten und Gemeinden angeboten wird.
Fragen beantwortet gerne: Margot Becker, Sozialamt des Kreises Paderborn, unter0 5251 308-5017 oder per Mail.
75 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt - zumeist von nahen Angehörigen. Der Kreis Paderborn hat daher 2018 eine Umfrage unter den Pflegenden zu ihrer Lebenssituation gestartet.
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