14. Januar 2020
Kreis Paderborn stellt Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster
Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden (VG Minden) hat den Kreis Paderborn verpflichtet, die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen in Etteln mit der Maßgabe betrieblicher Einschränkungen zu erteilen. Der Kreis Paderborn hatte die Anlagen im Januar 2018 bzw. September 2019 aus artenschutzrechtlichen Gründen abgelehnt, weil diese sich in der Nähe von Brutplätzen des Rotmilans und des Baumfalken sowie von Schlafplätzen des Rotmilans befinden. Das VG Minden kommt in seinen am 3. Januar zugestellten Urteilen zum Ergebnis, dass durch die seitens des Investors in der mündlichen Verhandlung am 27.11.2019 vorgeschlagenen, weit reichenden Abschaltungen sowohl das Brutplatz- als auch Schlafplatzgeschehen ausreichend Berücksichtigung fänden. Artenschutzrechtliche Verbotstatbestände stünden somit den geplanten Windrädern nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht Minden hat gegen seine Urteile keine Berufung zugelassen. Für den Kreis Paderborn werfen die erstinstanzlichen Entscheidungen jedoch auch grundsätzliche Fragen auf:
Kann der Artenschutz im Ergebnis künftig zur Nebensache werden, wenn Windräder nur lange genug abgeschaltet werden? Ist ein solcher Eingriff in die Landschaft noch verhältnismäßig, wenn Windräder monatelang tagsüber still stehen und in dieser Zeit keinen Strom erzeugen? Und wie viel Wind darf es denn noch sein, damit die im Baugesetzbuch festgesetzte Privilegierung von Außenanlagen auch für Windräder weiter greift?
Der Kreis Paderborn will Antworten und wird deshalb einen Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster stellen.
Die Abschaltszenarien sind weit reichend: Die vier Anlagen in Etteln sollen vom „1. März bis 15. September eines jeden Jahres vom Beginn der bürgerlichen Morgendämmerung bis zum Ende der bürgerlichen Abenddämmerung und im Zeitraum vom 16.9. bis 31.10. vom Beginn der bürgerlichen Morgendämmerung bis zum Sonnenaufgang und drei Stunden vor Sonnenuntergang bis zum Ende der bürgerlichen Abenddämmerung abgeschaltet bleiben.
Landrat Manfred Müller: "Wenn solche Teilzeitgenehmigen für Windräder kommen bzw. von Gerichten gut geheißen werden, müssen wir mit einer Flut weiterer Genehmigungsanträge rechnen“, sagt Landrat Manfred Müller. Die auch in Paderborn befürwortete und weithin sichtbare Energiewende dürfe die Menschen nicht überfordern. „Wenn überall in der Landschaft künftig still stehende Windräder rumstehen, ist das ein riesiges Ärgernis für weite Teile der Bevölkerung und gefährdet die grundsätzliche Akzeptanz von Windkraft."
Der Gesetzgeber hat in 1997 die so genannte Privilegierung der Windenergie-Nutzung eingeführt. Das heißt, dass Windkraftanlagen nach § 35 Baugesetzbuch im Außenbereich grundsätzlich zulässig sind, weil sie der Erzeugung von regenerativen Energien dienen. Wenn nun wie in Etteln massive Betriebsbeschränkungen dazu führen, dass die Jahresleistung von Windrädern deutlich sinkt, „stellt sich für mich die Frage, ab wann die Privilegierung nicht mehr greift. Bislang gibt es hierzu keinerlei Rechtsprechung. Hier will ich Klarheit. Auch deshalb möchten wir die Entscheidung des VG Minden gerichtlich überprüfen lassen“, betont der Landrat.
Mit der Ausweisung von so genannten Windkonzentrationszonen in Flächennutzungsplänen können Städte und Gemeinden den Bau von Windkraftanlagen räumlich steuern. Das VG Minden kommt in seinem Urteil zum Ergebnis, dass neben artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen weder die Ausschlusswirkung des Sachlichen Teilnutzungsplanes (STFNP) vom 25. Juni 2019 noch die 8. oder 23. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Borchen dem Vorhaben entgegenstehen würden. Die Planung des STFNP weise erhebliche und beachtliche Mängel im Abwägungsvorgang auf. Es mangele an einem schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzept für die Ausweisung von Windkonzentrationszonen.
Landrat Manfred Müller: „Auch hier wünsche ich mir Klarheit von Gerichten und vom Gesetzgeber. Wenn Kommunen mit ihren Plänen regelmäßig vor Gericht scheitern, auch wenn sie diese von renommierten und spezialisierten Fachbüros erstellen lassen, muss nachgesteuert werden."
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