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Pressemeldung vom 31.01.2014

„Politisch aktive Frauen braucht das Land“ - Frauenpolitischer Themennachmittag des Kreises traf den Nerv der Zeit -

Kreis Paderborn (krpb). Frauen leben durchschnittlich fünf Jahre länger als Männer. Dass wegen Familienzeiten und der oft schlechter bezahlten „typischen Frauenberufe“ sie im Alter deutlich weniger Rente beziehen, war den meisten der rund 130 Besucherinnen, die auf Einladung von Landrat Manfred Müller zum „2. Frauenpolitischen Themennachmittag“ in das Berufskolleg Schloß Neuhaus gekommen waren, bekannt. Doch wie wenig das tatsächlich ist, ja sogar Altersarmut droht, wurde allen schlagartig klar, als die Referentin Ingeborg Heinze zum Thema „Frauen und Rente“ ihren Rentenbescheid offenlegte. Die 67-Jährige ist Juristin mit zusätzlichem Wirtschaftsstudium, Mutter von vier Kindern. „Ich habe zunächst als Juristin in Vollzeit und nach der Familienphase in Teilzeit gearbeitet, und ich bekomme 825 Euro Rente.“ Nach diesem Satz herrschte erst einmal geschockte Stille. Da sie Schwäbin und ihr Hobby das Sozialversicherungsrecht sei, habe sie gewusst, wie gering ihre Rente ausfallen würde. „Aber als ich sah, dass meinem Rentenbescheid noch ein Antrag auf Grundsicherung beigefügt war, war ich dann doch erschüttert.“

Allen Pauschal-Rentenberechnungen, erklärte Ingeborg Heinze in ihrem erhellenden Vortrag, werde immer der so genannte „Eck-Rentner“ zugrunde gelegt: Mindestbruttogehalt ca. 2700 Euro bei Vollzeitbeschäftigung mit mindestens 45 Jahren Beitragszahlung. Von diesem Ideal-Typus existieren in der Realität laut Heinze lediglich sechs Personen: „Selbstverständlich männlich.“ Doch die weibliche Altersarmut liege nicht nur am unrealistischen Rentensystem. Ein weiterer Grund sei, dass junge Frauen sich nach wie vor für schlecht bezahlte Frauenberufe entscheiden statt für gut bezahlte MINT-Berufe (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik).

„Auch deshalb haben Frauen erst am 21. März 2014 den Verdienst in der Tasche, den Männer schon am 31. Dezember 2013 ‚verdient’ hatten“, erinnerte Christiane Sander, Gleichstellungsbeauftragte in der Kreisverwaltung Paderborn, an den jährlichen Equal-pay-Day. „Es ist wichtig, frauenpolitische Themen in den Vordergrund zu rücken, damit sich auf Dauer etwas ändert“, betonte Sander. In ihrem Vortrag „Frauenpolitik – muss das sein?“ machte sie deutlich, dass neben der oft schlechten Bezahlung auch die fehlende Teilung von Erwerbs- und Familienarbeit mit dafür verantwortlich sei, dass Frauen im Alter finanziell schlechter gestellt seien als Männer. Denn die Rente werde an versicherungspflichtiger Arbeit bemessen und nicht an unentgeltlicher Arbeit in Familie oder Ehrenamt. Neben der persönlichen Verantwortung für die eigenen Lebens- und Erwerbsentscheidungen müsse die Politik in die Verantwortung genommen werden. „Was glauben Sie, wie viele Frauen gestalten seit der letzten Kommunalwahl die politischen Entscheidungen in den Stadt- und Gemeinderäten im Kreis Paderborn mit?“, fragte Sander die Besucherinnen und Besucher.

Leider habe sich das klassische Rollenbild von Mann und Frau verschärft. „Die meisten Jungen in Deutschland wollen zwar Väter werden, wünschen sich aber eher ein tradiertes Familienbild: Er verdient den Lebensunterhalt – sie kümmert sich um die Familie“. Männlichkeit werde immer noch eng mit „Erwerbsorientierung“ verknüpft. „Bei uns Erwachsenen ist das leider nicht anders“, so Sander. Demnach könnten sich einer aktuellen Allensbach-Umfrage zufolge heute nur 48% der Frauen und 40% der Männer in Deutschland vorstellen, dass der Mann zu Gunsten der Frau bei seiner Karriere zurücksteckt, um z.B. Familienarbeit zu übernehmen.1990 seien es noch 54 % der Frauen und 47% der Männer gewesen. Diese klassische Rollenverteilung werde früh gelegt, sickere schleichend in den Alltag von Mann und Frau. In den Fernsehsoaps fänden sich immer mehr die angepassten Frauen, die sich um dünnes Aussehen und „sexy und angesagt sein“ bemühten, für die der reiche, gut aussehende Mann das Ziel sei. Dazu passe dann wohl auch, dass Barbie seit über 40 Jahren die Mitbewohnerin in fast jedem Mädchenzimmer sei. Und damit ein vermeintliches Schönheitsideal vorgaukele, das so in vielerlei Hinsicht nicht „alltagstauglich“ sei. So könnte Frau mit diesen Maßen im wahren Leben überhaupt nicht überleben. Der Brustkorb ließe keine Atmung zu, die Füße keinen festen Stand.

Wie es um die reale Frau im Kreis Paderborn bestellt ist, wie sie denken und was sie (ver)ändern möchten, war Gegenstand einer Online-Umfrage des Kreises in Zusammenarbeit mit den Gleichstellungsbeauftragten im Kreisgebiet. Elke Kleibrink, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Paderborner Kreisverwaltung, stellte die Ergebnisse vor. Das Thema „Frauen und Rente“ nannten 29 Prozent der 140 Teilnehmerinnen als für sie wichtig, gefolgt von „Frauenpolitik vor Ort“ mit 25 Prozent sowie „Frauenquote in Führungspositionen“. „Frauen wollen gestalten“, sagt Kleibrink dazu. Das Bild zeige sich auch bei den so genannten freien Antworten. Also jene Bereiche, wo Frauen nicht nur ankreuzen sondern auch frei formulieren konnten, was sie bewegt. Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit wurde immer wieder genannt. Viele Beiträge sprechen auch das Rollenverständnis der Frau an, den täglich zu leistenden Spagat zwischen Beruf und Familie. „Mütter erziehen die Menschen von morgen“, heißt es da beispielsweise. Also sollte das Muttersein nicht belächelt werden. Thematisiert wird auch die chronische Überforderung vieler Frauen. „Und glauben Sie mir, jeder Mensch auf der Erde hätte gern eine glückliche Familie. Lachende Kinder zu Hause und gesunde Eltern. Uns fehlt einfach die Zeit, weil wir unter dem Stress stehen, weil wir kaputt sind, weil wir Angst haben, unseren Job zu verlieren“, heißt es da. Frauen wünschen sich auch mehr Förderung im Beruf und Unterstützung für Kinder in der Ausbildung oder im Studium. Frauen sollten sich stärker vernetzen, Frauenstammtische bilden, meinten viele. Veranstaltungen sollten nicht nur in Paderborn sondern auch auf dem „platten Land“ angeboten werden. Und da müssten natürlich auch die Busverbindungen stimmen, die ebenfalls als nicht ausreichend angesehen wurden.

Vorgestellt wurde zudem die Broschüre „Frauen und Politik im Fokus: Meinungen, Erfahrungen – Wünsche“. Die Paderborner Journalistin Cornelia Filter, ehemalige EMMA-Autorin, führte im Winter 2012 Interviews mit engagierten Frauen aus Städten und Gemeinden im Kreis Paderborn. Sie dienten zur Vertiefung der im Sommer 2012 kreisweit durchgeführten Umfrage „Was geht – was fehlt?“ bei Vereinen und Gruppen, in denen sich Frauen ehrenamtlich für Frauen einsetzen. Aus den Interviews ist anlässlich des „2. Frauenpolitischen Themennachmittags“ eine Broschüre mit beeindruckenden Frauenportraits entstanden. Der eigene Werdegang und Alltag werden reflektiert. Und immer wieder spricht Mut aus den Zeilen. Mut, trotz aller Probleme mitreden, gestalten zu wollen. „Die Zukunft von Frauen wird davon abhängen, wie weit sie immer wieder bereit sind, Nachteile zu erkennen, Verbesserungen einzufordern und dafür zu kämpfen – lautstark!“, formuliert es Marlene Lubek, die „Grande Dame“ der Paderborner Kommunalpolitik. Die Broschüre ist kostenfrei bei der Gleichstellungsstelle der Kreisverwaltung Paderborn erhältlich.


Der 2. Frauenpolitische Thementag wurde in Zusammenarbeit mit politisch engagierten Frauen und der Arbeitsgemeinschaft kommunaler Gleichstellungsstellen im Kreis Paderborn vorbereitet.
Auf der Kreishomepage unter www.kreis-paderborn.de/frauenpolitische-themen können Informationen zum Themennachmittag und weiteren Frauenthemen abgerufen werden.

 

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