16. November 2015
Neue Notunterkunft: Bürgerversammlung am Berufskolleg in Schloß Neuhaus in konstruktiver Atmosphäre
So gut wie keine kritischen Nachfragen, aber jede Menge Hilfsbereitschaft in Schloß Neuhaus: Die gut besuchte Bürgerversammlung zur neuen Notunterkunft im Berufskolleg in Schloß Neuhaus verlief nicht nur in sachlicher Atmosphäre. Vielmehr äußerten viele Besucher auch den Wunsch, mit anpacken und helfen zu wollen. Zuvor hatten Landrat Manfred Müller, Schulleiter Norbert Damke, Willi Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des DRK Kreisverbandes Paderborn e.V. und Carsten Schlüter von der Kreispolizeibehörde Paderborn e.V. ihre Planungen und Konzepte vorgestellt. Die ersten Flüchtlinge werden voraussichtlich am kommenden Dienstag, 17. November eintreffen. Die Polizei wird von Anfang an Präsenz zeigen. Die Vorbereitungen des Deutschen Roten Kreuzes und der Paderborner Kreisverwaltung laufen derweil auf Hochtouren. Waschmaschinen, Trockner, Sanitäranlagen und Kühlschränke sind bereits bestellt und werden noch in dieser Woche aufgestellt. Das Verpflegungszelt wird am Samstag vor der Sporthalle aufgebaut. Und auch der Einkaufszettel für die Verpflegung und Versorgung von bis zu 200 Menschen dürfte bereits eine kleine Herausforderung sein. „Stellen Sie sich Ihren Haushalt vor und dann alles für 200“, brachte es Schmidt auf den Punkt.
Pro Woche treffen derzeit allein in NRW 16.000 Flüchtlinge ein. Landrat Manfred Müller verdeutlichte anhand der Zahlen noch einmal, warum die Sporthalle des Berufskollegs als Notunterkunft dringend benötigt werde. Ihm sei bewusst, dass Schul- und Vereinssport beeinträchtigt würden. „Aber es ist unsere humanitäre Pflicht, diesen Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten“, so der Landrat. Fest stehe jedoch auch, dass Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern nicht bleiben könnten. „Sonst fehlt uns die Kraft für jene, die unsere Hilfe am dringendsten brauchen“, so Müller.
Willi Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des DRK Kreisverbandes Paderborn e.V, verdeutlichte, dass die Flüchtlinge mit Ängsten und Sorgen kämen, die mindestens genau so groß seien wie jene der einheimischen Bevölkerung. „Diese Menschen kommen mit nichts als ihrer Kleidung auf dem Leib, manchmal auch in Flip-Flops“, so Schmidt.
Die Rotkreuzler sind mit acht ehrenamtlichen Kräften in der Tagesschicht vor Ort. In der Nacht sind es zwei. Doch allein mit Ehrenamtlichen sei das nicht zu schaffen, die ja von ihren Arbeitgebern für diese Aufgaben frei gestellt würden. Deshalb sei das DRK auf der Suche nach hauptamtlichen Helfern, die bis Ende Februar 2016 aushelfen könnten. Das DRK leiste diese Aufgabe gern. Denn wenn man dann die Dankbarkeit dieser Menschen erlebe, gehe das einfach zu Herzen. „Wenn Sie helfen, tut das auch Ihnen gut“, sagte Schmidt. In Schloß Neuhaus kam diese Botschaft an. „Können wir Kleidung spenden, und ab wann?“ war eine der häufigsten Fragen. Schmidt bejahte diese Frage sichtlich erfreut. Gebraucht würde insbesondere Herrenkleidung in kleineren Größen, Herrenschuhe und vor allem Taschen bzw. Sporttaschen, um Sachen transportieren zu können. „Lassen Sie uns erst mal anfangen, so nach zwei oder drei Tagen nehmen wir die Sachen gern an“, so Schmidt.
Schulleiter Norbert Damke erklärte, dass der Schulsport provisorisch weitergeführt werde. Es habe dazu eine Fachkonferenz der Sportlehrer gegeben. In den nächsten 14 Tagen finde der Unterricht in den Klassenräumen, und je nach Wetterlage auch draußen statt. Man versuche andere Hallenkapazitäten mit nutzen zu können. Er setze zudem auf die Kreativität seiner Lehrerinnen und Lehrer. Damke betonte gleichzeitig, dass man sich die Situation zwar so nicht gewünscht habe. Doch die Flüchtlinge, die man aus den Medien kenne, seien jetzt „hier vor unserer Haustür. Und da leisten wir selbstverständlich unseren Beitrag“, so Damke. Auch habe seine Schule bereits jetzt einen Migrationshintergrund. „Wir sind bereits Multikulti“, so Damke. Und viele Schüler hätten bereits ihre Hilfe als Dolmetscher angeboten. „Wir kriegen das hin mit der Kommunikation“, zeigte sich der Schulleiter überzeugt.
Carsten Schlüter von der Kreispolizeibehörde Paderborn ist von Landrat Manfred Müller als Ansprechperson rund um das Thema Flüchtlinge ernannt worden. Er betonte, dass die Polizei mit ihrem Präsenzkonzept gute Erfahrungen gemacht habe. „Wenn Sie jetzt demnächst viele Polizisten sehen, dann heißt das nicht, dass etwas passiert ist“, sagte Schlüter. Es kämen Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen, die den Alltag und die hiesigen Regeln erst kennenlernen müssten. Schlüter kündigte auch an, dass vermehrt Streifenwagen durch die Straßen führen. „Die Frage, was wir für die Bevölkerung tun können, geht auch anders herum: Was können wir für die Flüchtlinge tun“, sagte Schlüter. Denn auch der vor Ort installierte Sicherheitsdienst diene mit dazu, die Flüchtlinge zu schützen. Schlüter bekräftigte gleichzeitig, dass die Polizei jederzeit ansprechbar sei. „Wenn Sie Sorgen haben, Ihnen etwas aufgefallen ist, haben sie keine Angst, sprechen Sie uns an“, sagte Schlüter in Richtung Publikum. Das gelte selbstverständlich auch für ihn persönlich. Der Polizeihauptkommissar ist telefonisch erreichbar unter der Tel.: 05251 - 306 – 2011, per E-Mail: Carsten.Schlueter@polizei.nrw.de.
Ein Besucher erklärte, dass er nach Lippstadt in eine Notunterkunft gefahren sei, um sich mit zwei Syrern zu treffen, die er flüchtig kannte. Er habe einfach mal wissen wollen, was da eigentlich so los sei. Er habe sich ein Wörterbuch gekauft und den beiden Lippstadt gezeigt. „Das war ein schöner Tag, für die Syrer und für mich. Wenn jede Familie in Schloß Neuhaus eine Familie oder einen Flüchtling einlädt und ihm die Stadt zeigt, wäre doch schon viel gewonnen“, meinte er. Auf die Frage, ob das so einfach gehe, versicherte Schmidt, dass man solche Begegnungen ermöglichen würde. Denn Ziel sei ja auch, dass erst gar nicht so etwas wie ein Lagerkoller aufkäme.
Ein Erlass des Landes sieht vor, dass Schule und Unterbringung für die Flüchtlinge durch einen Zaun getrennt werden müssen. Etwa die Hälfte des Schulhofes geht dadurch verloren. Rund 2000 Schülerinnen und Schüler besuchen die Einrichtung, gut die Hälfte sind Vollzeitschüler und damit täglich vor Ort. Eine Schülerin fragte dann auch, was denn mit den Schülern sei. Wo sie in den Pausen hinsollten. „Im Winter seid ihr eh immer drin“, kam es etwas lapidar aus dem Publikum. Landrat Manfred Müller erläuterte, dass die kleineren Notunterkünfte wie jetzt in Schloß Neuhaus nach den Plänen des Landes Ende Februar 2016 geschlossen werden würden. Dann setzte man auf größere Zentren, die Zeltstädte würden voraussichtlich bleiben. Also würde sich die Situation dann voraussichtlich im Frühjahr klären.
Die Frage aus dem Publikum, wer denn da komme, kann derzeit niemand beantworten. „Wir bekommen schlicht einen Anruf, dass ein Bus unterwegs ist“, erläuterte Müller. Die Verweildauer in der Notunterkunft liege laut Plan zwischen zwei bis vier Wochen. „Wie soll denn da Kennenlernen möglich sein, wenn immer wieder neue kommen“, fragte eine Besucherin. Auch die Frage, wo denn künftig, in drei, sechs oder neun Monaten, jene Flüchtlinge untergebracht werden, die aus der Notunterkunft oder den Ersteinrichtungen den Kommunen fest zugewiesen werden, musste erst einmal unbeantwortet bleiben. „Wird schwierig“, erklärte dazu Markus Mertens, Ratsmitglied der Stadt Paderborn. Eine Lösung könnte der Weggang der Briten spätestens Ende nächsten Jahres bieten. Dann würden theoretisch Kasernen und Wohnunterkünfte frei.
Beinahe zum Schluss des Abends kam der Hinweis eines Besuchers, dass wenn alle EU-Staaten sich an das Dublin-Abkommen hielten, sie sich hier das Ganze doch sparen könnten, oder? Der Landrat erläuterte, dass diese Frage andere beantworten müssten, er aber dazu nur sagen könne, dass mit dem Ansturm so niemand gerechnet habe. Und selbst Deutschland tue sich schwer damit in diesen Tagen. Deshalb gelte sein besonderer Dank allen, die helfen, die Situation vor Ort zu bewältigen. Und ohne die vielen Ehrenamtlichen sei das nicht zu leisten. Er danke an diesem Abend insbesondere Schloß Neuhaus für dieses „konstruktive und herzliche Miteinander“, so Müller abschließend.
Informationen rund um das Thema Flüchtlinge finden Sie hier.
Kreis Paderborn
Aldegreverstraße 10 – 14
33102 Paderborn
Telefon: 05251 308 - 0
Telefax: 05251 308 - 8888
E-Mail senden