27. Juni 2018
Verziertes Wappen demonstrierte die umfassende Herrschaft des Kurfürsten Clemens August von Bayern, eine überraschende Geschichte verbirgt sich hinter der früheren Sammlungszugehörigkeit des Glases.
Die kostbare Sammlung von Deckelpokalgläsern des Kreismuseums Wewelsburg ist um ein herausragendes Stück reicher: Mit großzügiger finanzieller Unterstützung des Fördervereins Kreismuseum Wewelsburg konnte das Museum in einer telefonisch geführten Versteigerung in Wien einen Deckelpokal Clemens Augusts von Bayern (1700-1761), Kölner Kurfürst und Fürstbischof von Paderborn, Münster, Hildesheim und Osnabrück, erwerben. Das Glas wird als hochwertige, vergoldete Arbeit der Glashütte Emde bei Brakel eingeschätzt und prunkt mit dem fein ausgearbeiteten und verzierten Kompositwappen des Kirchenfürsten. Von Juli bis September ist das Glas als „Exponat des Quartals“ im Historischen Museum des Hochstifts Paderborn zu sehen, später wird es einen besonderen Platz in der Dauerausstellung des Kreismuseums einnehmen.
Das neu erworbene Schaugefäß symbolisiert alle fünf geistlichen Fürstentümer, die der Wittelsbacher Herzog seit 1728 in seiner Hand vereinte. Ergänzt wird das Wappen auf der Vorderseite des Glases durch das Großmeisterkreuz des Deutschen Ordens und das wittelsbachische Hauswappen im Zentrum. Bayerische Löwen halten das Wappen, das von Schwert, Stab und Kurhut gekrönt wird. Wappengläser und Deckelpokale bildeten einen besonders vornehmen Bestand innerhalb der Hofhaltungen der Fürsten des 18. Jahrhunderts. Sie wurden zu besonderen Anlässen von privilegierten Glashütten produziert, um dann mit teurem Wein gefüllt für Trinkzeremonien bei Hofe genutzt oder als Geschenke überreicht zu werden. Durch das eingearbeitete Wappen verdeutlichten sie die Macht des Landesherrn, zu dessen Ehre man daraus trank.
Das neue Exponat des Kreismuseums ist zwischen 1740 und etwa 1750 gefertigt worden. Diese Zeit markiert eine Blüte in der Produktion der Glashütte Emde, die 1727 durch Fürstbischof Clemens August und den Herren von der Asseburg konzessioniert wurde. Ein sehr klares Glas, die reiche Vergoldung, die in den Boden der Glasschale, der Kuppa, eingestochenen Luftblasen sowie ein noch relativ runder Ansatz der Kuppa helfen bei der Datierung. Damals prägte der auf der Emde tätige Glasschneider Johann Carl Ihmsen den guten Ruf dieser Hütte.
Die Geschichte der Sammlung, deren Teil der neue Wewelsburger Deckelpokal lange Zeit war, hielt für das Museum eine weitere Überraschung parat, die sich erst nach der Ankunft des Glases herauskristallisierte: Bis 1999 bildete der Pokal ein Stück der renommierten Sammlung des Bremer Juristen und Fachmanns für Seerecht Otto Dettmers (1892-1986), der seit den 1920er Jahren wertvolles Glas sammelte. Dettmers verhalf Ende 1938 dem aus Wien stammenden jüdischen Ehepaar Gerta und Moses „Munio“ Stern zu einer rettenden Schiffspassage nach Panama und damit zur Flucht aus Deutschland. Und Gerta Stern wiederum war in früheren Jahren sehr eng mit Hermann Leopoldi befreundet – jenem Komponisten, der 1938 als Gefangener im Konzentrationslager Buchenwald zusammen mit dem Dichter Fritz Löhner-Beda das „Buchenwald-Lied“ schuf, das umgedichtet zum „Wewelsburg-Lied“ auch von den Häftlingen des Konzentrationslagers Niederhagen gesungen werden musste.
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