15. Oktober 2018
„Kommissar Zufall“ hilft Schwarzarbeit-Ermittlern des Kreises Paderborn, allein im vergangen Jahr wirtschaftlichen Schaden von 3 Millionen Euro aufgedeckt
Schwarzarbeit – das ist für viele ein Kavaliersdelikt, eine nicht angemeldete Putzfrau oder kleinere Handwerkstätigkeiten nach Feierabend. Nicht beachtet wird dabei, dass Gewerbe- und Handwerksbetriebe durch illegale Machenschaften ihren ehrlichen Konkurrenten auf dem heimischen Markt großen Schaden zufügen. Wie alle Kreise ist der Kreis Paderborn für die Überwachung des Handwerks- und Gewerberechts zuständig. Darunter fällt auch die Bekämpfung der Schwarzarbeit, was eine Pflichtaufgabe der Kommunen ist. Wie intensiv und in welcher Form sie diesen Bereich bearbeiten, ist ihre Entscheidung. „Wir nehmen das sehr ernst. Schwarzarbeit gefährdet heimische Betriebe. Ihre Bekämpfung ist Wirtschaftsförderung pur“, betont Landrat Manfred Müller. Zudem würden Kunden geschützt: Denn Mängelansprüche können bei Schwarzarbeit nicht geltend gemacht und durchgesetzt werden.
Allein im Bereich der Meisterpflicht, also der gesetzlich verankerten Verpflichtungen in einem Handwerksbetrieb einen Meister zu beschäftigen, hat der Kreis Paderborn im vergangenen Jahr einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von drei Millionen Euro aufgedeckt. „Das geht natürlich nur, wenn wir vor Ort Präsenz zeigen, also personell gut aufgestellt sind“, bekräftigt der Landrat. Das spezielle Team des Kreises Paderborn mit zwei Ermittlern in Vollzeit findet mittlerweile bundesweit Beachtung. Zusammen mit dem Hauptzollamt, dem Finanzamt und der Handwerkskammer haben sie in Paderborn ein Netzwerk aufgebaut, das intensiv gegen Schwarzarbeit vorgeht.
„Wir fahren täglich raus, um Baustellen im gesamten Kreisgebiet zu überprüfen“, erzählt G., der nicht mit vollem Namen in der Zeitung genannt werden will. Denn wenn er und sein Kollege Übeltäter erwischen, dann geht es meist um Schwarzarbeit im größeren Stil und für den erwischten Betrieb um hohe Bußgelder. Routinemäßig fährt das Ermittler-Duo die ihnen bekannten Baustellen ab oder geht einem Hinweis aus der Bevölkerung nach. Manchmal kommt ihnen aber auch der „Kommissar Zufall“ zur Hilfe, wie in der vergangenen Woche auf einer Baustelle in Salzkotten.
„Eigentlich waren wir auf dem Weg zu einem anderen Termin, als uns diese Baustelle ins Auge fiel“, erzählt G. Sie sei in einem „branchenunüblichen Zustand“ gewesen, so der 46-Jährige. Genauer will er das nicht erklären, um den schwarzarbeitenden Betrieben keinen Hinweis darauf geben, welche Anzeichen das Misstrauen der Ordnungsamtsmitarbeiter wecken. Kurzerhand überprüften G. und sein Kollege die Baustelle und fanden vier Albaner vor, die sich illegal in Deutschland aufhielten. Diese erzählten, sie seien in Hamburg angesprochen und nach Salzkotten gebracht worden, wo sie für zehn Euro die Stunde die Fassade eines Hauses dämmten. Untergebracht waren sie in demselben Haus, wo sie auf dem Boden schliefen und lediglich eine Kochplatte zur Verfügung hatten.
Betriebe, die Schwarzarbeiter beschäftigen oder auf einen Meister verzichten, können ihre Dienstleistungen weit unter dem üblichen Preis anbieten. „Dadurch gehen natürlich ehrlich arbeitenden Betrieben Aufträge verloren und auch die Qualität der Arbeit leidet, wenn keine ordentlich ausgebildeten Handwerker eingesetzt werden“, betonen Claudia Junker und Kathrin Süggeler, Sachgebietsleitungen für die Zentrale Bußgeldstelle beim Kreis Paderborn.
Bundesweit interessieren sich viele Kommunen und Handwerkskammern für die Arbeit der Projektgruppe. So sind Junker und Süggeler bereits bis nach Stuttgart gefahren, um deren Arbeit vorzustellen oder Kollegen aus anderen Kommunen wie zum Beispiel Meißen haben bei ihnen in Paderborn hospitiert. Für November steht eine Einladung der Berliner Senatsverwaltung zu diesem Zwecke an.
In den letzten Jahren verzeichnet die Ermittlergruppe im Kreis Paderborn einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen und auch des aufgedeckten wirtschaftlichen Schadens. „Hier zeigt sich, dass in Zeiten des Wirtschaftswachstum verstärkt Handwerksbetriebe auf den Markt drängen, die die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen“, erklärten Claudia Junker und Kathrin Süggeler. Aber, so betonen sie, anders als in den ersten Jahren nach Gründung des Ermittlungsteams seien es kaum noch Firmen aus dem Kreis Paderborn, die auffällig würden. „Wir führen auffallend häufig Ermittlungsverfahren gegen Firmen aus anderen Kreisen, in denen die Bekämpfung der Schwarzarbeit im geringeren Umfang erfolgt.“
Für G. ist auch nach zehn Jahren Ermittlungsarbeit die Bekämpfung der Schwarzarbeit „der spannendste Job, den ich mir vorstellen kann.“ Nie wisse er, was ihn auf der nächsten Baustelle erwarte und wie der Einsatz zu Ende geht. Wie auch im aktuellen Fall der vier Albaner in Salzkotten. Aus einem zufälligen Verdacht wurde ein Großeinsatz mit mehreren Polizeistreifen vor Ort und Arbeit für das Kreisausländeramt, die den erwischten Illegalen noch am selben Tag die Ausreiseaufforderung aushändigte. Für G. und seine Kollegen im Ordnungsamt des Kreises steht nun die Aufgabe bevor, den Unbekannten zu ermitteln, der die vier Albaner in Hamburg anheuerte und sie schwarz unter unwürdigen Bedingungen arbeiten ließ.
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