14. Januar 2019
Weltoffener Kreis Paderborn: Das Handlungskonzept für Prävention gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist in der jüngsten Paderborner Kreistagssitzung auf den Weg gebracht worden. Zwei Jahre lang setzten sich Vertretung von Kommunen, aus der Politik, von Migrantenselbstorganisationen, Kirchen, der Polizei, von Jugendtreffs, Vereinen, Verbänden sowie anderer Organisationen schwerpunktmäßig mit den Themen Rechtsextremismus und Rassismus auseinander.
Landrat Manfred Müller: „Im Kreis Paderborn ist kein Platz für Menschenfeindlichkeit jeglicher Art“
Weltoffener Kreis Paderborn: Das Handlungskonzept für Prävention gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist in der jüngsten Paderborner Kreistagssitzung auf den Weg gebracht worden. Zwei Jahre lang setzten sich Vertretung
von Kommunen, aus der Politik, von Migrantenselbstorganisationen, Kirchen, der Polizei, von Jugendtreffs, Vereinen, Verbänden sowie anderer Organisationen schwerpunktmäßig mit den Themen Rechtsextremismus und Rassismus auseinander. Ziel ist es, die im Konzept enthaltenen Maßnahmen und Empfehlungen in den fünf Handlungsfeldern Erziehung und Bildung, Sport und Freizeit, Medien und Kultur, Sicherheit und Ordnung, Integration, Emanzipation und Religion, in 2019 schrittweise umzusetzen.
Kirsten John-Stucke, Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg: "Das ist eine Daueraufgabe".
„Im Kreis Paderborn darf es keinen Platz geben für Hass und Gewalt, Alltagsrassismus, Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit jeglicher Art“, betont Landrat Manfred Müller. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes fuße auf der Unantastbarkeit der Menschenwürde, freien Entfaltung der Persönlichkeit und Gleichheit aller Menschen, bekräftigt der Landrat.Ziel des Konzeptes seies, diese Werte in die Gesellschaft zu tragen und zu schützen und alle zerstörerischen Kräfte, egal aus welcher Richtung sie kommen, wirksam einzudämmen. Der Landrat betonte in der Kreistagssitzung, dass man deshalb auch alle Erscheinungsformen von Ausgrenzung und Alltagsrassismus, die dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen seien, mit im Blick habe.
Er danke allen, die an dem Konzept und natürlich an der Umsetzung mitwirkten. Die darin entwickelten Ansätze seien selbstverständlich nicht in Stein gemeißelt. „Für einen weltoffenen Kreis Paderborn, Toleranz und Vielfalt, für ein respektvolles Miteinander einzustehen, das ist eine Daueraufgabe“, betont Kirsten John-Stucke, Leiterin des Kreiskulturamtes und des Kreismuseums Wewelsburg. Das im Zuge des Projekts entstandene Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Rassismus werde auch nach der eigentlichen Projektphase weiter arbeiten und soll zudem ausgebaut werden.
Gefährliche Körperverletzungen, Nötigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen, Volksverhetzungen und schwere Brandstiftungen mussten auch im Kreis Paderborn registriert werden.
Das Konzept benennt im ersten Teil zunächst die Probleme: So gibt es im Kreis Paderborn viele Institutionen, Vereine, Bündnisse, Organisationen und private Personen, die sich für eine demokratische Alltags- und Willkommenskultur einsetzen. Gleichzeitig finden sich in der Gesellschaft aber auch rassistisch motivierte, menschenverachtende Einstellungen. Gefährliche Körperverletzungen, Nötigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen, Volksverhetzungen und schwere Brandstiftungen mussten auch im Kreis Paderborn registriert werden. Graffitis, Sticker mit rassistischen, rechtsextremistischen, homophobischen, frauen- und fremdenfeindlichen Inhalten klebten an Autos, Mülltonnen, Bushaltestellen, Gebäuden oder auch Brücken. Dazu kommt Hass und Hetze im Internet. Rassismus im Alltag geschehe nicht immer mit Absicht. Das könne der abwertende Blick im Bus sein, die zuweilen unbewusste Verwendung von rassistischen Begriffen oder auch das Verhalten bei der Vergabe von Arbeitsplätzen und Wohnraum. Nicht zu unterschätzen seien die diskriminierenden Hasskommentare und Beleidigungen in sozialen Medien, die beispielsweise zur Gewalt auf der Straße oder auch im realen Leben anheizen könnten, heißt es dort.
Demokratiekompetenz stärken, das eigene Verhalten reflektieren, Ängste und Vorurteile abbauen und sowie Zivilcourage werden im Konzept als Leitziele ausgemacht.
Die fünf Handlungsfelder listen Maßnahmen auf, was zu tun ist: Kitas und Schulen beispielsweise leisteten einen Beitrag zur Bildung von Persönlichkeit und Weltbildern. Gerade hier treffen unterschiedliche Nationalitäten und Kulturen aufeinander. Als potenzieller Ort des Alltagsrassismus seien diese Bildungseinrichtungen gefordert, den rassistischen und demokratiefeindlichen Einstellungen den „Nährboden“ zu entziehen. Besonders heranwachsende Jugendliche auf der Suche nach Identität seien besonders gefährdet, von rechtsorientierten Gruppierungen angesprochen bzw. von deren Ideologien angezogen zu werden. Besuche von Gedenkstätten und Aufklärung über rechtsextreme Parolen und Zeichen, die Förderung der Medienkompetenz sowie Stärkung der Zivilcourage seien Maßnahmen, um Rechtsextremismus und Rassismus vorzubeugen. Das setzt natürlich auch voraus, dass pädagogische Fachkräfte regelmäßig geschult werden. Die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg will ihre pädagogischen Bildungsangebote weiter ausbauen, gegen das Vergessen arbeiten und aufklären.
In Sportvereinen treffen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion oder auch Weltanschauungen. Beim Sport gehe es auch um fairen Wettbewerb, gemeinsam Spielerfolge. Sie seien Orte, an denen ethnische und soziale Grenzen überwunden und Vorurteile abgebaut würden. Wichtig sei, sich klar zu positionieren, die eigene Vorbildfunktion wahrzunehmen. Das gelte für Sportler als auch Trainer gleichermaßen. Vereine sollten gezielt Sportangebote für Frauen und Mädchen sowie Menschen mit Migrationshintergrund und für Flüchtlinge anbieten. In den Ausbildungsprogrammen für Ehrenamtliche, z.B. bei der Gruppenhelfer- und Übungsleiterausbildung oder auch der Jugendleitercard, soll verstärkt über Erscheinungsformen der rechten Szene und wie man ihr begegnet informiert werden.
Die Medien informieren, reflektieren, klären, übermitteln auch Weltbilder, tragen zur Stärkung der Demokratie bei oder transportieren die antidemokratischen Inhalte, heißt es im Handlungskonzept. Das Internet biete unbegrenzte Chancen, aber auch Gefahren und Risiken. Dazu zählen Cybermobbing, massenhafte Verbreitung von Falschmeldungen oder rassistische Äußerungen und Hasskommentare, Kreieren von Feindbildern oder Hate Speech: Die Förderung der Medienkompetenz auf allen institutionellen und gesellschaftlichen Ebenen sei deshalb eine notwendige Aufgabe. Die Kultur biete die Möglichkeit, Demokratiebildung auf künstlerische Art und Weise zu stärken. Deshalb sollten Ausstellungen, Festivals und Workshops, die u.a. die Zeit des Nationalsozialismus reflektieren, angeboten werden.
Verfassungsschutz, Polizei und Ordnungsämter haben die Aufgabe, die Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu überwachen und Ordnung auf allen gesellschaftlichen und institutionellen Ebenen sicherzustellen. Aufklärung über Kampagnen, Musik, Symbolik und Internetpräsenzen der einschlägigen Szene, Beratung und Unterstützung von Eltern und Bezugspersonen rechtsextrem orientierter junger Menschen oder auch die Einrichtung von Melde- bzw. Beschwerdestellen werden im Konzept als Maßnahmen genannt.
„Vielfalt ist Alltag“ lautet ein Satz im Handlungsfeld Integration, Emanzipation und Religion. Probleme und Ängste müssten offen angesprochen werden. Integration sei der Schlüssel für ein friedliches und gemeinsames Miteinander. Neben der sprachlichen und beruflichen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung müssten auch demokratische Werte und Normen wie Gleichstellung, Glaubensfreiheit und Unantastbarkeit der Menschenwürde vermittelt und praktiziert werden. Die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist in Deutschland verfassungsrechtlich verankert. Dennoch würden viele Frauen mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung diese Rechte nicht kennen oder sich nicht trauen, sie durchzusetzen. Hier müsse verstärkt informiert und Hilfs- und Beratungsangebote bekannter gemacht werden.
Die Förderung der interreligiöse Kompetenz sowie Sensibilisierung auf allen gesellschaftlichen Ebenen und in allen Bildungseinrichtungen sei enorm wichtig. Der Antisemitismus sei ein wesentliches Merkmal des Rechtsextremismus. Sowohl der Zentralrat der Juden in Deutschland als auch einige Medien berichten über die Zunahme von antisemitischen Straftaten und Übergriffen auf Kippa tragende Männer oder die Leugnung des Holocaust, „und das in 2018!“, heißt es im Konzept. Dort werden auch negative Stimmungen gegen Muslimas und Muslime ausgemacht, die es schwerer hätten bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche. Auch gebe es verbale und psychische Attacken gegenüber Frauen mit Kopftuch. Auch hier setzt das Netzwerk auf verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und themenbezogenen Projekte insbesondere auch in Bildungseinrichtungen.
Das Handlungskonzept ist im Rahmen des Landesförderprogramms „NRWeltoffen: Lokale Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ entwickelt worden. Im Dezember 2016 sprachen sich die Mitglieder des Paderborner Kreistages mehrheitlich dafür aus, das Programm in den Kreis Paderborn zu holen. Der Bewilligungsbescheid des Landes kam im Februar 2017. Die Landeszentrale für politische Bildung (80 Prozent) und der Kreis Paderborn (20 Prozent) haben das Projekt gemeinsam finanziert. Die Koordinierung übernahm das Kreismuseum Wewelsburg. Eine Steuerungsgruppe mit Vertretung
n aus dem Kreiskulturamt, Kreisjugendamt, dem Stadtjugendamt und Bildung- und Integrationszentrum des Kreises Paderborn definierte die insgesamt fünf Handlungsfelder, die anschließend mit vielen Akteuren und vor allem unter Einbeziehung von Migrantenselbstorganisationen in Sitzungen, Workshops, Veranstaltungen und Netzwerktreffen mit Leben gefüllt wurden.
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