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21. Juli 2023

Vergiftet im Mutterleib

Kreisgesundheitsamt organisierte Fachveranstaltungen rund um das Thema Fetales Alkoholsyndrom

Ein Thema mit Aktualität – Dr. Reinhold Feldmann berichtet im vollbesetzten Sitzungssaal des Kreishauses über das Fetale Alkoholsyndrom © Kreis Paderborn 
Ein Thema mit Aktualität – Dr. Reinhold Feldmann berichtet im vollbesetzten Sitzungssaal des Kreishauses über das Fetale Alkoholsyndrom © Kreis Paderborn

„Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger“. Diese Nachricht löst in den meisten Fällen Freude und Glücksgefühle aus – sowohl bei den zukünftigen Eltern als auch in ihrem Umfeld. Fest steht: ab sofort sollte jeglicher Alkohol- und Zigarettenkonsum zum Schutz des ungeborenen Kindes unterbunden werden. „Tatsächlich ist das in vielen Fällen nicht der Fall ist“, weiß Dr. Reinhold Feldmann von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uni Münster. Seit 20 Jahren diagnostiziert der Diplom-Psychologe das sogenannte FAS-Syndrom, das Fetale Alkoholsyndrom – ausgelöst, durch den Konsum alkoholhaltiger Getränke in der Schwangerschaft.
Im Paderborner Kreishaus informierte der Experte auf Einladung des Kreisgesundheitsamtes rund 100 Mitarbeitende aus allen Bereichen des Hilfesystems im ambulanten und stationären Bereich, die in ihrer täglichen Arbeit mit Menschen mit FAS arbeiten.

Schätzungen zufolge leben derzeit rund 950 Menschen im Kreis Paderborn mit FAS. „Unser Ziel ist es, für die Betroffenen eine adäquate Versorgung und einen wertschätzenden Umgang sowohl im ambulanten als auch im stationären Kontext zu erreichen“, erklärt Zehra Bavli, Psychiatriekoordinatorin im Kreis Paderborn und Organisatorin der Fachveranstaltung. „FAS ist alles andere als selten. Die Mitarbeitenden kommen im Umgang mit erkrankten Menschen oft an ihre Grenzen“, so Bavli, die sich die Weiterentwicklung der Angebotslandschaft für Menschen mit Behinderungen auf die Fahne geschrieben hat.

Für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen bedeutet die vorgeburtliche Alkoholschädigung schwerwiegende, lebenslange Folgen. Sie werden dauerhaft mit Anforderungen konfrontiert, die sie aufgrund ihrer hirnorganischen Schädigungen vor große Probleme stellen. „Die Menschen sind bereits als Kind schlichtweg vergiftet worden“, betont Dr. Reinhold Feldmann. Eine Aussage, die auch Dr. Constanze Kuhnert, Leiterin des Kreisgesundheitsamtes Paderborn und langjährige Psychiaterin unterstreicht.
„Die Menschen verbringen ihr komplettes Leben mit einer Behinderung, die vermeidbar gewesen wäre“, so die Expertin. Deshalb gelte es aufzuzeigen, warum Alkohol in der Schwangerschaft ein „absolutes No-Go ist“.

Ein Thema mit Aktualität – Dr. Reinhold Feldmann berichtet im vollbesetzten Sitzungssaal des Kreishauses über das Fetale Alkoholsyndrom © Kreis Paderborn 
Möchten gemeinsam für das Thema sensibilisieren – (v.l.) Dr. Reinhold Feldmann von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uni Münster, Zehra Bavli, Sachgebietsleiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Kreisgesundheitsamtes und Organisatorin der Veranstaltung, Dr. Constanze Kuhnert, Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, und Dezernent Dr. André Brandt © Kreis Paderborn

Neben optischen Veränderungen ist bei den Betroffenen vorrangig die Entwicklung des Gehirns gestört. Während sich optische Merkmale im Laufe der Zeit verwachsen, bleiben Unselbstständigkeit und Intelligenzminderung. Ein unabhängiges Leben ist kaum möglich. Körperpflege und Tagesplanung bedürfen ständiger Anleitung und Kontrolle. Auch in Bezug auf Sozialkontakte, beim Verständnis von Zeit und Geld oder der Einhaltung von Regeln und Normen brauchen erwachsene Menschen mit FAS Hilfe. „Erwachsene sind leicht ablenkbar, häufig distanzlos“, berichtet Feldmann in seinem Vortrag. Ihre Konzentration reiche oft nicht über 3 Minuten hinaus. „Werden die Menschen auf ihrem Weg jedoch engmaschig begleitet und gefördert, können einige Erfolge sichtbar werden“. Strukturen und Rituale, eine klare Routine und das Wiederholen von Tätigkeitsabläufen können helfen.
Neben dem Vortrag von Dr. Reinhold Feldmann boten am Veranstaltungstag auch unterschiedliche Seminareinheiten Gelegenheit, sich umfassend zu informieren und offene Fragen zu stellen. Die beantwortete u.a. Dr. Constanze Kuhnert rund um Verhaltensauffälligkeiten von erwachsenen Betroffenen. Isolde Obermann vom Jugenddorf Petrus Damian weitete den systemischen Blick auf soziale Kontakte und Beziehungsprozesse in der familienanalogen Betreuung. Das Thema Suchtverhalten und –prävention griff Valentina Beckin von der Caritas Suchtkrankenhilfe auf. Aus erster Hand informierte Kirsten Badengoth aus dem Stift Tilbeck als Best-Practicer, wie Leistungsträger sich konzeptionell mit geeigneten Versorgungsangeboten für die Zielgruppe aufrüsten können.
Inwieweit es gelingen kann, Menschen mit FAS ins Arbeitsleben zu integrieren, erklärte am Tag Nikolas Schulz von den Caritas Wohn- und Werkstätten. „FAS-Betroffene sind besondere Menschen in einer eigenen Welt, die nur Gutes kennt“, erzählt ein Teilnehmender aus langjähriger persönlicher Erfahrung. Doch hat sein betroffener Pflegesohn tatsächlich einen Weg ins „echte Leben“ gefunden. Der heute 35-Jährige lebt in einer Partnerschaft, hat eine Tischlerlehre beendet und arbeitet auf dem ersten Arbeitsmarkt. „Damit Menschen mit FAS ihren Platz im Leben finden können, hilft nur Aufklärung und fundiertes Wissen“, so der Mann.

 
 
 

Kontakt

Frau Bavli
Gesundheitsamt
Sachgebietsleitung Sozialpsychiatrischer Dienst

Tel. 05251 308 - 5378
Fax 05251 308 - 5398
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