Kreis Paderborn (krpb). Gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen in der Vergangenheit und Gegenwart standen im Mittelpunkt des Wewelsburger Symposiums. Namhafte Referenten beleuchteten Strömungen und Tendenzen, die Ausgrenzung und Gewalt ermöglichen. Gut 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten im Burgsaal der Wewelsburg drei Vorträge und beteiligten sich engagiert an der von Museumsleiterin Kirsten John-Stucke moderierten Diskussion.
Die Wewelsburger Symposien, ausgerichtet vom Kreismuseum Wewelsburg und dessen Förderverein, haben sich in den vergangenen Jahren zu einer festen Instanz im Kreis Paderborn entwickelt. In seinem Grußwort betonte der stellvertretende Landrat Wolfgang Schmitz, dass nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Mordserie der rechtsterroristischen Gruppe „NSU“ eine gesellschaftliche Diskussion über ein friedliches und tolerantes Miteinander in Deutschland geführt werden müsse.
In ihrem Auftaktvortrag zeichnete Dr. Isabel Enzenbach (Berlin) ein Bild des modernen Antisemitismus. Seit etwa 1880 habe sich dieser als Reaktion auf die zunehmende rechtliche Gleichstellung von Juden herausgebildet. Angesichts des sozialen und gesellschaftlichen Aufstiegs der jüdischen Bevölkerung gründete sich diese Judenfeindlichkeit auch auf Neid und Protektionismus und hatte eine eindeutige antimoderne Stoßrichtung. Eindrücklich belegte Dr. Enzenbach anhand von zeitgenössisch weit verbreiteten judenfeindlichen Postkarten und Aufklebern die alltägliche soziale Praxis des Antisemitismus. Leider habe die Erfahrung des Holocaust keineswegs ein Verschwinden von Judenfeindlichkeit bewirkt. Vielmehr ließen sich auch heute (häufig wirtschaftlich begründete) Ressentiments, die Vorstellung einer „jüdischen Weltverschwörung“ sowie der Vorwurf, Israelis würden aus dem NS-Völkermord Profit schlagen, beobachten.
Dr. Silke Schneider (Berlin) erweiterte den Blick auf andere Gruppen. „Rasse, Klasse und Geschlecht“ seien die hauptsächlichen Kriterien, aufgrund derer Menschen ausgegrenzt und diskriminiert sowie Hierarchisierungen vorgenommen würden. Am Beispiel von geschlechterspezifischen Ressentiments machte Dr. Schneider deutlich, dass sich bei Zugehörigkeit zu mehreren vorurteilsbehafteten Gruppen die Ausgrenzung verschärfen könne. Sehr aufschlussreich waren in diesem Kontext Dr. Schneiders Beschreibungen der Handlungsweisen von unterschiedlichen feministischen Gruppen zu Beginn des 20. Jahrhunderts: So hätten bürgerliche Feministinnen mit anderen Argumenten und Zielsetzungen gegen die eigene Diskriminierung agiert, als etwa proletarische Frauenrechtlerinnen oder der antisemitische Stahlhelm-Frauenbund. Dr. Schneiders stellte abschließend jene Frage zur Diskussion, die sich als Herausforderung unserer Gesellschaft erweisen dürfte: „Wie gehen wir – rechtliche und politische Gleichheit vorausgesetzt – mit gesellschaftlichen Unterschieden um?“
Dass Ressentiments und Überlegenheitsdünkel heutzutage keineswegs überwunden sind, zeigte der abschließende Vortrag von Dr. Volker Weiß (Hamburg). Dieser thematisierte Kontinuitäten des Ressentiments und ging hierbei ausführlich auf Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ ein. Eindrucksvoll belegte Dr. Weiß, dass Sarrazins Buch dem Genre einer gewissen Untergangsliteratur zugerechnet werden könne, das bereits vor knapp 100 Jahren entstand. So ähnelt Sarrazins Werk in auffälliger Weise Aussagen von Autoren wie Oswald Spengler, Edgar Julias Jung, Ortega y Gasset, Friedrich Sieburg oder Arnold Gehlen, die in alarmierenden Worten vor einem vermeintlichem Kulturverfall sowie einem Verlust der eigenen Identität und Leistungskraft gewarnt hatten. Als Ursache für den angeblichen Zerfall würden autorenübergreifend gesellschaftliche Unterschichten und Randgruppen ausgemacht, denen zumeist eine auch „erblich bedingte“ minderwertige Veranlagung bei zugleich hoher Nachkommenschaft nachgesagt würde. Als Lösungsvorschlag würde zumeist die Herausbildung einer nationalen Elite gefordert. Die erschreckende Neuerung sei bei Sarrazins Buch, dass diese an sich nicht neuen sozialdarwinistisch argumentierenden Schreckensszenarien nicht vom explizit rechten Rand stammten, sondern mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen seien. Die nur selektive Berücksichtigung empirischer Erkenntnisse führe bei der Anhängerschaft gestern wie heute zu einer mangelnden Reflektion.
Im Anschluss an die Vorträge nutzten die Zuhörer die Gelegenheit, Fragen an die Referenten zu stellen und zu den diskutierten Themen Stellung zu nehmen. Am Ende des Symposiums waren sich die Vortragenden und die Teilnehmer des Symposiums einig, dass Bildung und politische Aufklärung wichtige Voraussetzungen seien, um die Gesellschaft für populistische Töne zu sensibilisieren und demokratisches Denken zu stärken.
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