Kreis Paderborn (krpb). Der 16-jährige Günther Ransenberg aus Meschede-Wennemen wurde zum Tode verurteilt, weil er in seiner Frühstückspause ein paar vorbei gehende Mädchen mit Schneebällen beworfen hatte. Noch am gleichen Tag des „Vorfalls“ im März 1942 verhaftete die Gestapo den jungen Mann auf seiner Arbeitsstelle in der Nähe von Bestwig im Sauerland. Der gelbe Davidstern an seiner Kleidung hatte ihn als Juden gekennzeichnet. Wenig später wurde Günther Ransenberg auf Anordnung des Reichsführers in Wewelsburg erhängt. Seine Familie erhielt erst nach seiner „Hinrichtung“ wegen „Rassenschande“ eine kurze Benachrichtigung. Seine Mutter starb 14 Tage später an „Herzversagen“, heißt es auf der Todesurkunde. Gedenkstätten und Museen arbeiten daran, dass erschütternde Geschichten wie diese nicht in Vergessenheit geraten. Und das in einer Phase, wo immer mehr Zeitzeugen versterben und damit verstummen. Günther Ransenbergs Schicksal ist eine von 16 Biographien aus Westfalen, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in der Wanderausstellung "Verwischte Spuren. Erinnerung und Gedenken an nationalsozialistisches Unrecht in Westfalen - eine biografische Suche" nachzeichnet. Vom 12. Februar bis 15. April ist sie im Burgsaal der Wewelsburg zu sehen. Am kommenden Sonntag, 19. Februar um 15 Uhr startet eine öffentliche Führung durch die Sonderausstellung.
Die Biografien in der Ausstellung erzählen von Menschen, die auch noch heute, 66 Jahre nach Kriegsende, persönlich betroffen sind. Sie erzählen von Menschen, die erst jetzt im Alter von über 60 Jahren, anfangen, den Spuren ihrer Familien nachzugehen. Mit Dachbodenfunden wie Dokumenten, Fotos und Gegenständen aus dem Nachlass ihrer kürzlich verstorbenen Eltern und Großeltern wenden sie sich an die Gedenkstätten und Museen und treffen dort auf großes Interesse und die Voraussetzungen, Familiengeschichte historisch und regional zu verankern.
Über 100 Besucher zählte das Kreismuseum Wewelsburg bei der Eröffnung am vergangenen Sonntag. „Gerade die Dokumentation von individuellen Biographien verdeutlichen die verbrecherischen Dimensionen der SS nicht in ihrem numerischen Ausmaß, sonder in ihren persönlichen Konsequenzen für die Einzelnen, sowohl den Opfern als auch den Angehörigen“, sagte Kreisdirektor Heinz Köhler bei der Ausstellungseröffnung. Köhler betonte, dass die Erinnerungskultur in Deutschland ein fester Bestandteil des inneren kulturellen Lebens geworden sei. „Aus der Aufarbeitung der Erinnerung – so schmachvoll sie auch gewesen sein mag – lässt sich am besten gegen Fehlentwicklungen der Gesellschaft steuern“, so Köhler.
Kuratorin ist Angela Gomoluch, die als wissenschaftliche Volontärin beim Westfälischen Museumsamt des Landschaftsverbandes Westfalen im vergangenen Jahr die „verwischten Spuren“ konzipiert und ausgearbeitet hat. Leihgeber sind Gedenkstätten, Archive, Museen und private Sammlungen aus Bielefeld, Bochum, Coesfeld, Stadtarchiv Dinslaken, Dorsten, Dortmund, Drensteinfurt, Essen, Gelsenkirchen, Hamm, Herne, Herford, Höxter, Lemgo, Münster Raesfeld, Schloß Holte-Stukenbrock, Selm-Bork, Siegen, Soest, Steinfurt und Wewelsburg. Gomoluch betonte, dass die Bildungsarbeit ihren Ursprung im Gespräch mit den Zeitzeugen gehabt habe. Doch nun vollziehe sich ein Generationswechsel. Der Wissenschaftsbetrieb treffe zunehmend auf ein Publikum, das die Zeit von 1933 – 1945 nur noch aus Geschichtsbüchern kenne und persönliche Bezüge höchstens noch über die eigene Familiengeschichte herstellen könne. „Und diese Erfahrung war Anlass dazu, sich der Gedenkstättenarbeit im Allgemeinen und ihren biografischen Ansätzen im Besonderen zu widmen. Die Ausstellung „Verwischte Spuren“ fragt nach der biografisch fundierten Forschungs- und Vermittlungsarbeit sowie der Bedeutung des Generationenumbruchs für die Gedenkinitiativen und seinem Einfluss auf unsere Gedenkkultur“, sagte Gomoluch. Gedenkstätten würden nun als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Vermittlung fungieren. Lebensspuren wie die von Günther Ransenberg nachgezeichnet, um einen Beitrag gegen das Vergessen und zur Demokratieerziehung zu leisten.
Die öffentliche Führung am kommenden Sonntag, 19. Februar, um 15 Uhr im Burgsaal der Wewelsburg dauert rund eine Stunde.
Führungsgebühr
Erw. 3,00 € , erm. Karte 1,50 €, Familienkarte 6,00 €
Sonderaustellung „Verwischte Spuren – Erinnerung und Gedenken an nationalsozialistisches Unrecht in Westfalen. Eine biografische Suche“
Burgsaal der Wewelsburg vom 12. Februar bis 15. April 2012
Öffnungszeiten:
dienstags – freitags: 10 – 17 Uhr
samstags, sonntags und feiertags: 10 – 18 Uhr
montags geschlossen
www.wewelsburg.de
Der Eintritt in die Sonderausstellung ist frei!
Kreis Paderborn
Aldegreverstraße 10 – 14
33102 Paderborn
Telefon: 05251 308 - 0
Telefax: 05251 308 - 8888
E-Mail senden