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Pressemeldung vom 27.10.2014

„Die Geschichte entlässt uns nicht aus der Verantwortung“

LWL-Wanderausstellung „An der „Heimatfront“ – Westfalen und Lippe im Ersten Weltkrieg“ noch bis zum 7. Dezember im Kreismuseum Wewelsburg

 

Kreis Paderborn (krpb) / (lwl). „Eine schwere Zeit ist für unser deutsches Vaterland hereingebrochen! Der Weltkrieg ist entbrannt! ...Tapfer und mutig nehmen in diesen Tagen Jünglinge und Väter Abschied von ihren Lieben. Jeder wünscht sich, dass die Seinen wieder kommen möchten, doch kann es nicht sein. Viele, viele bleiben aus, viele lassen ihr deutsches Blut fürs Vaterland“, schrieb die damals 14-jährige Lise Beuge, Tochter eines Lüdenscheider Baumeisters, Anfang August 1914 in ihr Tagebuch. Es ist eines der 200 Exponate, die in der Wanderausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) „An der ‚Heimatfront‘ – Westfalen und Lippe im Ersten Weltkrieg“ gezeigt werden. Lise Beuge sollte Recht behalten. Wie kein Krieg vor ihm hat der „Große Krieg“ Millionen Menschenleben gekostet. Die Ausstellung beleuchtet die Ereignisse aus der Perspektive der Zivilbevölkerung und bietet deshalb auch historisch weniger geschulten Besuchern einen guten Einstieg in das Thema. Noch bis zum 7. Dezember ist die Schau im Kreismuseum Wewelsburg zu sehen.

Die Wanderausstellung „An der Heimatfront“ wurde vom LWL-Museumsamt für Westfalen konzipiert. Sie lenkt den Blick darauf, wie die Menschen in Westfalen und Lippe den Ersten Weltkrieg erlebten. Im Vordergrund steht nicht das geradezu industriell durchgeführte Abschlachten an den vielerorts jahrelang erstarrten soldatischen Fronten. Vielmehr zeigt diese Ausstellung auf welch vielfältige Weise die daheimgebliebenen Menschen in Westfalen und Lippe in die Prozesse eingebunden waren, die dazu führten, dass dieser Krieg so lange, so intensiv und so brutal geführt wurde. Paderborns Landrat Manfred Müller betonte bei der Ausstellungseröffnung, dass es jedenfalls in der historischen Perspektive von heute aus betrachtet schwer falle, im Ersten Weltkrieg und in der darauffolgenden Entwicklung der Weimarer Republik nicht vor allem die Vorgeschichte der anschließenden nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu sehen, „die sich hier in Wewelsburg in ganz eigentümlicher Weise manifestiert hat. Viele Akteure und Protagonisten der menschenmordenden nationalsozialistischen Weltanschauung – man denke nur an den kriegsfreiwilligen Meldegänger Hitler – erfuhren ihre entscheidende politische und gewalttätige Sozialisation im Miterleben des Ersten Weltkriegs“, sagte Müller. In der Vorstellungswelt vieler späterer Nationalsozialisten, nicht zuletzt auch solcher, die wie Heinrich Himmler die Jahre 1914 bis 1918 als Heranwachsende oder Kinder nicht im Schützengraben, sondern an der „Heimatfront“ erlebt hätten, habe sich die Erfahrung der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg in den Wahn von der Notwendigkeit eines allumfassenden „Endsieges“ festgesetzt. Eines Wahns, der bei allzu vielen unter dem Begriff „Ein zweites 1918 darf es nicht geben“ bis in die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs hinein wirksam geblieben sei.

Aus den Traumata des Krieges ist der Wunsch nach Verständigung, nach einem grenzüberschreitenden friedlichen Miteinander erwachsen. Er ist letztlich Ausgangspunkt des europäischen Einigungsprozesses“, sagte LWL-Ausstellungsmacherin Dr. Silke Eilers. "Die Geschichte entlässt uns nicht aus der Verantwortung: Wir wollen, dass die junge Generation aus den Folgen des Krieges für die Zukunft lernt“, sagte Eilers zur Zielsetzung der Ausstellung. Diese zeige, wie eng Front und die so genannte Heimatfront, also die nicht von kriegerischen Auseinandersetzungen, aber von Hunger und Entbehrungen gezeichnete Heimat miteinander verknüpft gewesen seien. „Niemand konnte sich diesem Krieg entziehen, alle waren Akteure“, so Eilers.

Die Ausstellung ist das Ergebnis zweijähriger Forschungen. Gezeigt werden etwa 200 Exponate aus Westfalen-Lippe, die überwiegend aus öffentlichen Sammlungen stammen. "Zwar gibt es eine Fülle von Dokumenten und Fotos aus dieser Zeit in den Archiven und Museen. Aber die Suche nach Objekten aus Westfalen mit einer überlieferten persönlichen Geschichte war durchaus mühsam. Trotzdem haben wir solche Leihgeber gefunden", sagte Eilers.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die katastrophale Versorgungslage an der ‚Heimatfront‘. Sie wurde mit jedem Kriegsjahr schlechter und erreichte im berüchtigten „Steckrübenwinter“ 1916/17 einen Höhepunkt. Tausende fielen Hunger, Kälte und Krankheiten zum Opfer. Notgeld aus verschiedenen Städten, Fotos von Kriegsküchen, Marken für rationierte Lebensmittel, neue Maßgefäße, die auf die winzigen „Kriegsrationen“ zugeschnitten waren, geben einen Einblick in den Kampf ums tägliche Überleben. Auch die veränderten Familienstrukturen hatten weitreichende Folgen und bilden einen Schwerpunkt der Schau. Millionen Frauen zogen ihre Kinder allein auf. Viele Heran¬wachsende waren Halbwaisen, Zeitge¬nossen beklagten ihre Verwahrlosung. Ebenso war Berufstätigkeit der Mütter an typischen Männerarbeitsplätzen in Industrie und Verkehr ein gesellschaftliches Novum. Fotos von Frauen im Bergbau – ein absoluter Tabubruch – beim Eisenbahnbau, in Straßenbahnen oder Laboren belegen die angespannte Situation in der Wirtschaft, die stetig Nachschub für die Front liefern musste.
Zeitgleich lastete auf den Frauen der Druck zur freiwilligen „Liebestätigkeit“ in karitativen Organisationen, um Hungernde und invalide Soldaten zu versorgen. Herausragende Beispiele bürgerlicher „Opferbereitschaft“ zur Finanzierung solcher Kriegsfolgen sind Nagelschilde aus verschiedenen Kommunen: Ein vorgezeichnetes patriotisches Bildmotiv setzte sich zusammen aus zahlreichen eng eingeschlagenen Nägeln, für die man je Nagel eine festgelegte Spende zahlte. Gezeigt wird ein farbiges Nagelschild aus Lohe bei Bad Oeynhausen und Nagelkarten aus Wanne und Hagen. In der Ausstellung ist ein Gipsmodell zu sehen, ein Vorentwurf der hölzernen Nagelskulptur des „Nagelgrafen“ aus Hamm von 1915/16. Auch Notenblätter, Broschüren, Fotos und Programme, mit denen die Enthüllung solcher Nagelschilde feierlich begangen wurde, bereichern die Schau. Schließlich ist auch die Fürsorge für invalide „Krieger“ ein wichtiges Thema. Präsentiert werden Verhaltensregeln für den Umgang mit den „Kriegsbeschädigten“, Spielzeug für die vielen Blinden, neuartige Prothesen und öffentliche Kennzeichen der Verwundeten.

Zur Ausstellung wurde ein Begleitprogramm erarbeitet. „Stille Nacht im Schützengraben – Weihnachten 1914“ lautet der Titel eines Filmabends am Freitag, 28. November, um 19 Uhr in der Wewelsburg. Am Sonntag, 30. November, findet um 15 Uhr eine Öffentliche Führung durch die Wanderausstellung statt.

Aussstellungsdaten:

„An der ‚Heimatfront‘ – Westfalen und Lippe im Ersten Weltkrieg“
Eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes
12. Oktober bis zum 7. Dezember
Kreismuseum Wewelsburg
Burgwall 19 in 33142 Büren-Wewelsburg
Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 10 bis 17 Uhr
samstags, sonntags und feiertags 10 bis 18 Uhr

Eintritt in die Sonderausstellung und in das Historische Museum des Hochstifts Paderborn (bis 2.11.14): 3 €, ermäßigt 1,50 €, Familienkarte 6 €, kostenlos für Inhaber einer Jahreskarte

Die Wewelsburg im Internet: www.wewelsburg.de.

Anschrift

Kreis Paderborn
Aldegreverstraße 10 – 14
33102 Paderborn

Kontakt

Telefon: 05251 308 - 0
Telefax: 05251 308 - 8888
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