Kreis Paderborn (krpb). Die Welt schien unterzugehen in jenem Sommer. Die Wetterprognosen für das Paderborner Land lauteten über Wochen: Regen, Regen und nochmals Regen. Selbst jene Flüsse, die im Sommer trocken lagen, führten Hochwasser. Am 16. und 17. Juli 1965 kam es zur Katastrophe in den damaligen Kreisen Paderborn und Büren. Es schüttete wie aus Kübeln, selbst aus kleinen Bächen wurden reißende Ströme, Ortschaften versanken in den trüben Fluten. Dieses Hochwasser sollte sich als größte Naturkatastrophe „seit Menschengedenken“ ins kollektive Gedächtnis der Bewohner des Paderborner Landes eingraben. Neun Menschen starben. Die Schäden gingen in die Millionenhöhe. Aber auch in früheren Zeiten gab es verheerende Flutkatastrophen. Kreisarchivar Wilhelm Grabe hat aus den vergangenen 125 Jahren historische Fotoaufnahmen zusammengetragen, die eindrucksvoll die zerstörerische Macht des Wassers in den Ortschaften der Region demonstrieren. Die Ausstellung „Wasser soweit das Auge reichte…“ ist noch bis zum 28. August im Foyer des Paderborner Kreishauses in der Aldegreverstraße 10 – 14 zu sehen.
Nach dieser so genannten Heinrichsflut „setzte ein Umdenken ein“, erläuterte Landrat Manfred Müller bei der Ausstellungseröffnung. Der Wasserverband Obere Lippe (WOL) sei gegründet worden mit dem Ziel, die Region vor Hochwasser zu schützen. Rund 50 Millionen Euro flossen in den Bau von Rückhaltebecken und in die Renaturierung von Gewässern. Zwar ließe sich die Natur nichts vorschreiben. „Wir sind heute jedoch deutlich besser vorbereitet als vor 50 Jahren“, betonte Müller. Der Landrat bekräftigte zudem, dass Hochwasserschutz und Renaturierung in erster Linie „Personenschutz“ seien, damit sich solche Dramen mit ihren furchtbaren Folgen nicht wiederholten. Aber all diese Maßnahmen seien auch Wirtschaftsförderung und gut für den Tourismus.
Kreisheimatpfleger Michael Pavlicic zählte zarte neun Jahre, als die Hochwasserkatastrophe auch über Schloß Neuhaus hereinbrach. Den Ort hatte es besonders schwer getroffen, weil er im Zusammenfluss von Lippe, Alme und Pader liegt. Als sein Klassenlehrer ihn und seine Mitschüler mittags nach Hause schickte, war kaum noch ein Durchkommen. „Wir drückten uns von Haustür zu Haustür“, erzählte Pavlicic. Im Laufe des Tages mussten Anwohner von Bundeswehrsoldaten evakuiert werden. Als sie zurückkamen, bot sich ihnen ein Bild der Zerstörung. „Das war so ein bisschen wie Kriegsbeginn“, sagte Pavlicic. Zwar habe er nie einen Krieg erlebt. Aber genau so stelle er sich das vor. Die Heinrichsflut forderte auch zwei Tage danach ein weiteres Opfer. Ein Neunjähriger spielte am Ufer der immer noch angeschwollenen Alme. Die reißenden Fluten rissen das Kind mit. Seine Leiche wurde nie geborgen.
Die Flutkatastrophe brachte Tod und Zerstörung, aber Geschichten, wie sie nur das Leben schreiben kann. Willi Montag führte eine Gaststätte in Borchen. Der heute 85-Jährige erzählte im Kreishaus, dass man an jenem 16. Juli ein Brautpaar erwartete. Die frische Vermählten und Trauzeugen waren nach Paderborn zum Fotografen gefahren. Eigentlich sollte das Mittagessen zubereitet werden. Als Borchen geflutet wurde, fielen Strom und Wasser aus. „Wir haben das Wasser aus der Dachrinne aufgefangen, um die Kartoffeln kochen zu können“, erinnert sich Montag. Ein alter Kohleherd wurde angeschmissen, das improvisierte Hochzeitsessen gelang. Auf dem Tisch standen Weihnachtskerzen. Doch so richtig Stimmung kam nicht auf: Über allem lag der Schatten der Flut und des fehlenden Brautpaares. Die trafen dann endlich gegen 10 Uhr abends ein. Auf einem Trecker, über weite Umwege: Die Braut trug ihr weißes Kleid und Gummistiefel. Auch wenn der Beginn dieser Ehe noch so dramatisch war: Beide, Mechthild und Ferdinand, leben heute in Niedersachsen und feierten am 16. Juli ihren 50. Hochzeitstag.
In der Ausstellung im Kreishaus werden neben Fotos der Heinrichsflut von 1965 auch große, historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen früherer Hochwässer gezeigt. Ergänzende Schautafeln mit Informationen runden die Dokumentation über 125 Jahr Hochwassergeschehen ab mit „Wasser soweit das Auge reichte…“.
Bildunterzeile Bild rechts:
Blick in die Ausstellung „So weit das Wasser reichte….“
Bild links:
Zerstörte Almebrücke in Schloß Neuhaus am 17. Juli 1965 (Foto: Kreisarchiv Paderborn)
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