28. Dezember 2015
Kooperationsvereinbarung „Sprachbrücken nutzen?“ in Delbrück unterzeichnet
Die vielen bunten Bilder und mehrsprachigen Wimpeln fallen als Erstes auf, wenn man den Klassenraum betritt. An der Wand hängt ein Poster mit „magischen“ Wörtern: Bitte, Danke, Entschuldigung. Überall sind Buchstaben und Zahlen. Mittendrin Kinder, die an Tischen hoch konzentriert arbeiten und nicht einmal aufstehen oder gar Richtung Schulhof laufen, als der Gong zur Pause läutet. Schulrat Torsten Buncher vom Schulamt für den Kreis Paderborn nennt dieses Phänomen „Bildungshunger“. 15 Flüchtlingskinder aus Albanien, Armenien, Mazedonien, Montenegro, Nigeria sowie Kinder aus Litauen und Polen (EU-Binnenmigration) besuchen derzeit die Internationale Klasse der Johannes-Schule-Delbrück. Im gesamten Kreis Paderborn wurden seit Anfang August für 348 Kinder (Stand: 22. Dezember) im Grundschulalter so genannte Auffang- und Vorbereitungsklassen bzw. Internationale Klassen gebildet. Wie funktioniert Schule, wenn Kinder aus unterschiedlichsten Nationen, mit wenigen oder gar keinen Kenntnissen der deutschen Sprache und manchmal sogar ohne jegliche Schulerfahrung gemeinsam eine Klasse besuchen? Landrat Manfred Müller und Delbrücks Bürgermeister Werner Peitz wollten genau das wissen und zeigen sich sichtlich beeindruckt: „Sie leisten hier hervorragende Arbeit“, betonten beide vor Ort.
Schulleiterin Julia Schlüter ist beeindruckt von ihren Schülerinnen und Schülern. „Sie sind erst seit Oktober hier, alle hoch motiviert. Und wir können nur staunen, wie schnell sich hier Lernerfolge einstellen“, sagt sie. Bei einigen könne man jetzt schon sagen, dass sie später das Gymnasium besuchen. Gleichzeitig betont sie, dass es jetzt erst einmal darum gehe, den Kindern nach den dramatischen Erlebnissen der Flucht Sicherheit, Struktur und Stabilität zu geben.
Pro Woche stehen 20 Stunden Deutsch auf dem Stundenplan. Schulrat Torsten Buncher erläutert, dass man zwischen Alltags- und Bildungssprache unterscheiden müsse. Bei der Alltagssprache gehe es darum, Situationen im Alltag sprachlich bewerkstelligen zu können. Also Sätze wie „wann geht der nächste Bus“ oder „wo ist hier ein Supermarkt“ zu erlernen. Fachunterricht hingegen gehe nicht ohne Bildungssprache. Das Wort „Lösung“ habe in der Mathematik beispielsweise eine ganz andere Bedeutung als in der Chemie. Neben Deutsch sind deshalb auch die Fächer Mathematik, Sachunterricht, Kunst, Musik und Sport im Stundenplan integriert. Ziel ist es generell, dass die Kinder nach sechs Monaten eine Regelklasse besuchen.
Lehrerin Anna Kordtomeikel erläutert das Konzept der Internationalen Klasse der Johannes-Schule: In der ersten Stunde findet jeden Tag ein Erzählkreis statt. Besprochen wird in erster Linie der Tagesablauf mit Hilfe von Sprachrunden, Sprachspielen oder auch Bildkarten. Danach arbeiten die 15 Kinder mit individuellen Arbeitsplänen. Dabei geht es um Alphabetisierung, Wortschatz-, Schreib- und Lesetraining. Der Klasse stehen drei Computer zur Verfügung, davon zwei mit Internetzugang. Installiert sind verschiedene Lernprogramme.
Trotz der unterschiedlichen Nationalitäten und Religionen „ist natürlich auch für uns Weihnachten ein Thema“, erläutert Kordtomeikel. Weihnachten würden die meisten Kinder kennen. Manchmal werde es unterschiedlich gefeiert. „Auch ich lerne dazu, wenn die Kinder erzählen, wie zu Hause Weihnachten gefeiert wird“, erzählt sie. Letzte Woche habe eine Weihnachtsfeier in der Schule stattgefunden. Viele Eltern seien gekommen. Die Bildungsbotschafter vom Bildungs- und Integrationszentrum des Kreises Paderborn (BIZ) hätten bei der Übersetzung der Einladungsschreiben an die Eltern geholfen.
Sprache ist der Schlüssel zur Integration: Im Rahmen des Besuchs unterzeichneten Landrat Manfred Müller, der Leiter des BIZ, Dr. Oliver Vorndran, Schulleiterin Julia Schlüter und Marianne De-Haan, Leiterin des Familienzentrums Pusteblume, eine Kooperationsvereinbarung „Sprachbrücken stärken“ zur Förderung einer durchgängigen Sprachentwicklung von Kindern im Alter von drei bis zehn Jahren. Im Fokus steht der Übergang von Kitas in Grundschulen. Der Leiter des BIZ, Dr. Oliver Vorndran, erläutert, dass die gemeinsame pädagogische Arbeit der Grundschule St. Johannes-Schule, der Grundschule St. Marienschule, des Familienzentrums Purzelbaum, der Kita Abenteuerland und des Familienzentrums Pusteblume schon 2010 mit dem Ausgangsprojekt „Mit Sprachen Brücken bauen“ begonnen habe. Unterstützt und fachlich begleitet wurde das Projekt vom Bildungs- und Integrationszentrum Kreis Paderborn (BIZ) durch Anne Mischendahl. Die Kindertageseinrichtungen und die Grundschulen haben Konzepte und Strukturen für eine durchgängige Sprachbildung entwickelt, aneinander angeknüpft, aufeinander aufgebaut und erfolgreich erprobt. Ziel sei letztlich ein nahtloser Übergang der Kinder von der Kita in die Grundschule. Mit „Sprachbrücken nutzen“ gehe die Zusammenarbeit weiter: Mit dabei ist jetzt auch der Kindergarten St. Johannes Baptist. „Damit erweitern und verdichten wir in Delbrück die Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen im Übergangsbereich“, so Mischendahl. Der Kreis bzw. das BIZ beteiligen sich zu 50 Prozent an den Finanzierungskosten von zwei Fortbildungsveranstaltungen und stehen den teilnehmenden Netzwerkpartnern begleitend zur Seite.
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