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14. Oktober 2016

„Sozialstaat landet in den Kassen der Kommunen“

LWL-Kämmerer Dr. Georg Lunemann erläutert Haushalt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe

Dr. Georg Lunemann 
Dr. Georg Lunemann

Die Ausgaben für die Sozialhilfe steigen weiter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im vergangenen Jahr rund 27,7 Milliarden netto in Deutschland für die verschiedenen Bereiche der Sozialhilfe ausgegeben. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 17 Museen und ist einer der wichtigsten Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Seine wichtigste Einnahmequelle ist die so genannte Landschaftsumlage, die von den kreisfreien Städten und Kreisen und somit auch vom Kreis Paderborn zu überweisen ist. Diese wird im kommenden Jahr voraussichtlich deutlich angehoben werden müssen. Für den Kreis Paderborn und seine Städte und Gemeinden bedeutet diese erste Prognose des LWL, dass sie weitere Millionen schultern müssen. Gibt es Möglichkeiten, diese Kostenspirale zu durchbrechen?

Nach ersten Prognosen werden im Haushalt des LWL in 2017 weitere 89 Millionen Euro zusätzlich fehlen. Der Hebesatz der Landschaftsumlage wird nach einer ersten Einschätzung des LWL-Kämmerers Dr. Georg Lunemann um rund 1,15 Prozentpunkte angehoben werden müssen. Im Paderborner Kreishaus nannte er die Gründe: Der Kernhaushalt des LWL umfasse rund 3,3 Milliarden Euro. Fast 90 Prozent der Mittel fließen in soziale Leistungen. Allein die Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen würden jährlich um rund 105 Millionen Euro ansteigen. 90 Prozent dieser Kosten seien Personalkosten, die durch die Tariferhöhungen in 2016 um rund 3,3 Prozent deutlich gestiegen seien. Lunemann erläuterte, dass allein eine 1%prozentige Tariferhöhung zu Mehrkosten von rund 16 Millionen Euro führe. Von den rund 16.000 Beschäftigten des LWL arbeiteten die meisten im Pflegebereich. In einem Land, das durch starkes Steuerwachstum, eine „schwarze Null im Bundeshaushalt“ und Rekordbeschäftigung, Mindestlohn und „Rente mit 63“ gekennzeichnet sei, würden Begehrlichkeiten geweckt. Zahlreiche gesetzliche Standardhebungen, wie zum Beispiel das Pflegestärkungsgesetz II, das Inklusionsstärkegesetz oder Bundesteilhabegesetz, führten dazu, dass die Sozialkosten weiter nach oben gehen. Den LWL-Haushalt belasten würde zudem das strukturelle Defizit des Vorjahres, das nicht nur mitgenommen werden müsse sondern weiter steige. In NRW gäbe es eine lange Tradition intensiver Versorgung von Menschen mit Behinderungen. Das könne beispielsweise festgemacht werden an hohen Einzelzimmerquoten (80 Prozent) in Pflegeinrichtungen, nun käme das Einzelbad hinzu, selbst schwerstmehrfachbehinderten Menschen könne die Teilhabe am Arbeitsleben, z. B. in Werkstätten, ermöglicht werden. Ein Beispiel sei auch das Bundesteilhabegesetz, das zum 1. Januar 2017 in Kraft treten soll. Bezieher von Leistungen der Eingliederungshilfe dürften mehr vom eigenen Einkommen behalten. Ehegatten und Lebenspartner würden künftig weder mit ihrem Einkommen noch mit ihrem Vermögen herangezogen. „Für die Betroffenen ist das natürlich gut, aber bezahlt werden muss es trotzdem“, sagt Lunemann. Erstmalig seit vielen Jahren müsse der LWL deshalb seine Mitglieder und damit auch den Kreis Paderborn stärker belasten. In den vergangenen Jahren sei es stets gelungen, durch den Griff in die Ausgleichsrücklage die Belastung für die Kommunen im Rahmen zu halten. Allerdings sei diese von 300 Millionen Euro innerhalb von 7 Jahren auf 10 Millionen zusammengeschmolzen. „Wir sind jetzt am Ende der Fahnenstange“, so Lunemann.

Genau deshalb hatten die drei Mitglieder der Landschaftsversammlung aus dem Kreis Paderborn, Michael Pavlicic (CDU), Bernd Schäfer (SPD), Bernd Langer (CDU) sowie Landrat Manfred Müller politische Entscheidungsträger wie Bürgermeister und Kreistags- sowie Ratsmitglieder, aber auch die interessierte Öffentlichkeit ins Kreishaus eingeladen, um die einzelnen Positionen des LWL-Haushaltes kennenzulernen. Denn die gestiegene Landschaftsumlage muss wiederum über die Kreisumlage an die Städte und Gemeinden durchgereicht werden. „Wir alle sind uns einig darüber, dass wir Menschen mit Behinderungen unterstützen und ihnen die bestmögliche Versorgung ermöglichen wollen. Aber wir müssen hier heute auch über Geld sprechen“, sagte der Landrat zu Beginn des Abends. Letztlich lande der Sozialstaat in den Kassen der Kommunen.
Bernd Schäfer wies mit Blick auf die angesprochenen Begehrlichkeiten darauf hin, dass Personalkosten keine Begehrlichkeiten seien. Pflegekräfte hätten das Recht, für ihre Arbeit angemessen bezahlt zu werden. Der Pflegekräftemängel sei bekannt. Es sei also schon schwer genug, Menschen für diese Berufe zu gewinnen.
„Wir müssen gemeinsam überlegen, wie die ständig steigenden Kosten im Sozialausgabenbereich begrenzt werden können bzw. wie die Mittelzuweisung zwischen Bund, Ländern und Kommunen optimiert werden kann“, betonte Bernd Langer. Jeder sei aufgefordert, für sich zu überlegen, an welchen Stellschrauben er drehen könne. Delbrücks Bürgermeister Werner Peitz wies darauf hin, dass nicht nur die Landschaftsumlage sondern auch die Kreisumlage ständig steige. Die Städte und Gemeinden würden in die Haushaltssicherung getrieben. Sie könnten noch so hohe Steuereinnahmen haben, sich noch so sehr anstrengen. „Die Städte und Gemeinden im Kreis Paderborn werden kaputtgemacht“, so Peitzmeier.

Bernd Langer erläuterte, dass die Landschaftsumlage des LWL im Schnitt 219.90 Euro pro Einwohner im Kreis Paderborn betrage. Der Landschaftsverband wiederum zahle 464,80 Euro pro Einwohner. Er erfülle Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur. So werden beispielsweise allein die (teil-)stationäre Einrichtungen und ambulanten Angebote (Stationäres Wohnen Werkstätten für behinderte Menschen, Familienpflegedienste, Gehörlosenzentrum/Blindebücherei) mit rund 78 Millionen Euro gefördert.195 Mädchen und Jungen aus dem Kreis Paderborn besuchen einen Förderschulkindergarten oder eine Förderschule des LWL. Allein drei LWL-Tageskliniken stehen in Paderborn. Einrichtungen wie das LWL-Landesmuseum für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim sowie die Kaiserpfalz sind weitere Aktivposten. Auf den Internetseiten des LWL könne dieser Leistungsbericht auch für den Kreis Paderborn nachgelesen werden.


LWL-Kämmerer Lunemann bekräftigte, dass man seit Jahren die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenwahrnehmung im Blick habe. Die Einhaltung dieses Konsolidierungskurses werde regelmäßig durch die Gemeindeprüfungsanstalt positiv bestätigt. In den kommenden Jahren stünden vor allem Themen wie die Zugangssteuerung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen oder auch die Entwicklung bedarfsgerechter Hilfen auf der Tagesordnung. Aber egal wie man es auch drehe und wende, aus welchen kommunalen Kassen das Geld auch immer fließe: Am Ende des Tages zahlten die Bürgerinnen und Bürger, also der Steuerzahler, so Lunemann. Und hier müsse eigentlich jene Frage gestellt werden, die eigentlich niemand zu stellen wagt. Er habe niemals in all den Jahren erlebt, dass irgendwann mal über die Senkung von Standards diskutiert worden sei. Der Sozialstaat sei immer weiter ausgebaut worden. Am Ende der Informations- und Diskussionsveranstaltung stand die Frage im Raum, ab wann genau das alles nicht mehr finanzierbar ist und wer den Mut hat, diese Standards einzufrieren oder gar zu senken.

 
 
 

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