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21. März 2018

Den Schatz der Sprachen pflegen

Mehrsprachigkeit als Potenzial: Projekt Rucksack KiTa fördert die deutsche Sprache und die Familiensprache von Kindern mit Einwanderungsgeschichte

Hintere Reihe, von links: Rita Schinschke (Leiterin der Kita Mistelweg), Hildegard König (Jugendamt Stadt Paderborn), Dr. Burghard Lehmann (Geschäftsführer Osthushenrich-Stiftung), Bernhard Lünz (Geschäftsführer des Kommunalen Integrationszentrums), Susanne Niggemeier (Jugendamt Stadt Paderborn), Amina Asheer (Mutter), Olga Kroll (Projektkoordinatorin Rucksack Kita), Manal Mustafa (Mutter), vordere Reihe, von links: Dr. Oliver Vorndran (Leiter des Bildungs- und Integrationszentrums Kreis Paderborn), Angelika Berns (Jugendamt Stadt Paderborn), Rana Kabalan (Elternbegleiterin), Antje Müller (Erzieherin, stellvertretende Leiterin der Kita Mistelweg). (Foto: Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kreis Paderborn, Anna-Sophie Schindler) 
Hintere Reihe, von links: Rita Schinschke (Leiterin der Kita Mistelweg), Hildegard König (Jugendamt Stadt Paderborn), Dr. Burghard Lehmann (Geschäftsführer Osthushenrich-Stiftung), Bernhard Lünz (Geschäftsführer des Kommunalen Integrationszentrums), Susanne Niggemeier (Jugendamt Stadt Paderborn), Amina Asheer (Mutter), Olga Kroll (Projektkoordinatorin Rucksack Kita), Manal Mustafa (Mutter), vordere Reihe, von links: Dr. Oliver Vorndran (Leiter des Bildungs- und Integrationszentrums Kreis Paderborn), Angelika Berns (Jugendamt Stadt Paderborn), Rana Kabalan (Elternbegleiterin), Antje Müller (Erzieherin, stellvertretende Leiterin der Kita Mistelweg). (Foto: Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kreis Paderborn, Anna-Sophie Schindler)
Donnerstag, 9 Uhr morgens in der KiTa Mistelweg. „Zeit für Rucksack KiTa“, sagt Erzieherin Antje Müller zu Sarah. Sie zeigt der Vierjährigen die selbstgebastelte Kette mit dem Rucksack KiTa Logo, einem Jungen mit Rucksack auf dem Rücken und Buch in der Hand. Auf diese Weise trommelt Müller sieben weitere Kinder zusammen, bis die Gruppe komplett ist.
Rucksack KiTa ist ein Sprachbildungsprojekt, das die Mehrsprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund fördert und ihre Eltern in Bildungs- und Erziehungsfragen unterstützt.
Es basiert auf dem Ansatz, dass die Muttersprache oder Familiensprache eines Kindes genauso wichtig ist wie die deutsche Sprache. „Die Muttersprache gehört zur Identität eines Kindes und ist ein wichtiger Schatz, der gepflegt werden muss“, sagt Olga Kroll. Sie arbeitet im Kommunalen Integrationszentrum des Kreises Paderborn und koordiniert das Projekt Rucksack KiTa.
Und so funktioniert es: Die Eltern fördern ihr Kind zu Hause in ihrer Familiensprache, Erzieherinnen und Erzieher in der Kita in der deutsche Sprache. Das Besondere: Eltern und Erzieher benutzen die gleichen Arbeitsmaterialien - nur in unterschiedlichen Sprachen. „Beide Sprachen wachsen und Begriffe können besser gespeichert werden“, erklärt Kroll.
Ein Rucksackjahr besteht aus zwölf Bausteinen. Dabei gibt es für Eltern und Erzieher Geschichten, Reime, Mal- und Bastelvorlagen zu verschiedenen Themen wie Körper, Wetter oder Kleidung. Aktuell gibt es die Materialien in 15 verschiedenen Sprachen.
Heute stehen in der Kita Mistelweg die Themen Bewegung und Körper auf dem Programm. Die Kinder setzen sich in einem Kreis zusammen und Erzieherin Müller stimmt das Lied „Kopf, Schulter, Knie und Zeh“ an. Bei jedem Begriff tippen die Kinder den jeweiligen Körperteil an. Beim Refrain springen sie einmal nach links, einmal nach rechts, drehen sich. Sarah zeigt auf ihren Kopf und sagt „rayiys“. Das ist das arabische Wort für Kopf, was sie zu Hause von ihrer Mutter gelernt hat.
Unterstützung bekommt Sarahs Mutter von Rana Kabalan. Sie ist sogenannte Elternbegleiterin und damit ein zentraler Baustein im Projekt Rucksack KiTa. Kabalan hält den Kontakt zum Kommunalen Integrationszentrum, wurde von dort speziell geschult und erhält dort Arbeitsmaterialien für die Kinder. Außerdem spricht Kabalan die Muttersprache von Sarah und ihrer Mutter: Arabisch. Dadurch kann sie zwischen Eltern und Kita vermitteln.
Jeden Dienstag trifft sich Kabalan mit den Eltern der Rucksack KiTa Kinder. Diesmal geht es darum, wie das Thema Bewegung vermittelt werden kann. Kabalan verteilt Bastelvorlagen für einen Würfel. Auf jede Seite des Würfels schreiben die Eltern eine Bewegungsart auf Arabisch: Hüpfen, auf einem Bein stehen, hinlegen. Zu Hause würfeln die Kinder und machen die Bewegungen nach. Sprache wird dadurch spielerisch gelernt.
Wie gut das funktioniert weiß Mutter Manal Mustafa. „Meine Kinder sind immer ganz neugierig, welche Aufgaben ich ihnen von den Treffen mitbringe.“
Beim Projekt Rucksack KiTa geht es aber um mehr als um Sprache. „Es geht um Erziehung und Beziehung“, sagt Kroll. Durch die kleinen Aufgaben oder Vorlesen verbringen Eltern und Kinder Zeit miteinander. Diese gemeinsame Zeit ist wichtig für die Entwicklung der Kinder.
Rucksack KiTa sieht die Eltern als Experten für die Erziehung ihres Kindes an. Eltern erfahren, wie sie ihr Kind in der allgemeinen Entwicklung optimal fördern können. „Es geht nicht darum, den Eltern eine bestimmte Art von Erziehung aufzuzwingen. Es geht um Austausch“, betont Kroll.
Für die Eltern der KiTa Mistelweg hat Rucksack KiTa aber auch eine wichtige Orientierungsfunktion. „Wir bekommen Hilfe im Alltag und haben mit Rana eine Ansprechpersonin“, sagt Manal. Elternbegleiterin Kabalan hilft beim Verstehen von Behördenbriefen, erklärt Besonderheiten der deutschen Kultur oder vermittelt bei der Frage nach der richtigen Grundschule.

Hintergrund:
Das Projekt Rucksack KiTa gibt es seit 1998 und wird von der Landesweiten Koordinierungsstelle der Kommunalen Integrationszentren in NRW angeboten. Diese haben das Programm aus den Niederlanden adaptiert.
Das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Paderborn hat das Projekt im Kindergartenjahr 2015/2016 erstmals in den Kreis Paderborn geholt und setzt damit seinen Auftrag zur Sprachbildung und interkulturellen Öffnung um.
Bis 2024 fördert die Osthushenrich-Stiftung Rucksack KiTa mit 33.600 Euro. Eine Rucksack KiTa Gruppe läuft immer ein Jahr lang. In jedem neuen Kindergartenjahr kann die teilnehmende KiTa ihre Rucksackgruppe fortführen oder eine neue einrichten.
Finanziert wird das Projekt im ersten Jahr vom Kommunalen Integrationszentrum. In den folgenden Jahren übernimmt der Träger der KiTa die Hälfte der Kosten; die andere Hälfte kommt aus den Fördergeldern der Osthushenrich-Stiftung.
Sechs KiTas mit neun Elterngruppen haben an dem Projekt bisher teilgenommen: Die Städtische Kita Heidehaus, das AWO Kindercentrum Riemekepark, der Verbund der stätischen Kita Mistelweg und der katholischen Kita St. Franziskus, die kommunale Kita Pusteblume, die katholische Kita St. Johannes in Delbrück, sowie die kommunale Kita Schatenstraße in Hövelhof. Erreicht wurden damit 40 Kinder und 34 Eltern. Vertreten waren die Sprachen Russisch, Arabisch, Türkisch, Aser-baidschan-Türkisch, Armenisch, Kurdisch, Polnisch, Spanisch, Aramäisch, Bulgarisch und Italienisch.
Eine Befragung durch das Bildungs- und Integrationszentrum im Kindergartenjahr 2016/2017 ergab, dass Elternbegleiterinnen, Eltern, Kinder und Kindertageseinrichtung insgesamt sehr zufrieden mit dem Projekt sind. Die Ausführliche Evaluation ist auf der Internetseite des Bildungs- und Integrationszentrums einsehbar: http://www.kreis-paderborn.de/bildungsbuero/02-Sprachbildung/Rucksack-Kita/Rucksack-Kitaindex.php

Drei Fragen an Elternbegleiterin Rana Kabalan, 37 Jahre:

Warum sind Sie Elternbegleiterin geworden?
Ich komme ursprünglich aus dem Libanon, lebe aber seit meinem neunten Lebensjahr in Deutschland. Ich kenne also die deutsche und die arabische Kultur und kann zwischen beiden vermitteln. Ich finde, dass die Muttersprache für ein Kind sehr wichtig ist.

Wie haben sich Eltern und Kinder durch Rucksack KiTa verändert?

Deutlich spürt man die Veränderung, wenn die Mütter ihre Kinder aus der KiTa abholen. Vor Rucksack KiTa haben die Mütter ihren Kinder immer die Jacken und Schuhe aus- und angezogen. Das war manchmal für beide Seiten stressig.
Heute machen die Kinder das selbst und die Atmosphäre ist viel entspannter. Die Mütter haben gelernt, dass es wichtig ist, den Kindern kleine Aufgaben zu geben und sie damit zur Selbstständigkeit zu erziehen. Andersherum sind die Kinder stolz darauf, dass sie sich alleine die Schuhe zubinden oder alleine ihre Jacke anziehen können.
An diesem Beispiel sieht man, dass es bei dem Projekt um mehr als um Sprache geht.

Welche besonderen Erlebnisse hatten Sie im Projekt Rucksack KiTa?
Im Projekt geht es auch um den Austausch von verschiedenen Kulturen. Wir beschäftigen uns zum Beispiel mit den christlichen und muslimischen Feiertagen. Zu Ramadan habe ich einfach zwei Feiertage kombiniert und einen Ramadan-Kalender erfunden. Er hat wie der deutsche Adventskalender Türchen, aber 30, für die 30 Fastentage. Am Ende jedes Fastentages bekommen die Kinder kleine Geschenke.

 
 
 

Drei Fragen an Rita Schinschke, Leiterin der Kita Mistelweg:

Warum haben Sie Rucksack KiTa an ihre Kita geholt?
110 Kinder besuchen die Kita Mistelweg. Sie kommen aus 17 verschiedenen Nationen. Rucksack KiTa ist nicht nur Sprachförderung sondern auch Integration.

Warum ist die Muttersprache so wichtig für ein Kind?
Die Muttersprache ist die Herzsprache. Sie ist ein wichtiger Schatz, der nicht verloren gehen darf. In der Muttersprache eignet sich ein Kind einen bestimmten Wortschatz an. Nehmen wir das Beispiel Schuh. Es gibt so viele Wörter für Schuhe: Puschen, Hausschuhe, High Heels, Sneaker, Halbschuhe. Diese Vielfalt an Worten trägt das Kind in der Muttersprache in sich und kann dann schnell die deutschen Wörter lernen. Wenn das Kind aber nur das Wort Schuh auf Deutsch lernt, fehlen diese ganzen Facetten.
Die Welt erschließt sich uns mit der Sprache, also sollten wir sie stärken. Je mehr Worte ein Kind in sich trägt, je besser erlernt es eine zweite Sprache. In den Bildungsgrundsätzen NRWs stellt die Sprachentwicklung des Kindes eine zentrale Bildungsaufgabe im pädagogischen Alltag dar. Als Kita ist es unser Auftrag, die Sprache zu fördern und Möglichkeiten zu schaffen in der Muttersprache zu kommunizieren. Die Muttersprache ist gleichwertig und es ist gut, wenn Kinder sie zu Hause sprechen.

Was hat sich durch Rucksack KiTa verändert?
Verändert hat sich der Blick auf die Familien mit ihren unterschiedlichen Ritualen. Auch sind die Eltern viel motivierter und engagierter. Das haben wir unserer guten Elternbegleiterin Rana Kabalan zu verdanken.

 
 
 

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