Gedenkstätten sind Orte, an denen Geschichten unmittelbar erlebt werden kann. Sie sind auch für Schulen wichtig wie nie zuvor, weil immer weniger Zeitzeugen ihre Erinnerungen und Erfahrungen weitergeben können. Zum ersten Mal veranstaltete das Kreismuseum Wewelsburg einen Bildungspartner-Tag für jene Schulen, die ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem Museum offiziell mit einem Bildungspartnervertrag „Gedenkstätte und Schule“ besiegelt haben. Der Bildungspartner-Tag stand unter dem Motto „Erinnern.Gestalten“: Auf einem Markt der Möglichkeiten stellten die teilnehmenden Schulen ihre Projekte vor, die von Film- oder Theaterprojekten über Gedenkfeiern bis hin zu Ausstellungen zu Biographien und Schicksalen von KZ-Häftlingen reichten. Am Nachmittag konnten die Teilnehmer in sechs Workshops in Zusammenarbeit mit den Gedenkstättenpädagogen sich austauschen und neue Ideen entwickeln.
Seit Mai 2014 fördert das Land NRW diese Bündnisse, die sich mit den Themen Nationalsozialismus und Erinnerungskultur auseinandersetzen. Bildungspartnerschaften sollen es Schulen und Gedenkstätten erleichtern, zeitgeschichtliche Erinnerung im Unterricht, in Schulfahrten oder in Projekten zu gestalten. Beide Bildungspartner profitieren davon: Die Gedenk- und Erinnerungsstätten machen durch Projekte mit Schulen in der Region auf ihre Arbeit aufmerksam und werden für Kinder und Jugendliche zu einem vertrauten Lern- und Begegnungsort. Die Schulen erweitern ihre außerschulischen Lernangebote und erhalten Ideen, wie sie Orte, Ausstellungen oder Gedenktage an den Lehrplan anknüpfen können.
Neu im Boot ist die Hannah-Arendt-Gesamtschule, die zu Beginn der Veranstaltung den Kooperationsvertrag unterzeichnete. Damit unterhält das Kreismuseum Wewelsburg jetzt 12 Bildungspartnerschaften (sieben Schulen aus dem
Kreis Paderborn, fünf aus den Nachbarkreisen).
Der stellvertretende Landrat des Kreises Paderborn, Hans-Bernd Janzen, dankte den Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und den Gedenkstättenpädagogen für ihr Engagement. Janzen betonte, dass Schulen Orte der Sozialisation seien, an denen Jugendliche und Erwachsene einander begegneten. Es sei wichtig, gerade hier ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus zu setzen. Gedenkstätten seien zunächst Friedhöfe, hier könne man der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Sie erfüllten humanitäre Aufgaben, denn Gedenkstätten fühlten sich allen Opfern, deren Angehörigen und ihren Nachkommen verpflichtet. „Sie sind auch Orte historischer Aufklärung und gesellschaftlicher Reflektion“, so Janzen. Diesen Bildungsauftrag erfülle die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg seit ihrem Bestehen in 1982. Janzen erinnerte daran, dass bereits vor den offiziellen Bildungspartnerschaften, seit Jahrzehnten, intensive und nachhaltige Projekte mit Schülerinnen und Schülern durchgeführt werden konnten und das Museum immer schon auf eine intensive Zusammenarbeit mit Schulen gesetzt habe.
Andreas Weinhold als Vertretung
des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes NRW bezeichnete diese Bündnisse als „Brummer der Bildungspartnerschaft“. Hier werde Zivilcourage gefördert, „die eigentlich im Lehrplan stehen müsste, was sie aber leider nicht tut“, so Weinhold. Auch Rolf-Victor Sienhans von der Bezirksregierung Detmold betonte, dass dieses Wissen in der Gesellschaft dauerhaft verankert werden müsse. In Anlehnung an den Philosophen Søren Kierkegaard bekräftigte er, dass Geschichte vorwärts gelebt und rückwärts verstanden werden müsse.
Katharina Dehlinger als Koordinatorin der Bildungsarbeit in der Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg erläuterte, was Bildungspartnerschaft bedeutet. Die Arbeit mit Schulen „heißt für uns in der Gedenkstätte, ungewöhnliche und spannende Facetten aufgezeigt zu bekommen. Wir sehen immer wieder auch noch anders hin, entdecken selbst Neues. Und wir können Anregungen geben, Hintergrundinformationen und als Gesprächs- und Diskussionspartnerinnen und –partner zur Verfügung stehen“, so Dehlinger.
Genau hier setzten die Workshops am Nachmittag an. Im Rahmen einer Schreibwerkstatt lernten die Lehrkräfte und Schüler beispielsweise die Methode des kreativen Schreibens kennen. „Die Schüler können ganz für sich, in Ruhe und ohne frontale Wissensvermittlung, ihre Gedanken und Gefühle zu Papier bringen“, erläutert die Leiterin der Schreibwerkstatt, Annalena Müller. Auf Spurensuche begaben sich die Teilnehmer mit Norbert Ellermann, Gedenkstättenpädagoge des Kreismuseums Wewelsburg. Sie lernten Gebäude aus der NS-Vergangenheit in Wewelsburg kennen und konnten so die Einwirkung der SS auf die Entwicklung des Ortes in der Zeit von 1933 bis 1945 nachvollziehen. Im Workshop „Die Würde des Menschen…“ von Monne Lentz beschäftigten sich die Teilnehmer mit der Frage, was einen Menschen davon abhalten kann, anderen Menschen die gleichen Rechte zuzugestehen, die er für sich selbst beansprucht. Wie man recherchiert und selbständig im Offenen Archiv forschen kann, erfuhren die Schüler von Dirk Bader. Im Workshop „Fußball im Nationalsozialismus“ von Volker Kohlschmidt ging es um die Geschichte der Fußballvereine der 1. und 2. Bundesliga. Die Teilnehmer erfuhren, wie Vereine gleichgeschaltet wurden, welche Zwänge und Freiräume bestanden und welche Möglichkeiten zum Widerstand blieben. Sonja Bauer näherte sich mit dem „Biografischen Koffer“ dem Schicksal des ehemaligen KZ-Häftlings Hans Zimmermann.
Bildungspartner des Kreismuseums Wewelsburg sind das Berufskolleg Schloß Neuhaus, die Elly-Heuss-Knapp-Realschule Gütersloh, Sekundarschule Fürstenberg, Heinz-Nixdorf-Gesamtschule Paderborn, Leo-Sympher-Berufskolleg Minden, Liebfrauengymnasium Büren, Pelizäusgymnasium Paderborn, Realschule in der Südstadt Paderborn, Realschule Steinhagen, Öffentlich-Stiftische Gymnasium Bethel, Sekundarschule Bethel, beide Bielefeld, Hannah-Arendt-Gesamtschule Soest