13. November 2019
Bei der KiTa-Fachtagung „Bildung des Herzens“ in der Katholischen Hochschule Paderborn des Paderborner Kreisjugendamtes drehte sich alles um Empathie und Mitgefühl
Ist das nicht „irre“, eine ganze Fachtagung zum Thema Gefühle auszurichten? Landrat Manfred Müller lieferte zur Eröffnung gleich die Antwort auf seine bewusst provokant gestellte Frage: Gebraucht würden Fachkräfte mit emotionaler und sozialer Kompetenz. Oder einfacher formuliert: mit Herz und Verstand.
Landrat Manfred Müller: „Und wenn es richtig ist, dass in den ersten Lebensjahren dafür entscheidende Grundlagen gelegt werden, dann ist es Zeit, sich darüber zu unterhalten".
„Bildung des Herzens“ lautete das Thema der Tagung in der Katholischen Hochschule Paderborn, zu der das Paderborner Kreisjugendamt die pädagogischen Fachkräfte aus Kindertageseinrichtungen eingeladen hatte. In den Vorträgen und Workshops ging es um die Frage, wie echte Herzenswärme entwickelt und ausgebildet werden kann. Und um die Frage, ob Empathie eigentlich immer gut sei. Empathie ist dann gut, wenn aus ihr Mitgefühl und damit verantwortliches Handeln erwächst, lautete die Antwort der Referenten.
Christiane Kutik: Erwachsene müssen für Kinder Wegweiser sein.
Melanie Mühl: "Beim Mitgefühl trifft Herz auf Verstand. Dieses Zusammenspiel ist entscheidend".
Die Journalistin Melanie Mühl gab mit ihrem Artikel in der FAZ im Dezember 2018 über die „Bildung des Herzens“ der KiTa-Fachtagung des Kreises ihren Namen. Mühl ging der Frage nach, wie Empathie gelernt werden könne. Gerade Kindern fehle es noch an dem nötigen Reflexionsvermögen, sich in die Lage des anderen zu versetzen. Auch Mühl unterstrich wie Christiane Kutik die Bedeutung von Augenkontakt und direkten Reaktionen im Umgang mit kleinen Kindern. Das so genannte „Still Face Experiment“ 1975 von Dr. Edward Tronick zeige klar, wie verzweifelt Babys auf fehlende Mimik und persönliche Ansprache reagierten. Als es ihnen nicht gelingt, die Aufmerksamkeit ihrer Mütter zu bekommen, wurden sie unruhig, ängstlich und weinten.
Professor Dr. Holger Ziegler: "Demokratische Bildung ist das Gebot der Stunde".
Professor Dr. Holger Ziegler von der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Paderborn präsentierte die Ergebnisse seiner Studie zum Gemeinschaftssinn von 1000 Kindern und Jugendlichen aus Berlin, Leipzig und Köln im Alter von sechs und 16 Jahren. Holger untersuchte anhand von Fragekatalogen, wie sie mit verschiedenen Aspekten des Gemeinschaftssinns wie Empathie und Solidarität, aber auch mit Gleichgültigkeit und Abwertung von Minderheiten und Schwächeren umgehen. Dabei machte er deutliche Geschlechtsunterschiede aus. So entwickelten deutlich mehr Mädchen als Jungen die Fähigkeit zum Mitgefühl. Jungen hingegen zeigten deutlich mehr abwertendes Verhalten von Minderheiten. Dahinter stecke die Idee, dass wenn man etwas leiste, es auch zu etwas bringe.
Wenn also jemand arbeitslos oder obdachlos sei, sein Leben nicht auf die Reihe kriege, sei er eben selbst schuld. Ziegler sah bei Jungen als Grund das klassische Männlichkeitsbild, das des „Machers“. Wenn im Elternhaus Schwächere und Minderheiten diskriminiert würden, schlage sich diese Haltung 1:1 bei den Kindern durch. Fast jedes dritte Kind fühle sich von seinen Eltern nicht genügend beachtet, vermisse das Gefühl der Geborgenheit. Das habe Konsequenzen für die Fähigkeit zur Empathie. Für Ziegler sind die Studienergebnisse alarmierend. Hier drohe die Entsolidarisierung der Gesellschaft. Da könne die Stimmung irgendwann kippen. Demokratische Bildung sei das Gebot der Stunde. Kinder würden deutlich mehr Zeit in Kindergärten und Schulen verbringen. Hier müssten soziale Fähigkeiten wie Empathie, Solidarität, Respekt und Hilfsbereitschaft erfahren, erlernt und verinnerlicht werden.
Die Herzen der Tagungsteilnehmer eroberten die Kindergartenkinder des Familienzentrums Purzelbaum Delbrück in ihren phantasievollen Kostümen. Sie brachten Szenen aus „Das Schatzbuch der Herzensbildung“ von Charmaine Liebertz auf die Bühne. „Ich bin wie eine Pflanze, die zum Himmel wächst, wenn mein Herz neue Hoffnung schöpft“, heißt es dort optimistisch. Zum Abschied verteilten die Kleinsten Blumen und Herzen. Dekan Professor Dr. Michael Böwer von der Katholischen Hochschule Paderborn zeigte sich so beeindruckt vom Vortrag der Kindergartenkinder, dass er sie spontan einlud zur nächsten KinderUni im Februar 2020.
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