22. Juli 2019
Ein sicherer Schlafplatz ist größter Wunsch
Wohnungslose geben dem Kreis Paderborn Tipps
Isomatte und ein Schlafsack halten in der Nacht warm – gegen soziale Kälte helfen sie nicht. (v.l. Zehra Bavli, Jan Eickmeyer, Jürgen Schneider (Gründer einer Selbstvertretung Organisation für Obdachlose in Niedersachsen), Landrat Manfred Müller, Lothar Schindler und Dr. Constanze Kuhnert (stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes des Kreises Paderborn) Bildrechte: Kreis Paderborn/ Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Meike Delang
„Unkompliziert und mit größtem Respekt findet Ihre Meinung hier Gehör. Besser geht es eigentlich gar nicht“, ermuntert Landrat Manfred Müller die Teilnehmer. Rund 40 Wohnungslose haben sich nun auf Einladung des Kreises Paderborn zum Workshop „Endstation Wohnungslosigkeit?!“ versammelt, um ihren Nöten, Problemen und Wünschen Gehör zu verschaffen.
Es gibt im Kreisgebiet viele Hilfsangebote für Obdachlose. Sei es, dass erstmal die akuten Probleme wie Essen, Trinken, Schlafen gelöst werden, oder Hilfen, um wieder in ein sesshaftes Leben zurückzufinden. „Doch was helfen uns Projekte und Angebote, wenn wir an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei planen. Deswegen wollten wir ganz konkret von ihnen wissen, was gut, was schlecht läuft und wo Hilfen fehlen“, erklärt die Psychiatriekoordinatorin Zehra Bavli vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises Paderborn. Zu vier Themen – Wohnen, Arbeit, Freizeit und die Wirksamkeit der erhaltenen Hilfe - brachten die Betroffenen ihre Sichtweise ein.
Wohnen und Schlafen lagen dabei den Teilnehmern besonders am Herzen. Ein sicherer Schlafplatz war der größte Wunsch derjenigen, die auf der Straße übernachten. Sie brauchen einen Platz, von dem sie nicht vertrieben werden und an dem sie vor Belästigung, zum Beispiel durch betrunkene Jugendliche, geschützt sind. Wer die Straße verlassen möchte, stößt auf Wände. „Wir werden schon auf Grund unseres Äußeren vom Vermieter abgelehnt“, berichtet ein Teilnehmer von seinen Erfahrungen bei der Wohnungssuche. Und selbst wenn sie den Vermieter überzeugen können, sind die Mietpreise für sie meistens unerschwinglich.
„Obdachlosigkeit ist die extremste Form der sozialen Ausgrenzung“ erklärt Landrat Müller. Eine eigene Wohnung gäbe Sicherheit, Privatheit. Zugleich treibt die Obdachlosigkeit die Betroffenen in die soziale Einsamkeit. „Wenn ich auf der Straße sitze, brauche ich keinen Euro von den Passanten, sondern mal ein nettes Gespräch oder dass einer einen Kaffee mitbringt“, beschreibt Jan Eickmeyer den Wunsch, auch als Obdachloser von der Gesellschaft gesehen und wahrgenommen zu werden. Der junge Mann (25) weiß, wovon er spricht. Neun Monate hat er auf der Straße gelebt, bis er Hilfe von „KIM Soziale Arbeit e.V.“ bekommen hat. Heute hat er wieder einen Job und eine eigene Wohnung. Wie und mit welchen Hilfen er das erreicht hat, erzählten er und ein weiterer Betroffener, Lothar Schindler, auf dem Workshop.
Zahlreiche Anregung und auch Kritik seitens der teilnehmenden Wohnungslosen kamen am Ende des Workshops zusammen. „Alle Ergebnisse des Workshops werden wir in der nächsten Regionalplanungskonferenz ‚Eingliederungshilfe Wohnen‘ vorstellen und bei zukünftigen Planungen berücksichtigen“, versichert Bavli. Landrat Müller verspricht, die zuständigen politischen Gremien zu informieren, da gerade das Fehlen bezahlbarer Wohnungen immer wieder als ein Grund für die Wohnungslosigkeit genannt wurde. „Hier Abhilfe zu schaffen, ist selbstredend eine Aufgabe für die Politik“, bekräftigt Müller.
Und der ehemalige Obdachlose Eickmeyer? Was gibt er den Menschen mit, deren verzweifelte Situation er nur zu gut aus eigener Anschauung kennt? „Nicht die Hoffnung verlieren!“
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