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30. Juni 2021

Germanenmythos und Kriegspropaganda:

Die Rolle des prominenten NS-Künstlers Wilhelm Petersen, historisch-kritisch beleuchtet im Spiegel der Zeit

Museumsleiterin Kirsten John-Stucke und die Kuratoren der Sonderausstellung Reinhard Fromme, Erik Beck und Christopher Horstmann. (©Kreismuseum Wewelsburg) 
Museumsleiterin Kirsten John-Stucke und die Kuratoren der Sonderausstellung Reinhard Fromme, Erik Beck und Christopher Horstmann. (©Kreismuseum Wewelsburg)

„Germanenmythos und Kriegspropaganda. Der Illustrator Wilhelm Petersen (1900–1987)“:

Sonderausstellung bis zum 26. September im Burgsaal der Wewelsburg, Eintritt ist frei

- Sonntag, 4. Juli, steht ein Kurator der Ausstellung von 11 bis 15 Uhr für Fragen zur Verfügung

National-konservativ geprägt, orientierte sich der Illustrator Wilhelm Petersen bereits in den 1920er Jahren an völkischen Ideologien. 1933 trat er in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein. Seine Bildmotive prägten die Vorstellung von vor- und frühgeschichtlichen Germanen und „nordischen Idealfiguren“. Wilhelm Petersen fand durch persönliche Bekanntschaften und Vernetzungen schnell Gefallen bei einflussreichen Personen im Umkreis der NSDAP. Insbesondere Alfred Rosenberg, Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP sowie seit Januar 1934 „Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“ und seine Mitarbeiter förderten Petersen. Mittels zahlreicher Artikel in einschlägigen Zeitschriften, Ausstellungen und Bildwiedergaben wurde Petersen professionell vermarktet. 1938 verlieh ihm Adolf Hitler den Ehrentitel „Professor“. Bis zu seinem Tod in 1987 distanzierte sich Wilhelm Petersen nicht von seiner Rolle als NS-Künstler und blieb nahezu unbehelligt.

Nach dem Krieg wurde er als einer der Zeichner der Igelfigur „Mecki“ für die Zeitschrift „Hör Zu!“ bekannt. Er blieb im Netzwerk ehemaliger Nationalsozialisten und Mitglieder der Waffen-SS verwurzelt, die ihn bis zu seinem Tod protegierten.

In der Sonderausstellung „Germanenmythos und Kriegspropaganda. Der Illustrator Wilhelm Petersen (1900–1987)“ wird sein Leben und Werk erstmals wissenschaftlich-kritisch beleuchtet.

„In unserer Ausstellung wird der NS-Künstler in seinen zeitlichen Kontext gestellt und seine Rolle als SS-Kriegszeichner und einem Treiber der SS-Kriegspropaganda aufgearbeitet“, unterstreicht Museumsleiterin Kirsten John-Stucke. Die Sonderausstellung beleuchtet vier Lebensphasen von Wilhelm Petersen und ist noch bis zum 26. September im Burgsaal der Wewelsburg während der Öffnungszeiten des Kreismuseums zu sehen. Der Eintritt ist frei. Kuratoren der Ausstellung sind Erik Beck, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kreismuseums Wewelsburg, Reinhard Fromme, Leitung der Museumspädagogik, sowie Christopher Horstmann, wissenschaftlicher Volontär. Am kommenden Sonntag, 4. Juli, steht erstmals ein Kurator der Sonderausstellung in der Zeit von 11 bis 15 Uhr für Fragen zur Verfügung.

Das Kreismuseum Wewelsburg erhielt 2018 einen Teil des Nachlasses von Wilhelm Petersen. Darunter fanden sich zahlreiche Zeichnungen und Skizzen, Belegexemplare von Büchern und Zeitschriften mit Bildwiedergaben persönliche Dokumente und Objekte, darunter etwa Petersens Zeichenbrett, das er während seiner Zeit als SS-Kriegszeichner nutzte, oder diverse Uniformteile und Orden. Mit dieser umfangreichen Schenkung aus allen Lebensphasen des Künstlers bot sich dem Wewelsburger Ausstellungsteam um die drei Kuratoren Erik Beck, Reinhard Fromme und Christopher Horstmann die Chance, Biografie und Werke von Wilhelm Petersen durch umfangreiche Archivrecherchen zu rekonstruieren und so erstmals systematisch sowie thematisch übergreifend in den Blick zu nehmen. Deutlich wird, wie dicht Wilhelm Petersen ein weit verzweigtes Netzwerk aus persönlichen und beruflichen Beziehungen knüpfte, welches er auch nach 1945 weiter pflegte. Die Ausstellung im Burgsaal der Wewelsburg ist in vier Kapitel gegliedert, die sich an den grundlegenden Lebensphasen Petersens orientieren. Thematische Querschnitte innerhalb der Kapitel ermöglichen zusätzlich Einblicke in die Vernetzungen des Künstlers, die ihn insbesondere seit 1933 zu großer Bekanntheit führten und dazu beitrugen, dass er eindeutig zur Künstlerprominenz während der NS-Zeit zu zählen ist.

  • Das erste Kapitel widmet sich der Jugend und der frühen künstlerischen Tätigkeit Petersens vor 1933: Nach einer Lehre beim Hamburger Ausstattungsmaler Peter Gustav Dorén meldete sich Petersen wie viele junge Männer seines Jahrgangs freiwillig zur Armee, kam jedoch nicht mehr zu einem Einsatz an der Front. Enttäuscht über den Ausgang des Krieges und die politische Situation nach dem Frieden von Versailles trat Petersen 1919 dem völkisch-antisemitischen Freikorps „Marine-Brigade Ehrhardt“ bei. Mit diesem Freikorps war er im November 1919 an der Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes in Berlin und im März 1920 am sogenannten „Kapp-Lüttwitz-Putsch“ gegen die Weimarer Republik beteiligt. Nach der Auflösung des Freikorps im Mai 1920 betätigte er sich bis 1923 vornehmlich als Restaurator bei adligen Familien in Schlesien und Schleswig-Holstein.
    Seit 1924/1925 arbeitete Wilhelm Petersen für den „Deutschen Bund Heimatschutz“. Diese konservative Institution wandte sich gegen die Veränderung von Städten und Landschaften durch moderne Industrie und Architektur. Im ihrem Auftrag und auf ihre Kosten unternahm Petersen mehrere Reisen, u. a. nach Skandinavien. Die auf diesen Fahrten entstandenen Zeichnungen und Bilder erschienen gemeinsam mit Texten über die Reise als Buch. Auf einer der Reisen lernte Petersen Frigga von Vietinghoff-Scheel kennen, die er 1926 heiratete. Über ihre aus Lettland stammende Familie kam er in Kontakt mit einflussreichen Personen im konservativ-völkischen Milieu Berlins der späten 1920er Jahre. Seit 1927 lebte die Familie dauerhaft in Berlin, Petersen war als Pressezeichner beim Ullstein-Verlag angestellt und illustrierte Zeitungen, Zeitschriften und Bücher. Zum 1. April 1933 trat Petersen in die NSDAP ein und kündigte seine Anstellung beim Ullstein-Verlag.

  • Das zweite Kapitel beinhaltet die NS-Zeit von 1933 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939. Wilhelm Petersen fand durch persönliche Bekanntschaften und Vernetzungen seit 1933 mit seiner Bildsprache schnell Gefallen in einflussreichen Kreisen der NSDAP. Eine 1936/1937 in mehreren Städten gezeigte Retrospektive-Ausstellung und eine flankierende Presse-Offensive machten ihn reichsweit bekannt und bildeten die Grundlage seines Erfolges. Nach diesem Erfolg wandte sich Petersen seit März 1937 der SS zu, die mit den Dienststellen Rosenbergs um Mittel und Personal konkurrierte. Er trat als Untersturmführer in die Allgemeine SS ein und wurde fortan durch den „Persönlichen Stab Reichsführer-SS“ gefördert und mit Werken, etwa für Quedlinburg, beauftragt. Auf Vorschlag von Joseph Goebbels verlieh ihm Hitler am 30. Januar 1938 den Ehrentitel „Professor“. Diesen Titel führte Petersen bis zu seinem Tod 1987. Bereits 1937 hatte er mit dem „Küsten-Verlag Wilhelm Petersen, Hamburg“ einen Verlag gegründet, der einer kommerziellen Verbreitung seiner Werke und Bücher dienen sollte. Mit insgesamt acht Werken war Wilhelm Petersen auf den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ in München vertreten, die seit 1937 jährlich in dem neu erbauten „Haus der Deutschen Kunst“ veranstaltet wurden. Sowohl Adolf Hitler, Hermann Göring, Alfred Rosenberg und Martin Bormann erwarben Bilder von Petersen.

  • Das dritte Kapitel thematisiert Petersen während des Zweiten Weltkriegs: Er war im Ersten Weltkrieg nicht mehr als Soldat an die Front gekommen und empfand dies wie viele Männer seines Jahrgangs als Makel. Mit dem Überfall auf Polen im September 1939 bot sich Petersen die Möglichkeit, als Soldat am Krieg teilzunehmen, zunächst als Schütze eines der Front nachgeordneten Wehrmacht-Bataillons. Unmittelbar nach dem Polenfeldzug wurde er zur Waffen-SS beordert. Innerhalb der SS-Kriegsberichter-Kompanie (SS-KBK) genoss er ein hohes Ansehen. Seine heroischen und ideologisierten Zeichnungen vom Krieg im Westen und im Osten erhielten in Ausstellungen eine große Bühne. Nicht nur karrierefördernde Seilschaften, sondern enge Freundschaften zu einflussreichen SS-Persönlichkeiten ermöglichten Wilhelm Petersen Aufstieg und Bekanntheit. Nach den Fronteinsätzen 1940 und 1941/1942 erfolgte seine Verwendung für die SS in der Heimat in Elmshorn. Für seine Dienste als SS-Kriegsberichter sowie weitere Auftragsarbeiten entlohnte ihn die SS großzügig. Wilhelm Petersen besaß auch bis zum Kriegsende direkte Beziehungen zu Heinrich Himmler und seinem Mitarbeiterstab.

  • Im vierten Kapitel werden Petersens Leben, seine berufliche Tätigkeit und seine politischen Haltungen und Vernetzungen nach 1945 in den Fokus gestellt. Nach einer kurzen Internierung folgte für Wilhelm Petersen im November 1947 die zügige Entnazifizierung. Seine Entlastung sowie die Freigabe des Vermögens ermöglichten ihm eine schnelle Rehabilitation. Nach 1945 konnte Petersen vom öffentlichen Zuspruch her zunächst jedoch nicht an seine Erfolge während der NS-Zeit anknüpfen, erhielt aber dennoch 1975 den Friedrich-Hebbel-Preis für sein Lebenswerk. Es fanden auch weiterhin, zumeist im norddeutschen Kontext, Ausstellungen seiner Werke statt. Sein Netzwerk versuchte ihn, etwa zum 75. Geburtstag 1975, zu rehabilitieren. Im Netzwerk seiner ehemaligen SS-Kameraden und Weggefährten war er fest verankert. In Abgrenzung zu seiner Laufbahn als prominenter NS-Künstler bearbeitete Petersen als Maler nach 1945 lediglich unverfängliche Motive wie Landschaften und Darstellungen seiner Familie. Durch persönliche Beziehungen erhielt er Aufträge als Illustrator für Verlage und Unternehmen. Politisch und weltanschaulich blieb Wilhelm Petersen zeitlebens dem rechten Spektrum verhaftet. Als Mitglied der NPD und aktives Mitglied der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS“ (HIAG) pflegte er enge Verbindungen in dieses Milieu. Neben seiner Bekanntheit als Mecki-Zeichner prägten Veröffentlichungen aus dem rechtsextremen Umfeld bis in die 1990er Jahre die Rezeption seiner Werke. In der extremen Rechten gehören seine Darstellungen vorgeschichtlicher „Germanen“ noch immer zu den sinnstiftenden Ikonen und werden nach wie vor auf Buchcovern, großformatigen Repros und andernorts reproduziert. So etwa verschiedene Motive handgranatenwerfender SS-Männer, die auf T-Shirts bis vor einigen Jahren vertrieben wurden.

Welche Rolle hatte Wilhelm Petersen in der NS-Zeit und wie gehen wir heute damit um:

Die Kuratoren möchten mit der Sonderausstellung deutlich machen, dass Petersen nicht ein einfacher, bodenständiger und sensibler Künstler war, als der er gern dargestellt wurde. Seine Rolle als SS-Kriegszeichner seit 1940 habe in der schonungslosen und unparteiischen Darstellung des Krieges und seiner Gräuel gelegen. Seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS und seine ideologische und weltanschauliche Einstellung seien bisher kaum thematisiert und problematisiert worden. Die bisherige Darstellung Petersens wird in der Ausstellung mit neuen Forschungsergebnissen kontrastiert und erheblich differenziert.

Durch biografische Schnitte ist anhand von Objekten aus dem Nachlass Petersens und durch Leihgaben institutioneller wie privater Leihgeber dessen völkisch-nationalsozialistische Überzeugung zu belegen. Durch Archivrecherchen und durch Belegexemplare und Dokumente aus dem Teilnachlass lassen sich zudem Petersens Verankerung in rechts-konservativen bis rechtsextremen Netzwerken in der Bundesrepublik und seine entsprechenden Verstrickungen beleuchten. Es zeigt sich, dass Petersen seit seiner Zeit in den Freikorps der frühen Weimarer Republik bis ins hohe Alter hinein ein überzeugter Anhänger völkisch-antisemitischer Ideologie war.


Kuratoren

Erik Beck, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator
Reinhard Fromme, Leitung Museumspädagogik und Kurator
Christopher Horstmann, Wissenschaftlicher Volontär und Kurator


Kreismuseum Wewelsburg

Burgwall 19 | 33142 Büren-Wewelsburg
Tel.: 02955 7622-0 | Fax: 02955 7622-22
info@wewelsburg.de | wewelsburg.de


Öffnungszeiten

dienstags – freitags: 10 – 17 Uhr
samstags, sonntags und feiertags: 10 – 18 Uhr
Letzter Einlass: 30 Minuten vor Schließung!

 
 
 

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