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07. Juni 2022

Kreismuseum Wewelsburg restituiert bronzezeitliches Griffzungenschwert aus ehemaliger SS-Sammlung

Dem Kreismuseum Wewelsburg ist es gelungen, die Herkunft eines von der SS unrechtmäßig erworbenen Objekts aus der archäologischen Sammlung zu erforschen und den Nachfahren des rechtmäßigen Besitzers zurückzugeben.

Schwert 
Museumsleiterin Kirsten John-Stucke und Wissenschaftlicher Dr. Erik Beck zeigen das restituierte bronzezeitliche Griffzungenschwert aus ehemaliger SS-Sammlung.

Dem Kreismuseum Wewelsburg ist es gelungen, die Herkunft eines von der SS unrechtmäßig erworbenen Objekts aus der archäologischen Sammlung zu erforschen und den Nachfahren des rechtmäßigen Besitzers zurückzugeben. Es handelt sich dabei um ein Griffzungenschwert der mittleren bis jüngeren Bronzezeit, das bis 2018 im Hochstiftmuseum in der Abteilung zur vorgeschichtlichen Archäologie Ost-Westfalens ausgestellt wurde. Das Schwert war in Westfalen ohne Parallele, in der Donauregion jener Epoche jedoch verbreitet.

Den Museumsmitarbeitenden war schon seit vielen Jahr klar, dass in ihrer Sammlung Objekte aufbewahrt wurden, die Heinrich Himmler für die Ausstattung der Wewelsburg aus den besetzten Ostgebieten rauben oder aus jüdischem Besitz unrechtmäßig erwerben ließ. Einige der Objekte unbekannter Herkunft werden bereits in der Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1933-1945 präsentiert.

Dass es gelungen ist, die Provenienz dieses Bronzeschwerts ausfindig zu machen, ist einem Hinweis der ehemaligen Mitarbeiterin des Kreismuseums, Dana Schlegelmilch, zu verdanken. Durch die intensive Recherche des wissenschaftlichen Mitarbeiters Dr. Erik Beck konnten die losen Fäden zwischen Bronzeschwert und der vor- und frühgeschichtlichen Sammlung des jüdisch-stämmigen Kaufmanns und Sammlers Moritz Rothberger (1865 – 1944) aus Wien zusammengeführt werden.

Am 7. und 8. Februar 1939 versteigerte das Auktionshaus Hans W. Lange in Berlin die Sammlung von Moritz Rothberger. Nach seiner Ausbildung zum Schneider und Kaufmann führte Moritz Rothberger seit 1900 mit seinen Brüdern Alfred und Heinrich das renommierte Kaufhaus „Jacob Rothberger“ am Wiener Stephansplatz. Neben seiner beruflichen Karriere betätigte er sich als Förderer und künstlerisch durchaus erfolgreicher Bildhauer. Daneben baute er eine umfangreiche Sammlung vor- und frühgeschichtlicher und antiker Objekte sowie zeitgenössischer Malerei und Plastik auf.

Bei der Auktion im Februar 1939 wurden 356 vor- und frühgeschichtliche sowie antike Objekte seiner Sammlung versteigert. Teil dieser Auktion war auch das Griffzungenschwert. Die SS erwarb Rothbergers Sammlung. Die Objekte wurden nach der Auktion nach Wewelsburg geschafft, wo sie von dem dortigen SS-Archäologen Wilhelm Jordan (1903 – 1983) angenommen und katalogisiert wurden. Bereits im Juni 1939 schrieb er dem in Münster am Museum für Vor- und Frühgeschichte tätigen Archäologen Dr. Hugo Hoffmann, er solle einmal auf die Wewelsburg kommen, unter anderem, um sich „unsere fabelhafte Bronzesammlung, ein Geschenk des Reichsführers-SS“ anzusehen. 1940 berichtete er auf Nachfrage an den zuständigen Archäologen Walter Lange in Bielefeld, er habe den Erwerb der Sammlung bei seinen Fundmeldungen zum Jahr 1939 nicht mitgeteilt, da es sich nicht um westfälische Stücke handele, dennoch sei die „Ortsveränderung eines so umfangreichen Inventars irgendwo nachrichtenmäßig zu melden“.

Himmler sah die Wewelsburg als eine Art Aufbewahrungsort für Kunstschätze und Wertgegenstände an, vor allem im Laufe des Krieges. Dementsprechend wurden immer wieder Staats-Geschenke, Raubkunst und vorgeschichtliche Funde in die Wewelsburg verbracht und dort gelagert. Darunter befanden sich auch die Objekte der Sammlung Rothberger. Die verschiedenen SS-Sammlungen wurden kriegsbedingt größtenteils 1944/45 in das zwei Kilometer entfernte ehemalige Kloster Böddeken ausgelagert. Nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen im April 1945 wurden diese Bestände teils in alliierte Depots abtransportiert, teils geplündert.

Auch die archäologische Sammlung der SS litt unter verschiedenen Verlagerungen sowie der Sprengung der Wewelsburg durch die SS am 31. März 1945 und nachfolgenden Plünderungen. Ein Teil der Objekte wurde im Brandschutt wieder aufgefunden und entweder durch offizielle Stellen verwahrt oder gelangte durch Finder in private Hände. Nur noch wenige Stücke der ehemaligen archäologischen SS-Sammlung befinden sich heute in den Beständen des Kreismuseums. Einzelne Objekte sind in den Besitz des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Paderborn e.V. übergegangen.

Bereits 1946 versuchten die archäologischen Denkmalpflegebehörden die Reste der SS-Sammlung zu sichern. Dabei wurde von Münzen, mehreren Bronzebeilen und einem Bronzeschwert berichtet. Möglicherweise handelte es sich bei Letzteren um Reste der Sammlung Rothberger. Vor 1950 hatte der damalige Burgwart auf der Wewelsburg, vermutlich im Bauschutt, ein Bronzeschwert gefunden. Es wurde offenbar nicht in die Ausstellung übernommen. Es ist unklar, ob es sich dabei bereits um das Schwert aus der Sammlung Rothberger handelte. Erst im Jahr 1967 lässt sich das Griffzungenschwert aus der Sammlung Rothberger zweifelsfrei im Museum nachweisen. Der neue Burgwart hatte es in einem Schrank gefunden und einem Mitarbeiter übergeben, der damals die archäologische Ausstellung überarbeitete. Dieser fertigte eine Umrisszeichnung der Griffzunge an und vermutete bereits eine Herkunft des Stückes aus der ehemaligen archäologischen SS-Sammlung.

Der Fundort und die Herkunft des Schwertes waren dem Museum zu diesem Zeitpunkt allerdings unbekannt. Auf einer Inventarkarte des Kreismuseums aus den 1970er Jahren, die der ehemalige SS-Archäologe Wilhelm Jordan als damaliger ehrenamtlicher Mitarbeiter des Museums eigenhändig beschriftet hatte, wurde später der Fundort „Ringelstein“ (bei Büren) eingetragen. Dieser Fundort war zuletzt fraglich geworden, weil das Schwert für den westfälischen Raum eher untypisch ist.

Das Kreismuseum Wewelsburg unternahm seit 2018 Schritte zur Rückgabe des Griffzungenschwertes an die Erben des 1944 in Wien verstorbenen ursprünglichen Besitzers der Sammlung, Moritz Rothberger. Es wurde dabei unterstützt von der Kommission für Provenienzforschung, die dem österreichischen Bundeskanzleramt angegliedert ist. So gelang es der Museumsleiterin Kirsten John-Stucke und Erik Beck die Erben Rothbergers ausfindig zu machen, die in Deutschland und Norwegen leben. Dieser Erbengemeinschaft wurde das Schwert Anfang des Jahres 2022 nun restituiert. In einem zweiten Schritt kaufte das Museum das Griffzungenschwert von der Erbengemeinschaft an. Es soll künftig in der Dauerausstellung „Wewelsburg 1933-1945 – Ideologie und Terror der SS“ gezeigt werden und dort die Geschichte des SS-Kunstraubes und die unter Zwang erfolgten Versteigerungen jüdischen Kulturgutes illustrieren.

 
 
 

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