15. Dezember 2023
Schulleitervollversammlung führt Schulen und Fachkräfte zusammen
Leon ist 7 Jahre alt und besucht die erste Klasse einer Grundschule. Seine Klassenlehrerin ist beunruhigt, weil Leon auffallend schreckhaft ist. Manchmal schlägt der Junge unvermittelt um sich, wenn er überraschend von hinten angefasst wird. Im Sportunterricht reckte Leon jetzt schwungvoll die Arme; zum Vorschein kamen zahlreiche rote Striemen an Rücken und Hüfte. Fallbeispiele wie dieses sind Realität.
Unter der Überschrift „Schutzkonzepte in Schulen – Kindesschutz geht nur gemeinsam“ bot jüngst eine Schulleitervollversammlung Raum und Gelegenheit, umfassend zu beleuchten, wie sich Schulen vor Ort auf Situationen wie diese vorbereiten können und wie es gelingen kann, betroffenen Schülerinnen und Schülern eine hilfreiche Anlaufstelle und Unterstützung zu sein.
„In einer Schulgemeinschaft müssen alle Beteiligten gut und gesund leben und arbeiten können. Wir alle tragen dafür gemeinsam die Verantwortung“, betont Landrat Christoph Rüther.
„Es geht nur zusammen. Wenn alle Beteiligte wissen, wen sie ansprechen müssen und hinzuziehen können, fühlen wir uns handlungssicherer und entschlossener“.
Zur Veranstaltung eingeladen hatten der Leitende Regierungsdirektor Dr. Andreas Müller von der Bezirksregierung Detmold, sowie Schulamtsdirektorin Julia Schlüter, Generalistin für die Bildungsregion im Schulamt für den Kreis Paderborn. Man traf sich in der Katholischen Hochschule in Paderborn, „einem Ausbildungszentrum für den Kindesschutz in all seinen Facetten ", begrüßte Prof. Dr. Dr. Martin Hörning, Dekan der Hochschule, die Anwesenden.
„Jede Schule ist verpflichtet, ein Schutzkonzept mit entsprechenden Handlungsanweisungen für den Ernstfall zu entwickeln“, erklärt Andreas Neuhaus, Leiter der Regionalen Schulberatungsstelle des Kreises Paderborn, im Rahmen der Veranstaltung. „Dieses dient als Fahrplan für Krisensituationen und bietet im Ernstfall Handlungsklarheit für alle Beteiligten“.
„Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, seelisch und körperlich gesund und gewaltfrei aufzuwachsen. Unsere Pflicht ist es, den Kindesschutz als Kinderrecht zu wahren und die Schülerinnen und Schüler im Schulalltag zu unterstützen“, erklärt auch Prof. Dr. Petra Büker vom Institut für Erziehungswissenschaft, Grundschulpädagogik und Frühe Bildung der Universität Paderborn. Gerade deshalb habe die Entwicklung von Schutzkonzepten eine hohe Priorität im Schulalltag.
In dem Schutzkonzept festgehalten sein sollten neben einem Verhaltenskodex, auch wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen und Interventionspläne sowie Ansprechpersonen und Kooperationspartner. Wichtig sei, dass alle schulischen Akteure bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
„Mitgedacht werden sollten unbedingt auch die Offenen Ganztagsschulen und die Schulsozialarbeit“, betont auch Neuhaus.
„Mit der Entwicklung eines Konzepts zur Prävention und Intervention bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen können Lehrkräfte dazu beitragen, die Schule zu einem sicheren Ort zu machen“, sind sich die Fachleute sicher. Die jungen Menschen und die Lehrkräfte erfahren, wo sie Hilfe und kompetente Unterstützung finden, wenn sie betroffen sind oder selber unterstützend tätig werden möchten. „Im Sinne der Transparenz ist es ratsam, das Konzept zum Unterrichtsthema zu machen und auch mit den Eltern zu kommunizieren“, rät Neuhaus.
Das Team der Regionalen Schulberatungsstelle hatte am Veranstaltungstag den Notfallordner zur schulischen Gewaltprävention und Krisenintervention im Gepäck, der im Frühjahr seitens des Landes an alle Schulen in NRW geschickt wurde. Der gemeinsam mit der Unfallkasse NRW entwickelte Notfallordner „Hinsehen und Handeln“ besteht aus einem Interventionsteil, der eine genaue Ablaufplanung für verschiedene Krisenfälle enthält. Er bleibt den Schulleitungen vorbehalten und ist öffentlich nicht zugänglich.
Der Krisenpräventionsteil ist ebenfalls fester Bestandteil des Ordners, kann aber auch als eigenständiges Handbuch mit Handlungsempfehlungen zur Krisenprävention an das schulische Fachpersonal und an die Unterstützungssysteme der Schulen ausgegeben werden. (Quelle: Schulministerium NRW).
Immer mit im Boot beim Thema Kindesschutz an Schulen ist die Schulsozialarbeit von Stadt und Kreis Paderborn. „Wir bieten Schülerinnen und Schülern professionelle Unterstützung bei der Überwindung von Lebenskrisen und Lernproblemen, sind aber auch wichtige Anlaufstelle bei der Persönlichkeitsentfaltung junger Menschen“, erklären Anna Stork vom Kreisjugendamt und Dirk Kampmann vom Stadtjugendamt Paderborn.
Die Schulsozialarbeitenden schaffen als „offene Tür“ eine vertrauensvolle Basis, um junge Menschen beim Prozess der Offenlegung von Erfahrungen und Erlebnissen zu begleiten. Präventionsangebote und Beteiligungsprojekte dienen dazu, den „Schutzraum Schule“ mitzugestalten.
Zudem wurde das Angebot der anonymen Beratung für Geheimnisträger gemäß § 4 aus dem Gesetz zur Kooperation und Intervention im Kinderschutz sowohl vom städtischen Jugendamt als auch vom Kreisjugendamt vorgestellt. Die telefonische Beratung bei Verdachtsmomenten einer Kindeswohlgefährdung wird in anonymisierter Form durchgeführt und ist vertraulich und kostenfrei. In der Beratung werden sowohl die Beurteilung der wahrgenommenen Anzeichen, die Einschätzung des Gefährdungspotentials sowie die Klärung weiterer Schritte und Vorgehensweisen genau erörtert.
Am Tag vor Ort war auch Kriminalhauptkommissar Peter Gall vom Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz der Kreispolizeibehörde Paderborn, um im Rahmen der Krisenprävention rund um Straftaten an der Schule und im schulischen Kontext zu berichten. „Die Schulleitung ist bei ersten Anzeichen für eine schwere Straftat immer gehalten, uns zu informieren“, betont Gall ausdrücklich. Außerdem gilt es, die kommende „Objektakte Schule“, die in jeder Schule die erforderlichen Grunddaten, verantwortlichen Personen oder Besonderheiten der Einrichtung beinhaltet, stets aktuell zu halten und bei Änderungen die Polizei entsprechend zu informieren.
Vertreten waren im Rahmen der Schulleitervollversammlung und bei einer anschließenden Beratungsrunde die Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Paderborn, das Freie Beratungszentrum Paderborn, die Beratungsstelle BELLADONNA des skf, die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche der Caritas, die Kreispolizeibehörde, die Jugendämter von Stadt und Kreis Paderborn, profamilia und die Frauenberatungsstelle Lilith.
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