Zum Inhalt (Access key c)Zur Hauptnavigation (Access key h)Zur Unternavigation (Access key u)
Bildungs- und Integrationspilot

Gewaltprävention in der Pflege

Gewaltprävention in der Pflege   © Adobe.stock.com - Pavlo

Gewaltprävention in der Pflege © Adobe.stock.com - Pavlo

In fast allen Lebensbereichen können problematische Situationen bis hin zu Aggression und Gewalt vorkommen – so auch in der Pflege. (Foto: © Adobe.stock.com - Pavlo)

Pflege erfolgt im häuslichen Umfeld, in Senioren- und Pflegeeinrichtungen oder auch in anderen betreuten Wohnformen. Die Versorgung stellt in fachlicher, psychischer und körperlicher Hinsicht erhebliche Anforderungen an die pflegenden Personen. Auch wenn sich die Beteiligten im Vorfeld über den Umfang und die Form der Pflege einig waren, so kann es zu Spannungen in der Pflegebeziehung kommen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gewalt gegen Ältere als „eine einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer angemessenen Reaktion, die im Rahmen einer Vertrauensbeziehung stattfindet oder einer älteren Person Schaden oder Leid zugefügt wird“
Gewalt fängt also nicht erst beim Schlagen an. Vernachlässigung, Demütigung oder schlechte Pflege stellen auch Formen von Gewalt dar. Ebenso ist der Eingriff in die Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen, psychische sowie körperliche Misshandlung (auch in Form sexuellen Missbrauchs) missbräuchliche Gabe von Medikamenten und finanzielle Ausbeutung Gewalt.
Als eine besondere Art der Gewalt können freiheitsentziehende Maßnahmen, wie mechanische Fixierungen, das Absperren des Zimmers und ruhigstellende Medikamente darstellen.
Pflegebedürftige Menschen mit körperlicher, geistiger, seelischer, psychischer Behinderung sind oftmals nicht in der Lage, sich gegen Gewalt zu wehren.
Zur Gewalt kann es aber nicht nur gegenüber den Pflegebedürftigen kommen. Sie kann sich auch gegen die Pflegeperson richten und sich auch zwischen den pflegebedürftigen Bewohner/innen in Einrichtungen ereignen.
Die Gründe für solche Problemsituationen sind sehr vielfältig. Deshalb ist es wichtig ein Problembewusstsein auf allen gesellschaftlichen Ebenen für das Thema „Gewalt in der Pflege“ zu entwickeln, sachliche Aufklärung zu betreiben sowie ein Klima für einen offenen und kritischen Austausch zu schaffen.
Denn ein Wissen über die Erscheinungsformen, praktische Hinweise und Unterstützungsgebote können im Wesentlichen dazu beitragen, dass ein besserer Umgangs mit schwierigen Situationen und damit eine Vorbeugung von Problemsituationen für Pflegende und Pflegebedürftige (Prävention) erreicht werden kann.

Wichtige Informationen und praktische Hinweise:

Was ist Gewalt in der Pflege?

  • Unmittelbare körperliche Gewalt: Schlagen, Schütteln, Festhalten, mechanische Fixierung
  •  Psychische Gewalt: Schreien, Drohen, Ignorieren, Beleidigen

  •  Medikamentenmissbrauch: nicht indizierte oder nicht ärztlich verordnete Medikamentengabe

  • Vernachlässigung: Unterlassen von notwendigen Hilfen, mangelnde Nahrungs- oder Flüssigkeitsversorgung

  • Finanzielle Ausbeutung: unbefugte Verfügung über Vermögen, Nötigung zu Geschenken

  •  Sexueller Missbrauch: Missachtung der Intimsphäre, nicht einvernehmliche Intimkontakte

Wie zeigt sich Gewalt in der Pflege?

  • Abfällige Bemerkungen
  • Über den Kopf hinweg sprechen
  • Radio oder Fernseher ungefragt ein- oder ausschalten
  • Hilfsmittel, wie Klingel, Brille, Prothese, Gehstock wegnehmen
  • Bevormunden, z.B. Schlafenszeiten festlegen, zum Aufstehen oder Essen zwingen
  • Lange auf Hilfe warten lassen
  • Zu fest anfassen, rütteln, schubsen

Welche Ursachen kann Gewalt in der Pflege haben?

Bei Pflegenden, z.B.:

  • Mangelndes Wissen und Kompetenz, um das Verhalten des Pflegebedürftigen richtig einzuschätzen und angemessen darauf zu reagieren
  • Konflikte in der Partnerschaft, in der Familie, im Pflegeteam
  • Ständiger Druck, Überlastung, Überforderung
  • Suchterkrankung
  • Finanzielle Probleme
  • Hohes Aggressionspotential
  • Beengte Wohnverhältnisse

Bei Pflegebedürftigen, z.B.:

  • Gefühle von Hilflosigkeit und Fremdbestimmung, Angst oder Verzweiflung
  • Krankheitsbedingte Veränderungen im Gehirn, z.B. bei Demenz

Was können Anzeichen von Gewalt sein?

Anzeichen von Gewalt sind nicht immer eindeutig. Manche Symptome können auch Folge einer Erkrankung oder eines Sturzes sein. In jedem Fall sollte die Ursache geklärt und eine ärztliche Untersuchung veranlasst werden, wenn z.B.:

  • Hautabschürfungen, Platzwunden, blauen Flecken, Abdrücke an Hand- und Fußgelenken oder Verletzungen im Intimbereich auftreten
  • Der Pflegebedürftige schlecht ernährt ist
  •  Der Pflegebedürftige scheu, demütig, verängstigt, schreckhaft, teilnahmslos oder aggressiv wirkt
  • Der Pflegebedürftige in unterschiedlichen Einrichtungen behandelt wird, um häufige Verletzungen zu verheimlichen
  • Zwischen Verletzungszeit und Behandlung unverhältnismäßig lange Zeit vergeht
  • Geld oder Wertgegenstände verschwinden
  • Der Pflegende gleichgültig, übermäßig angespannt oder überfürsorglich wirkt, Nachfragen Abwehr auslösen oder Erklärungen widersprüchlich sind.


Was ist zu tun, wenn eine problematische Pflegesituation vorliegt?

z.B. in einer Familie:

  • In Pflegesituationen mit hohem Aggressionspotenzial und Gewaltrisiko sollte Pflegebedürftigen und Pflegenden Beratung angeboten werden, wie sie entlastet und bei der Pflege unterstützt werden können.
  • Die Hilfe sollte immer wieder angeboten werden, auch wenn diese zunächst abgelehnt wird.

z.B. bei professionell Pflegenden:

  • Die Haus- oder Dienstleitung muss über das Fehlverhalten informiert werden. Dauern die Probleme dennoch an, sollte eine der folgenden Stellen informiert werden:
    • Pflegekasse/private Pflegeversicherung,
    • Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK)
    • Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherunge. V.,
    • Heimaufsicht oder auch kommunale Beschwerdestellen.

Was sind freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM)?

Wenn eine Person gegen ihren Willen durch Gegenstände oder Medikamente in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt wird und dies nicht ohne fremde Hilfe überwunden werden kann, handelt es sich um eine freiheitsentziehende Maßnahme (FEM).
Dazu gehören:

  • Mechanische Fixierungen, z. B. Bettgitter, Gurte, Stecktische
  • Einsperren, z. B. durch komplizierte Schließmechanismen an Türen
  • Sedierende Medikamente, z. B. Schlafmittel, Beruhigungsmittel
  • Auch: Wegnahme von notwendigen Hilfsmitteln, z. B. Schuhe, Brille, Rollator

Warum sollten freiheitsentziehende Maßnahmen vermieden werden?

FEM sind eine besondere Form der Gewalt. Sie können schwerwiegende psychische und physische Folgen haben:

  • Häufig werden FEM damit begründet, Stürze und Verletzungen vermeiden zu wollen. Jedoch können sie dies noch begünstigen, da Bewegungsfähigkeit und Muskelkraft nachlassen.
  • FEM werden auch bei Menschen mit Demenz eingesetzt, um Unruhe und Umherirren zu reduzieren. Wenn jedoch die Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, kann das erhöhte Unruhe und Aggressivität bewirken.


Was ist bei freiheitsentziehenden Maßnahmen rechtlich zu beachten?

  • FEM dürfen nur eingesetzt werden, wenn die betreffende Person schriftlich zustimmt oder
  • um Lebensgefahr sowie erhebliche Gesundheitsschädigungen abzuwenden.
  • Bei Personen, die nicht einwilligungsfähig sind, ist die Zustimmung des gesetzlichen Betreuers erforderlich, der dafür eine richterliche Genehmigung einholen muss.
  • Für die Genehmigung ist ein ärztliches Attest erforderlich. Dazu gehören Informationen über den Gesundheitszustand der Person und darüber, warum, in welcher Weise und wie lange die FEM voraussichtlich angewendet werden sollen und ob Alternativen bereits versucht wurden oder fehlen.
  • Bei jeder FEM muss der Pflegebedürftige zu seinem Schutz kontinuierlich beobachtet werden.
  • Die Anwendung und Beobachtung muss sorgfältig, engmaschig und nachvollziehbar dokumentiert werden.
  • Werden unterschiedliche Maßnahmen angewendet, ist jeweils eine gesonderte gerichtliche Genehmigung erforderlich.

Gewaltprävention und Konzept zu freiheitseinschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen für Pflegeeinrichtungen nach dem WTG NRW

§ 8 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG NRW): Gewaltprävention, freiheitseinschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen:

  • Das Thema der Gewaltprävention wurde erstmalig in das Gesetz aufgenommen. Demnach sind die Leistungsanbieter verpflichtet geeignete Maßnahmen zum Schutz der Nutzer/innen zu treffen.
  • Im § 8 Abs. 2 werden Vorgaben zum Umgang mit freiheitseinschränkenden Maßnahmen beschrieben.
  • Die Leistungsanbieter müssen außerdem in einem Konzept die Möglichkeiten der Vermeidung von freiheitseinschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen festlegen und Regelungen zu deren Durchführung und Überwachung darlegen.
  • Das Konzept ist Bestandteil der Prüfung durch die WTG-Behörde.
  • Die WTG-Behörde prüft ebenfalls, ob Mitarbeiter/innen der pflegerischen Einrichtung regelmäßig in der Umsetzung des Gewaltschutzkonzeptes geschult werden.

Überlastung erkennen und Entlastungsangebote nutzen

Um problematische, ungesunde Pflegesituationen zu vermeiden, ist es für Pflegende wichtig, Anzeichen von Überlastung zu erkennen und Entlastungsangebote rechtzeitig in Anspruch zu nehmen.

Mögliche Warnsignale für Überlastung können sein:

  • Energiemangel, ständige Müdigkeit
  • Nervosität, innere Unruhe
  • Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, Hoffnungslosigkeit
  • Gereiztheit, Aggressivität
  • Schuldgefühle oder – zuweisungen
  • Allgemeine Angstgefühle
  • Psychosomatische Beschwerden

Für pflegende Angehörige und professionell Pflegende gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit denen Belastung und Entlastung in ein gesundes Verhältnis gebracht werden können. Dabei ist es von großer Bedeutung, die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu identifizieren und zu beachten.

Netzwerk "Gewalt in der Pflege" im Kreis Paderborn

Das Netzwerk setzt sich aus Fachleuten von ambulanten und stationären Pflegediensten sowie aus Fachleuten des Sozialamtes und Gesundheitsamtes des Kreises Paderborn zusammen.

Mit dem Frühwarnsystem Gewalt in der Pflege soll

  • das Zusammenwirken der Personen und Institutionen gefördert,
  • Standards zur Gewaltvermeidung gemeinsam festgelegt,
  • ein niederschwelliges Beratungsangebot vorgehalten werden,
  • für das Thema im Pflegebereich und auch in der Öffentlichkeit sensibilisiert werden.

Aus dem Netzwerk heraus wurden das „Nottelefon im Pflegealltag“, Informationen und Arbeitshilfen erarbeitet und organisiert.


Arbeitshilfen und Informationen

  • Gewalt in der Pflege – Arbeitshilfen für ambulante und stationäre Einrichtungen

Nottelefon im Pflegealltag

Logo Hilfenetz

Ein Anruf - viel Hilfe!

Hilfesuchende in Krisensituationen oder bei Überforderung in der Pflege wissen oft nicht, an welche zuständige Stelle sie sich wenden können.

Der Kreis Paderborn hat ein „Not-Telefon“ im Pflegealltag eingerichtet.
Dieses ist unter der Telefonnummer

05251 308 - 900

Mo.-Fr. 8.30 bis 12.00 Uhr
Do. 14.00 bis 18.00 Uhr

geschaltet, damit Sie Hilfe bekommen, bevor alles zu viel wird.

Sie können sich auch unter folgender E-Mailadresse melden:   hilfenetz@kreis-paderborn.de

Sie können sich auch anonym melden – Ihre Angaben werden vertraulich behandelt.

Angesprochen sind alle Bürgerinnen und Bürger im Kreis Paderborn, insbesondere Betroffene und pflegende Angehörige.

Unter der genannten Telefonnummer 05251 308 - 900 stehen Ihnen während der Sprechzeiten der Kreisverwaltung Fachleute zur Verfügung, die in konfliktreichen Situationen zuhören, beraten und begleiten.

Für alle seelischen Belastungen und Sorgen steht außerhalb der o.g. Zeiten auch die Telefonseelsorge zur Verfügung unter den kostenlosen Rufnummern 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222. Zusätzlich per Mail und Chat unter www.telefonseelsorge.de/ . Das Angebot ist anonym.

Weitere überregionale Informations- und Hilfsangebote zur Gewaltprävention in der Pflege:

Anschrift

Kreis Paderborn
Aldegreverstraße 10 – 14
33102 Paderborn

Kontakt

Telefon: 05251 308 - 0
Telefax: 05251 308 - 8888
E-Mail senden

 
RAL Gütezeichen
Vorbildliches Europa-Engagement als „Europaaktive Kommunen“