Wo dürfen Windkraftanlagen errichtet werden?
Der Gesetzgeber hat in 1997 die so genannte Privilegierung der Windenergie-Nutzung eingeführt. Das heißt, dass Windkraftanlagen nach § 35 Baugesetzbuch im Außenbereich grundsätzlich zulässig sind. Mit der Ausweisung von so genannten Windkonzentrationszonen kann der Bau solcher Anlagen jedoch räumlich gesteuert werden. Im Einzelfall kann auch in Gewerbe- oder Industriegebieten die Errichtung und der Betrieb von Windkraftanlagen im jeweiligen Gemeinde- oder Stadtgebiet zulässig sein.
Wer weist solche Windkonzentrationszonen aus?
Der Flächennutzungsplan ist ein Planungsinstrument, mit dem Kommunen ihre städtebauliche Entwicklung steuern können. Städte und Gemeinden können darin auch die o.a. Windkonzentrationszonen ausweisen, also jene Flächen, in der Windenergieanlagen vorrangig gebaut werden können.
Welche Rolle spielt dabei der Kreis Paderborn?
Der Kreis Paderborn ist als untere Immissionsschutzbehörde Genehmigungsbehörde für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m. Für diese Anlagen wird ein (so genanntes) Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz durchgeführt. Je nach Standort und je nach Anzahl wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Öffentlichkeit und der Fachbehörden durchgeführt. Der Antragsteller muss in einem solchen Verfahren ein umfangreiches Paket an Unterlagen einreichen. Zu prüfen sind beispielsweise Lärm, Schattenwurf oder auch Standfestigkeit der Anlagen. Darüber hinaus sind artenschutzrechtliche Fachbeiträge und Umweltverträglichkeitsstudien vorzulegen. Dazu sind in der Regel Sachverständigengutachten erforderlich. Erfüllt der Antragsteller alle rechtlichen Voraussetzungen, hat er einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung.
Was wird in einer Schallimmissionsprognose (einem Lärmgutachten) geprüft?
In der Schallimmissionsprognose (Im Lärmgutachten) wird unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch bestehende Windkraftanlagen, des Schallleistungspegels der neu hinzukommenden Anlage, der nächstgelegenen Bebauung und der Topographie eine Ausbreitungsrechnung durchgeführt, deren Ergebnis mit den Immissionsrichtwerten der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) verglichen wird.
Wieviel Abstand muss zu Wohngebieten eingehalten werden?
Diese Frage lässt sich nicht allgemeingültig beantworten, da es immer auf die konkrete Situation vor Ort ankommt. Im konkreten Genehmigungsverfahren ist in der Regel das Rücksichtnahmegebot bei einem Abstand der Anlage zur Wohnbebauung gewahrt, der mindestens das dreifache der Anlagenhöhe beträgt. Maßgeblich ist ferner, dass der für das jeweilige Wohngebiet maßgebliche Immissionsrichtwert eingehalten wird, was der Antragsteller durch die Schallimmissionsprognose nachweisen muss.
Gibt es da in irgendeiner Form politischen Spielraum?
Nein. Das alles sind keine politischen Erwägungen, die vor Ort noch gewichtet werden können, sondern zwingende Vorschriften auf der Basis von Recht, die durch den Gesetzgeber vorgegeben werden und der gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegen bzw. standhalten müssen. Ohne gemeindliche Flächenutzungsplanung sind Windkraftanlagen im gesamten Außenbereich privilegiert zulässig. Die Instrumente des Planungsrechts müssen deshalb nachvollziehbar und sicher angewandt werden.
Im Juli 2013 kippte das Oberverwaltungsgericht Münster den Bürener Flächennutzungsplan? Seitdem wird das Urteil bundesweit diskutiert. Wo liegt das Problem?
Das Oberverwaltungsgericht hat noch einmal deutlich herausgestellt, dass bei der planerischen Ausweisungvon Windkonzentrationszonen zwischen so genannten harten und weichen Tabuzonen unterschieden werden müsse. Bei harten Tabuzonen (z.B. Naturschutzgebiet) scheiden die Flächen für Windkraftanlagen definitiv aus. Dort dürfen keine Windkraftanlagen gebaut werden. Bei den weichen Standortfaktoren sind Flächen erst einmal im Prinzip zugänglich für die Planung. Hier muss die Stadt oder Gemeinde städtebaulich rechtfertigen, warum da keine Anlagen hin dürfen. Und genau da sagt der Gesetzgeber, dass es keine Verhinderungsplanung sein dürfe. Der Windenergie müsse substantiell genug Raum gegeben werden.
Wie unterscheidet man zwischen harten und weichen Tabuzonen?
Genau diese Fragen bereitet den Kommunen Kopfzerbrechen, weil sie sich mit einem Planungsinstrument konfrontiert sehen, das vor 16 Jahren geschaffen wurde und die heute üblichen Technologien (z.B. auch Größe der Anlagen), die Akzeptanz der Bürger und letztlich auch die Ziele außer acht lässt. Wann z.B. ist es genug? Wann hat eine Region ihren Beitrag zur Energiewende geleistet? Doch genau eine solche „geographische Deckelung“ liegt nicht im Entscheidungsbereich eines Landrats oder eines Bürgermeisters.
In den vergangenen drei bis vier Jahren ist die Zahl der Genehmigungsverfahren im Kreis Paderborn rasant angestiegen. Zunehmend werden auch Standorte außerhalb der Konzentrationszonen der Flächennutzungsplan der jeweiligen Städten und Gemeinden beantragt. Die daraus resultierenden Ablehnungen der Anträge wurden in der Vergangenheit oft beklagt. Und das mit großem Erfolg: Mit dem Tempo, mit dem die Rechtsprechung die Anforderungen an eine rechtssichere Konzentrationsflächenplanung heraufgesetzt hat, können die Städte und Gemeinden in ihren Flächennutzungsplanverfahren kaum noch Schritt halten. Die Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen zeigt ganz offensichtlich, dass hier noch enormer Klärungsbedarf ist. Gleichwohl sind Kommunen in der Pflicht, rechtssicher zu planen.
„Ist rechtssicheres Planen noch möglich“ lautete der Titel einer Fachtagung im Berufskolleg in Schloß Neuhaus, zu der Landrat Manfred Müller im Januar 2014 die Kommunalpolitik, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Planungs-, Bau- und Umweltämtern, aber auch alle Interessierten und betroffene Bürgerinnen und Bürger eingeladen hatte.
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