20. März 2020
Psychologischen Beratungsstelle für Schule, Jugend und Familie des Kreises Paderborn gibt hilfreiche Tipps
Seit Anfang der Woche sind die Schulen aufgrund des Corona-Virus geschlossen. Für die Schülerinnen und Schüler geht es dennoch weiter, das Lernen wird nicht eingestellt.
„Auch wenn der Unterricht nicht mehr in den Räumen der Schule stattfindet, sollen die Lehrer ein schulisches Angebot ermöglichen - allerdings in den heimischen vier Wänden“, betont Andreas Neuhaus, stellvertretender Amtsleitung der Psychologischen Beratungsstelle für Schule, Jugend und Familie des Kreises Paderborn. Aus schulpsychologischer Sicht hat dieses besondere Lernen eine wichtige Funktion, da es für eine Struktur im Tagesablauf sorgt. „Strukturen und Routinen sind hilfreich und geben in schwierigen Situationen etwas Vertrautes, um gelassener zu bleiben“, erklärt der Experte.
Das Lernen Zuhause ist in dieser neuen Form eine Herausforderung für alle – auch oder gerade für die Eltern. Zwar sollten sie von Anfang an deutlich machen, dass „schulfrei“ nicht mit „lernfrei“ gleichzusetzen ist. „Aber um all die derzeitigen familiären Anforderungen wie die Kinderbetreuung, das Arbeiten im Homeoffice, die Entertainerfunktion für die Kinder und das Bewahren des Familienfriedens bewältigt zu bekommen, sollten Eltern das Thema „Schule“ zwar ernst nehmen, aber nicht über alles stellen“, so Neuhaus.
Während in den Grundschulen häufig Aufgabenpakete an die Kinder verteilt werden, nutzen die weiterführenden Schulen oftmals digitale und vernetzte Möglichkeiten wie Lernplattformen, Chats oder andere Online-Werkzeuge. „Weil das soziale Leben im Moment sehr beschränkt ist, wirkt ‚gemeinsam statt einsam‘ als wichtiger Faktor, um psychisch gesund durch die nächsten Wochen zu kommen“, erklärt Neuhaus.
„Lernangebote für Zuhause“ bedeuten nicht, dass sich der normale Stundenplan in vollem Zeitumfang abbilden soll. Ebenso bedeutet es nicht, dass Eltern den Ehrgeiz haben sollten, in die Rolle der Lehrerin oder des Lehrers zu schlüpfen und mit ihren Kindern Schule zu simulieren. „Eltern haben eine andere Beziehung zu ihren Kindern und diese sollte gerade jetzt nicht durch das Thema Schule aufs Spiel gesetzt werden“, so Neuhaus. Da, wo sich der ganze Tag neu strukturiert, müsse gut überlegt werden, welcher Umfang und welcher Rhythmus aus Lernen und Pausen auch zum Tagesablauf in der Familie passt. Es biete sich unter Umständen an, das Lernen über den Tag zu verteilen. Dabei seien Pausen wichtig.
Viele Kinder freuen sich über das spätere Zubettgehen und das morgendliche Ausschlafen. Jedoch gelte auch hier: Die Gewohnheiten des normalen Alltags nicht vollständig auflösen! Die Familien sollten Zeiten vereinbaren, wo Kinder geweckt werden und sich neben schulischen auch mit anderen Aufgaben im Haushalt beschäftigen sollen. Eltern sollten deutlich machen, dass das Leben zuhause nur funktioniert, wenn alle ihren Beitrag leisten.
Für die Motivation der Kinder sei es hilfreich, täglich über das Pensum des Lernens zu sprechen. Was steht für heute an? Was traut sich das Kind alleine zu, wobei benötigt es Hilfe? Eltern sollten sich überlegen, was sie von ihren Kindern an Eigenständigkeit erwarten und wieviel Unterstützung, auch zeitlich, sie in der Lage sind zu geben. Eltern sollten klarmachen, dass sie ansprechbar sind, wenn das Kind Hilfe benötigt, aber auch verdeutlichen, dass sie nicht die ganze Zeit das Lernen begleiten können.
Gerade jetzt biete sich an, Dinge noch einmal aufzugreifen, die im Unterricht noch nicht richtig verstanden wurden. Lesen kommt oft zu kurz - jetzt ist die Gelegenheit! Im Vorlesen erleben die jüngeren Kinder die elterliche Nähe und schulen ihre eigene Lesekompetenz allein durch das Zuhören, aber auch durch das eigene Lesen. Bei älteren Kindern seien beispielsweise Wiederholungen alter Vokabeln und Aufgaben mathematischer Themen sinnvoll. „Hierfür bieten sich – wohldosiert – auch digitale Medien an, um Inhalte nachzuarbeiten“, so Neuhaus. Im Grundschulalter lassen sich viele schulische Themen wunderbar in den Alltag integrieren, ohne dass sie den „Schulfach-Stempel“ aufgedrückt bekommen. Gerade die Küche ist ein Ort, an dem mathematische Themen wie Mengen und Gewichte ihren Platz finden. „Beim Schreiben eines Einkaufszettels oder eines Briefes für die Großeltern können Kinder genauso viel lernen wie beim Spielen von ‚Mensch ärgere Dich nicht‘, wo die Frustrationstoleranz oder der Zahlbegriff Thema sind“, weiß Neuhaus.
Auch Gelassenheit und eine gewisse Portion Fehlerfreundlichkeit sind in dieser Ausnahmesituation Eigenschaften, die Kinder beim schulischen Lernen benötigen.
„Kinder spüren sehr genau, dass die Welt gerade eine andere ist und übernehmen mit ihren feinen Antennen vielleicht auch die Sorgen der Eltern“, betont der Fachmann.
Allein die veränderte Struktur des Tages führe bei manchen Kindern dazu, dass sie sich zurückziehen und stiller sind, als die Eltern es gewöhnt sind. Andere wiederum seien alberner, unruhiger oder unkonzentrierter als sonst. Das sei in dieser unnormalen Situation ein normales Verhalten. „Die wichtigsten Dinge, die Eltern gerade ihren jüngeren Kindern geben müssen, sind Klarheit auf der einen und Zuwendung und Wärme auf der anderen Seite. Eltern sollten sich weiterhin als Eltern begreifen und ihre Rolle als Lernbegleiter gut mit sich im Vorfeld klären. Belastend ist die Corona-Pandemie für alle und wenn Eltern dabei die eigenen Bedürfnisse nicht aus dem Blick verlieren, nützt das auch den Kindern“, betont Neuhaus abschließend.
Die Psychologische Beratungsstelle für Schule, Jugend und Familie des Kreises Paderborn steht aktuell unter
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